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VANDEN PLAS – The Empyrean Equation Of The Long Lost Things

~ 2024 (Frontiers Music Srl) – Stil: Melodic Progressive Metal ~


„Hää? Was? Ajoe… alles beim Alde in de Palz. De Betze holt de Pokal unn steit trotzdäm mol widder ab unn VANDEN PLAS spiele weiderhin in de erscht Liga.“

So oder ähnlich dürfte es klingen, wenn ihr einen echten Pfälzer momentan zur aktuellen Lage befragt. Wenigstens konnten die Roten Teufel das Pfalz/Saarland Derby gegen den unbezwungenen Underdog Saarbrücken für sich entscheiden.

Weitaus wichtiger ist das Faktum, dass der progressive Underdog VANDEN PLAS – was wohl leider den kommerziellen Ertrag der Kunst im Vergleich zu anderen Bands des Genres betrifft – nicht aufgibt und absolut jedes Spiel für sich entscheidet.

Eine wichtige Änderung blieb jedoch auch ihnen in dieser Saison nicht erspart: Der langjährige kreativ-virtuose Rückraumspieler Günter Werno wechselte zu seinem eigenen Verein und man musste ein ebenbürtiges Arbeitstier mit weitreichender Felderfahrung akquirieren. Dies gelang mit dem Frontiers-Hauseigenen Tastenwizard Alessandro Del Vecchio, der nun auch das Verhältnis an der Haarprachtfront zugunsten des wahren Metal erhöht (übrigens gibt es auch einen bandeigenen HardRockner im Merchprogramm – kein Witz!).

 

 

Wer sich näher mit dem Frontiers-Programm beschäftigt hat oder einfach nur ein Fan hochqualitativen Hardrocks ist, dürfte schon des Öfteren mit dem wohlklingenden Namen des italienischen Tastenmeisters in Berührung gekommen sein und wissen, dass er nichts anbrennen lässt. Falls es also einen würdigen „Nachfolger“ für Günter geben kann, hat man ihn definitiv mit Alessandro gefunden.

Er darf dann auch gleich mit Pianissimo das Album eröffnen und nach kurzer Zeit entwickelt sich ein wohlig-warmes Grinsen in deinem Gesicht, denn das sind genau die VANDEN PLAS, die du liebst. Mit ihrem ureigenen Stil, der sich zusammensetzt aus Stakkato-Riffs, Shrapnel-Flitzefingerparaden (da würde Mike Varney unterhalb der Gürtellinie vor Freude explodieren) und himmlische Soli von Mittelfeldspieler Stephan Lill, diesem unglaublich tighten Rückraum mit den Verteidigern Andreas Lill und Torsten Reichert und natürlich dem Stürmer Andy Kuntz, der noch treffsicherer als seine Verwandtschaft ehemals in der Bundesliga mit seiner ureigenen, charismatischen Stimme über dem Geschehen thront und mit seinen Texten dem Pokal den letzten Schliff gibt. Es gibt sechs Juwelen nacheinander am Stück, die bei anderen Künstlern jeweils für sich das Highlight eines Albums sein könnten.

Angefangen bei den typischen Bombastrefrains, epischen Soli und instrumentalen Wirbelstürmen (´The Empyrean Equation Of The Long Lost Things´), die sich in die Gehörmuschel bohren und jeden THRESHOLD- oder AYREON-Untertanen zum Niederknien zwingen, über CRIMSON GLORY-Doppel-Leads und metallisches Drama (´My Icarian Flight´), fette Orgelklänge, beschleunigte MARILLION-Gitarre und orchestrale Chöre beim Melodikstampfer ´Sanctimonarium´, himmlische Instrumentalpassagen in unheiliger Atmosphäre (´The Sacrilegious Mind Machine´), hochemotionale Momente, die in wollig-wonnige Kashmirpolymetrik gipfeln (´They Call Me God´) bis hin zum vom Hardcore-Progger langersehnten Longtrack, das als Höhepunkt in der Reprise des Titelsongs gipfelt und das Werk so pianissimo beendet, wie es begonnen hat. Der Kreis schließt sich.

Jegliche Vergleiche mit DREAM THEATER kann man eigentlich schon seit Jahren stecken lassen, es wäre genauso blödsinnig, EVERGREY mit CONCEPTION zu vergleichen. Gemein mit all diesen Bands haben VANDEN PLAS außer der spielerischen Ballführung lediglich das große Melodiekino, die Dramatik und die fein ausbalancierte Härte, die sich immer wieder mit gefühlvollen Parts abwechselt. Für tumbes Metal-Jazz-Gefrickel müsst ihr euch was anderes suchen – hier regieren ausgefeilte Kompositionen, die intelligente Lyrik tragen können.

Diesmal gibt es laut Andy keine Story oder zusammenhängendes Konzept im eigentlichen Sinn:

Es dreht sich vielmehr um eine Chronik verschiedener Geschichten, welche die bedeutenden und essenziellen Dinge im Leben behandeln. Zum Einen die Großen, an denen wir uns nicht festhalten können und zum Anderen die vermeintlich unwichtigen kleinen Dinge, die wir irgendwo auf unserem Weg achtlos vergessen oder unglücklich verloren haben … gerade dies sind aber die Habseligkeiten, die für das Glück entscheidend und für die Erfüllung unseres Lebens notwendig sind…

Weise Worte in einer zunehmend materiellen, anonymen und gleichzeitig einsamen Social-Media-Welt.

Wer VANDEN PLAS wirklich noch nicht kennt, dem ist langsam aber sicher nicht mehr zu helfen. Freunde der Band und ihrer Musik wissen, dass sich dir jedes Album mit seinen ganzen Facetten, stürmischen und auch ruhigen Höhepunkten nach jedem Hördurchgang mehr erschließt. Die Messlatte für das Progmetalalbum des Jahres in Puncto Dramaturgie und Melodik liegt. Und sie liegt verdammt hoch.

 

vandenplas.de

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