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DAVID CROSBY – If I Could Only Remember My Name

~ 1971/2024 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Psych/Folk Rock ~


Der US-amerikanische Singer-Songwriter David Crosby war in den Sechziger- und Siebzigerjahren ein Pionier der Rock-Musik. Erst leistete er in den Sechzigerjahren als Mitbegründer der BYRDS bahnbrechende Arbeit im Folk Rock und der Psychedelia, später in den Siebzigerjahren mit der Supergroup CROSBY STILLS & NASH im California Sound. Er wurde nicht nur zweimal in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen, sondern verkaufte bei seiner Zusammenarbeit mit den BYRDS und CROSBY STILLS NASH & YOUNG weit über 35 Millionen Alben.

Nach dem ersten selbstbetitelten, bahnbrechenden 1969er Album von CROSBY STILLS & NASH schloss sich ihnen Neil Young an. Doch noch vor der Veröffentlichung ihres 1970er Albums ´Déjà Vu´ kam David Crosbys langjährige Freundin Christine Hinton bei einem Autounfall ums Leben, so dass David Crosby noch stärker den Drogen zusprach. CROSBY STILLS NASH & YOUNG legten zwei Jahre später erst einmal eine Pause ein.

Gleichwohl begaben sich alle vier Bandmitglieder auf Solo-Pfade und der immense Erfolg von ´Déjà Vu´ übertrug sich ebenso auf die nachfolgenden Solo-Alben der vier Bandmitglieder: Neil Youngs ´After The Gold Rush´ (1970), Stephen Stills‘ Solo-Debüt ´Stephen Stills´ (1970), David Crosbys Solo-Debüt ´If I Could Only Remember My Name´ und Graham Nashs ´Songs For Beginners´ (1971).

Die anhaltende Arbeit und der Erfolg mit CROSBY STILLS NASH & YOUNG brachten für David Crosby noch genügend Zerstreuung, doch alsbald versank er in Alkohol und Drogen. Zur Ablenkung verbrachte er viel Zeit in den „Wally Heider Studios“ von San Francisco. Nachts arbeitete er im Studio, schlief bis zum Mittag auf seinem Boot und kämpfte sich bis zum erneuten Abend durch das Leben.

Um ihn in seiner anhaltenden Trauer nicht allein zu lassen, besuchten ihn viele seiner Musikerfreunde und fanden ihn bisweilen unkontrolliert weinend auf dem Studioboden. Sie spielten demenentsprechend auch auf den Liedern, die sein erstes Solo-Album ´If I Could Only Remember My Name´ werden sollten, allen voran Jerry Garcia, mit dem er die Magie des Werkes entfachte, aber auch Graham Nash, Neil Young, Joni Mitchell sowie Mitglieder von GRATEFUL DEAD und JEFFERSON AIRPLANE.

´If I Could Only Remember My Name´ erscheint derzeit zum 75-jährigen Jubiläum von „Atlantic Records“ im echten Goldstandard auf Vinyl. Denn „Analogue Productions“ haben sich dem Jubiläum angeschlossen und veröffentlichen die Scheibe ihrerseits auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“, vom analogen Original-Masterband von Bernie Grundman gemastert, in einem aufklappbaren Gatefold Pocket Jacket.

Die bekannte Zusammenarbeit von „Acoustic Sounds“, „Analogue Productions“ und „Quality Record Pressings“ führt zu diesem fantastischen Sound, der diese ultimative Pressung gegenüber den bislang bekannten zweifellos herausragend klingen lässt und den Zuhörer scheinbar direkt vor David Crosby im nächtlichen Studio platziert.

Der Opener ´Music Is Love´ bestand ursprünglich aus einem wehmütigen Gitarrenriff, ehe Neil Young noch Congas sowie Bass hinzufügte und alle gemeinsam mit Graham Nash die Gitarren kreisen ließen und zum mehrstimmigen Chorgesang für die aus der Musik entwachsenen Liebe ansetzten.

Mit Jerry Garcia entfachte David Crosby ein weiteres Feuer und erzählte eine achtminütige Geschichte, so wie es auch Neil Young noch des Öfteren in seiner Karriere tun sollte. Bei der dramatischen Story drehte es sich um CSNY und das Balzverhalten von Eli (de facto Stephen Stills) und Duke (de facto Graham Nash) gegenüber einer Frau namens Raven (de facto Rita Coolidge), während Young Billy (de facto Neil Young) und Fat Albert (de facto David Crosby) nur stumme Zuschauer blieben. Dennoch fühlte sich letzterer innerhalb der Story und des Songs immer einsamer und unglücklicher.

Gemeinsam mit Jerry Garcia und Graham Nash erlaubte sich David Crosby sogar mehrfach, allein mit wortlosem Gesang und wortlosen Harmonien die Gitarrenmelodie so in etwa wie bei ´Tamalpais High (At About 3)´, an Crosbys „Tamalpais High School“ endete um 3 Uhr regelmäßig der Unterricht, zu verzieren. Wunderbarer Psychedelic Folk entsprang hingegen ´Laughing´, sobald David Crosby mit Graham Nash an einer weiteren Gitarre, Jerry Garcia an der Pedal Steel und Joni Mitchell im harmonischen Gesang kosmisch vereint war.

Langsam spielten sich die Gitarren von Neil Young, Graham Nash und Jerry Garcia im immer noch hochaktuellen ´What Are Their Names´ ein, ehe der Chorgesang mit David Freiberg, Paul Kantner und Grace Slick von JEFFERSON AIRPLANE sowie Joni Mitchell herausbrach:

I wonder who they are, the men who really run this land.
And I wonder why they run it, with such a thoughtless hand.
Tell me what are their names and on what street do they live?
I’d like to ride right over,
this afternoon and give them a piece of my mind.
About peace for mankind, peace is not an awful lot to ask.

In vollem Wohlklang blühte ´Traction In The Rain´, eine echte Singer-Songwriter-Perle, mit zusätzlicher Gitarre von Graham Nash und Autoharp von Laura Allan sowie Gesang von allen auf. Die pure Schönheit offenbarte sich in der harmonischen Melodie ohne Wörter von ´Song With No Words  (Tree With No Leaves)´. Zu den Gitarren von David Crosby, Graham Nash und Jerry Garcia sowie ihrem Gesang gesellte sich Gregg Rolie (SANTANA, JOURNEY) am Piano.

Geradezu himmlisch gab sich der sakrale Chorgesang von ´Orleans´, der das traditionelle Lied mit neun verschiedenen Stimmen von David Crosby ausfüllte. Selbst die finale A-cappella-Komposition ´I’d Swear There Was Somebody Here´ wurde von sechs verschiedenen Stimmen getragen, die David Crosby aus seinem Schmerz heraus in eine Echokammer schrie. Völlig bekifft und unreif, so seine persönliche Einschätzung, komponierte und produzierte David Crosby mit der Unterstützung seiner Freunde sein Meisterwerk.

´If I Could Only Remember My Name´ erschließt sich dem Hörer emotional erst langsam im Laufe von Jahren, über Tage und Nächte, denn bei David Crosbys Solo-Vorstellung waren weder kreischende Texte noch kreischende Gitarren anzutreffen. Der Sänger und Gitarrist kämpfte erfolgreich gegen den gängigen Leitfaden der Popmusik an und leistete in der Gegenkultur abermals Pionierarbeit, indem er mit diesem Album den Freak Folk auf seinen Weg brachte.

(Klassiker)

 

https://www.facebook.com/OfficialDavidCrosby