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BLISSFUL STREAM – Fighting For The Cross

~ 2024 (Journey’s End Records) – Stil: Epic Metal ~


Das Ende der Reise ist immer irgendwo ein neuer Anfang. Mit der LP Version vom neuen, ihrem zweiten Album sind die Schweden BLISSFUL STREAM beim renommierten süddeutschen Underground Kultlabel „Journey’s End Records“ gelandet und bekommen eine auf 300 Exemplare limitierte, auf schwarzes (200) und farbiges (100) Vinyl gepresste Platte gezaubert.

Dem Label kann man geschmacklich vertrauen und so bewegen sich die mir bisher unbekannten Kapeiken im Umkreis von Doom und Heavy Rock. Doom, schleppende Rhythmen und walzende Riffs, die den jeweiligen Songs so einen waidwunden Ausdruck verleihen, haben sie natürlich im Gepäck. Sehnsuchtsvolle Melodien der Leadgitarre, brodelnder Unterbau und ein halb manischer, halb beschwörender Gesang mit sehr eigenem Timbre ergänzen die Songs zu einer jeweiligen Klangreise von epischer Tiefe.

Das macht schon der herrlich majestätische Kriecher ´Fighting For The Cross´ klar, der mit tragisch morbider Stimmung die Platte eröffnet. Im Mittelteil wird komplett runtergefahren und der Song auf die blanken Knochen reduziert. Auch gerade ohne Bombast ist die Stimmung erdrückend.

Aber schon beim zweiten Stück ´Chimaera´ weicht man seine Prinzipien etwas auf. Zwar ist der Rhythmus schwer und stapfend, aber die dunkle Atmosphäre des Songs und seine recht wenig gezerrten Gitarrenmelodien haben eine ganz andere Linie vorgesehen. Fast schon klingt es wie Classic Rock, etwas Southern Flair dabei, staubig, trocken, heiß und mystisch wie ein endloser Highway durch die Wüsten der USA bei Abenddämmerung. Versponnen, verträumt, nachdenklich stimmend. Eigentlich Doom, aber eben Clean gespielt.

´Baptised By Fire´ ist wiederum gemächlich stapfender, aber etwas kräftiger im Gitarrenbereich rockender angelegt. Die über die grimmigen, einfachen Riffs singende Leadgitarre hat die Coolness und den Blues des alten Hardrock, die Rhythmusgitarre spielt schwere Akkordfolgen, die metallisch tuckern oder die Seele des geneigten Hörers unter ihrer Wucht bei einzelnem Anreissen und Stehenbleiben schier zermalmen. Aber auch nackter Bass / Schlagzeug Groove mit toller betörender Leadgitarre geht.

Der Doom bei solchen Songs geht auf Zeitreise in die Underground-Keller amerikanischer Städte der mittleren 70er. Dann schlendert er tänzelnd über die längste Straße, wo mit Dreivierteltakten und schauerlichen Melodiebögen ein Todesblues eine zutiefst tragische Geschichte erzählt. Südstaatenboogiedoom, was soll ich sagen. ´The Longest Road´ in all seiner epischen Größe vermischt gewisse alte, miefige 70er Rock Kompositionen mit magischer Doom-Attitüde. Der Swing dieser Musik von vor 50 Jahren und der Geist noch älterer Musik, der über allem schwebt, werden hier irgendwie auf halbe Geschwindigkeit gedrosselt. Das wiederum baut die Brücke zu immer noch recht angesagten okkulten Retrorockern der Neuzeit. Sagen wir mal so, das hier könnte jenen gefallen, die sich gerne mit dem Blut des Teufels einsauen und dem Lichtbringer huldigen, wenn sie denn ganz viel Zeit mitbringen.

Nein, neu erfunden ist das hier alles nicht. Aber von dem Trip bin ich auch runter. Musik muss nurmehr gefallen und ein gewisses Wohlgefallen auch in mir auslösen. Wenn sie dann noch die Endorphinproduktion in Schwung bringt oder mich komplett aus der tristen Realität entfernt, ist sie gut genug für meine sauer verdiente Kohle.

Da liege ich bei Martin und seinem „Journey’s End“-Label bisher immer richtig. Und das bleibt so, bis die letzte Stunde schlägt. Der dazu von BLISSFUL STREAM komponierte Song ist so ein Urdoom mit luftigen Gitarrenläufen und einer Stimme so beschwörend zwischen Wut und schierer Verzweiflung. Das könnte man auch gesanglich bei britischem Stenchcore und ähnlichem in den 80ern so gehört haben. Die Leadgitarrenmelodien sind natürlich wieder so breit und betörend angelegt, dass sie einen komplett in sich aufnehmen. Die Akkorde hingegen kratzen und grummeln düster gestimmt und voller Grimm.

So geht reduziertes Heavy auf höchstem Level. Nicht zugemüllt mit Riffwalzen, sondern vielmehr roh und nackt belassen, aber dafür mit umso mehr Gefühl gespielt, hart angeschlagen, zornig und entschlossen im Ausdruck. Diese sehr transparente, aber lebendig brodelnde Produktion ist allein schon Grund genug, BLISSFUL STREAM zu worshippen.

Mit ´The Devil’s Will´ verabschieden sich die Schweden dann für dieses Mal. Die Grundstimmung und somit viele Melodien sind unglaublich düster und makaber. Der Gesang ist ein aggressives Schreien und Erzählen. Absolut beschwörend. Der Song an sich gestaltet sich geradeaus fließend, aber trotzdem sehr abwechslungsreich. Wie in einem Orchesterstück haben die Instrumente auch mal Pause, dann und wann übernimmt eine mächtige Orgel von den Gitarren, zum Ende hin kommt es zu einem fast schon eruptiven Part, der sehr frei gespielt und außerhalb der Komposition an sich stehend wirkt. Coole kranke Nummer.

Was wollen BLISSFUL STREAM hier sein? Doom, Retro Hardrock, Okkultrock, Deathrock, alles da, aber alles verschwimmt in einem aus süßlich bis würzig duftenden Rauchschwaden, halbleeren Flaschen Bourbon und unaussprechliche Ritualen und Anregungen herrührenden Nebelschleier zu einer komplett aus Zeit und Stil fallenden Heavy Rock-Musik in zähflüssiger Marschgeschwindigkeit.

Für 2024 eines der schönsten Alben, würde ich mal anbringen wollen. Wenn Schwedendoom nicht immer nach CANDLEMASS-Stahl klingen muss, ist man hier genau richtig.

(9 Punkte)

 

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