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UNIVERS ZERO – Lueur

~ 2023 (Sub Rosa) – Stil: RIO ~


Ende der Siebzigerjahre startete die englische Avantgarde-Gruppe HENRY COW die Bewegung „Rock in Opposition“ als Gegenpol zur tauben und lethargischen Musikindustrie. Auch die Belgier UNIVERS ZERO gehörten zu den sogenannten Gründungsformationen, da sie 1978 in London auf dem ersten Festival mit dem Namen der Bewegung auftraten.

UNIVERS ZERO lebten seither ihren düsteren Sound in der Kammermusik des 20. Jahrhunderts unter Einfluss von Béla Bartók und Igor Strawinsky aus. Die 1974 von Daniel Denis gegründete Instrumentalband wurde in Kontinentaleuropa zur echten Referenzband. Seit Beginn der Achtzigerjahre setzten sie allerdings neben den klassischen Instrumenten auch auf Synthesizer und E-Gitarren.

Beim letzten 2014er Album ´Phosphorescent Dreams´ formierte Daniel Denis als einziges verbliebenes Gründungsmitglied die Gruppe neu. Die Kompositionen wurden dabei überwiegend von der Gitarre und weniger von Holzblasinstrumenten bestimmt sowie Streichinstrumente gänzlich übergangen.

Zehn Jahre später hat Daniel Denis (Schlagzeug, Percussions, Keyboards) eine neue Scheibe von UNIVERS ZERO fertiggestellt, zusammen mit einzelnen Beiträgen von Nicolas Dechêne (Gitarre), Kurt Budé (Klarinette) und Nicolas Denis (Bass, Percussions, Stimme).

Den Ort des Grauens in der neuesten Avantgarde-Vorführung von UNIVERS ZERO stellt ´Migration Vers Le Bas´ dar, mit Schlagzeug und metallenen Schlägen sowie mit geisterhaften Hintergrundgeräuschen wird eine unheimliche Atmosphäre erzeugt. Dagegen ertönen die Orgelklänge des Neunminüters ´Sfumato (Part 1)´ erst einmal in nicht unruhiger, sakraler Weise, werden jedoch alsbald von Nicolas Denis‘ Gesangsstimme in die Dunkelheit geführt, um dort über das Klarinettenspiel den brausenden Höhepunkt durch Gitarre, Bass und Schlagzeug zu erleben. Der Nachhall zum ersten Teil fällt im späteren Verlauf des Werkes mit dem Sechsminüter ´Sfumato (Part 2)´ äußerst unruhig aus und begibt sich zu Orgelklängen sowie zum Marschrhythmus rasch auf seinen blechern scheppernden Rundgang.

Mit Stop-and-Go-Attacken des Instrumentariums wird ´Cloportes´ vorangetrieben. Klarinette und Klavier lassen in diesem dichten Soundgefüge des Progressive Rock auch einen Hauch von französischem Flair zu. Dieses lebt später in ´Dartafalk´ mit Klarinettenklängen, Klavier und Percussions im medievalen Glanze nochmal auf. ´Axe 117´ begibt sich allerdings wieder schnurstracks in den sklavischen Industriekomplex voller Metall und Maschinen.

Abseits düsterer Avantgarde, geradezu melodiebetont lassen sich ´Rolling Eyes´ und ´La Tête À L’Envers´ im Fusion-Jazz treiben. Sanfte Töne für den imaginären Soundtrack mit industrieller Note verweilen bei ´Wavering´ nach wie vor in Düsternis. Schlag- und Zupfinstrumente führen samt asiatischen Eindrücken in ´Mister Chung´ durch die nicht enden wollende, finstere Nacht. Den Ort des Grauens verlässt schließlich ´Coda´ kurzerhand mit wehenden Gitarren und rollenden Rhythmus-Schlägen.

Allein aufgrund der bei UNIVERS ZERO selbst im 50. Jahr nach Bandgründung immer noch vorhandenen avantgardistischen Schöpfungskraft ist ´Lueur´ ein echter Genuss, den die langjährige Anhängerschaft nicht verpassen wird.

(8,5 Punkte)

 

 

https://www.facebook.com/UniversZeroOfficial/
https://subrosalabel.bandcamp.com/album/lueur