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FRANK ZAPPA – Over-Nite Sensation

~ 1973/2023 (Universal) – Stil: Prog/Rock ~


Für die Dauer von über einem halben Jahr konnte Frank Zappa nicht auf Tournee gehen, da er sich von einem unfreiwilligen Sturz von der Bühne des Londoner „Rainbow Theatre“ in den Orchestergraben erholen musste. Diesen Umständen zufolge spielte er mit einigen Session-Musikern und einigen Mitgliedern der MOTHERS OF INVENTION die Studioalben ´Waka/Jawaka´ und ´The Grand Wazoo´ ein. Die beiden lebten sich neben einem Anflug von Progressive Rock mit langen Instrumentalstücken im Jazz und Fusion aus.

Weiterhin so erfinderisch wie in den Jahren zuvor, nahm Frank Zappa 1973 in ein und denselben Aufnahme-Sessions ein weiteres Solo-Album mit dem Titel ´Apostrophe´ sowie unter dem Titel ´Over-Nite Sensation´ das zwölfte Album mit THE MOTHERS auf. Ersteres wurde erst 1974 veröffentlicht, letzteres am 7. September 1973.

Aufgrund der sensationellen Vorgängerwerke überrascht ´Over-Nite Sensation´ mit einem vordergründig zugänglicheren und geradlinigeren Rock-Album. Doch Frank Zappas zweites Gold-Album ist ein dermaßen konzeptionell ausgereiftes Gitarren-Rock-Album, das nicht nur mit jazzigen und funkigen Feinheiten liebäugelt, sondern der prüden Welt einen derben Humor und allerlei sexuelle Anzüglichkeiten direkt in die Ohren drückt.

Aus der Sicht einer verklemmten Welt musste Frank Zappa als sexbesessener Lüstling erscheinen. Doch es ist schlichtweg Rock’n’Roll und Rock’n’Roll war und sollte immer noch Sex, Drugs und Rock’n’Roll sein. Ein Rock mit Melodie, mit Groove und mit erstklassigen, instrumentalen Darbietungen, der obendrein im Zusammenhang mit der großartigen Kunst des Cover-Artworks nur als Weltklasse bezeichnet werden konnte und kann.

Ein Klassiker nach dem anderen schallt aus den Lautsprechern, wenn der Hörer das neue 180g schwere Doppel-Vinyl, gemastert von Chris Bellman bei Bernie Grundman Mastering, im lustvollen audiophilen 45rpm-Genuss auflegt.

´Camarillo Brillo´ ist schlicht ein humorvoller Rock-Song mit einer lässigen Lead-Gitarre. Der nächste groovige Klassiker über die Verdummung der Menschheit vor den Bildschirmen ist ´I’m The Slime´ mit gesprochenem Gesang, einem Schuss Progressivität und einem großen Refrain durch die Background-Ladys.

Dreckiger und witziger wird es mit ´Dirty Love´, experimenteller in ´Fifty-Fifty´ über den Traum, Rockstar zu werden, samt einem krassen Orgel-Solo von George Duke, feurigen Geigensolo von Jean-Luc Ponty und stürmischen Gitarrensolo von Frank Zappa, und in ´Zomby Woof´ mit großem Arrangement sowie abermals ausgelassener Lead-Gitarre.

Der imposante Sex-Song heißt ´Dinah-Moe Humm´ und wird im funkigen Groove überwiegend sprechend vorgetragen. Selbst der finale Song mit Tina Turner und ihren Ladys im Background-Gesang über einen Zahnseide-Erzeuger auf dem Weg nach ´Montana´ ist nicht weniger als ein Klassiker.

Yippy Ay Yo Ty Ay!

 

Frank Zappa – Gitarre, Gesang
Sal Marquez – Trompete, Gesang ´Dinah-Moe Humm´
Ian Underwood – Klarinette, Flöte, Altsaxophon, Tenorsaxophon
Bruce Fowler – Posaune
Ruth Underwood – Percussion, Marimba, Vibraphone
Jean-Luc Ponty – Violine
George Duke – Synthesizer, Keyboards
Tom Fowler – Bass
Ralph Humphrey – Drums
Ricky Lancelotti – Gesang ´Fifty-Fifty, ´Zomby Woof´
Kin Vassy – Gesang ´I’m The Slime´, ´Dinah-Moe Humm´, ´Montana´
Tina Turner and The Ikettes – Hintergrundgesang

https://www.facebook.com/Zappa