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DEEP PURPLE – Whoosh!

~ 2020 (earMUSIC) – Stil: Hardrock ~


Selbst wenn viele Anhänger DEEP PURPLE seit dem Ausstieg von Ritchie Blackmore (nach ´The Battle Rages On…´, 1993) oder spätestens mit dem Ausscheiden von Jon Lord (nach ´Abandon´, 1998) abgeschrieben haben, sind die unermüdlichen Briten bis zum heutigen Tag aktiv. Mit Produzent Bob Ezrin haben sie ihre Kräfte zum dritten Mal in Folge (nach ´NOW What?!´, 2013, und ´inFinite´, 2017) gemeinsam gebündelt und ´Whoosh!´ produziert.

Das 21. Studioalbum scheint nochmals mit Spaß in den Backen aufgenommen worden zu sein, frei nach dem neu gewonnenen Motto „putting the DEEP back in PURPLE“: „Wir haben alles aufgenommen, was die ganze Band zum Lächeln gebracht hat, einschließlich Bob Ezrin,“ sagt Gitarrist Steve Morse und fügt sich mehr als zuvor äußerst banddienlich in den Kosmos von DEEP PURPLE ein, der kompositorisch mehr als ehedem von Keyboarder Don Airey (seit ´Bananas´, 2003 bei Purple) bestimmt wird. Denn bereits zum dritten Mal heißen (in dieser Reihenfolge) die Songwriter der Album-Kompositionen: Don Airey, Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice und Steve Morse. Dass der Gitarrist am wenigsten und der Keyboarder den größten Input geleistet hat, macht sich bei ´Whoosh!´ auffallend bemerkbar. Die Keyboards sind allzeit überpräsent, sei es in Tastenspielereien oder Solo-Darbietungen, die Gitarre von Steve Morse wird dagegen bisweilen aus dem hörbaren Bandsound verdrängt.

 

 

Beim Opener ´Throw My Bones´ klingen freilich umgehend alle Glöckchen im Hardrock-Himmel. Eine zarte Orchestrierung von John Metcalf begleitet bisweilen die Kompositionen. Dies ist in der Melodieführung purer Classic-Hardrock, wunderbar episch von Ian Gillan gesungen. Dabei nimmt der 74-jährige Sänger kein Blatt vor den Mund und kritisiert in ´Drop The Weapon´ gar die Weltpolitik, oder verdammt er allein bewaffnete Straßengangs? Seine altersgerechte Stimmlage hat Gillan längst gefunden, und muss sich mit dieser nicht vor jüngeren Kollegen verstecken. Ganz im Gegenteil. Die Keyboards sind natürlich jederzeit im Soundbild präsent, doch eine wundersame Bridge wird auch in diesem Falle geradezu episch besungen. Die Gitarre lässt sich dagegen von den Keyboards bei ihren Solo-Vorstellungen ablösen.

Zu ´We’re All The Same In The Dark´ scheinen sich aber Don Airey und Steve Morse in klassischer Band-Manier lieblich geeint zu zeigen. Erst recht die Solo-Dudelei zu Beginn und Zwischendurch vom nächsten Höhepunkt ´Nothing At All´, über den Klimawandel, zeigt die große Klasse aller Beteiligten. Druckvoll gibt sich ´No Need To Shout´ und erst recht das rockige ´What The What´ mit seinen Tasten-Klimpereien in die Hände von Jerry Lee Lewis. Rock’n’Roll leben und besingen. „What the fuck?“ trauen sich die weisen Herren jedoch nicht auszusprechen.

Schritt für Schritt bewegt sich sodann ´Step By Step´ in leichter Progressivität und im Hall der Stimmen. Die Orgelklänge könnten den nächstgelegenen Dom beschallen. ´The Power Of The Moon´ durchwandert sogar moderne artrockige Klänge. Und ein ´Man Alive´ zeigt sich mit den gesprochenen Textzeilen ebenfalls leicht experimentell. Seine großen Zeit hat Steve Morse hingegen in ´The Long Way Round´, nur leider ist der geniale Grund-Groove des Songs von NAZARETHs ´This Flight Tonight´ ausgeborgt.

Ehe letztlich ´Dancing In My Sleep´ leicht funkig ´Whoosh!´ im Sinne des Beat-Clubs beendet, ertönt tatsächlich ´And The Address´. Hätte es als allerletztes Lied den Zapfenstreich geschlagen, wäre dies mehr als ein eindeutiges Zeichen der über 50 Jahre aktiven Band gewesen. Das einst von Ritchie Blackmore und Jon Lord komponierte ´And The Address´ hat schließlich als Eröffnungstrack des allerersten Albums (´Shades Of Deep Purple´, 1968) die DEEP PURPLE-Karriere eröffnet. Ob ´Whoosh!´ der Studio-Karriere von DEEP PURPLE das letzte Denkmal setzt, weiß allein die Zukunft.

(8 Punkte)

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Photocredit: Ben Wolf
(VÖ: 7.8.2020)