Livehaftig

THRESHOLD – VIRTUAL SYMMETRY – AFTER LAPSE

~ 29.04.2023, Gebläsehalle, Neunkirchen (Saar) ~


THRESHOLD – die Kings des hochemotionalen Meloprogmetal um Mastermind Karl Groom mit Rückkehrer Glynn Morgan am Mikro (und diesmal mit seinen eigenen Gesangslinien!) zu Gast im Land aufgehender Geldsonne für die fröhliche CO2-freie Zukunft. Das durfte man sich auf keinen Fall entgehen lassen – zumal meine persönliche Begegnung mit den Briten schon etwas zurücklag… irgendwann auf ROCK HARD als auch NIGHT OF THE PROG auf der altehrwürdigen Loreley. Witzigerweise begann meine Live-Liebe zu dieser Band vor Urzeiten ebenfalls im beschaulichen Neunkirchen, ebenfalls mit Glynn und einer jungen Amateurband namens DREAM THEATER als Headliner: Einerlei, let’s go crazy!

 

 

Der Abend fing schonmal gut an, als wir erfuhren, daß der Austragungsort für diese starken Sparringspartner aufgrund des guten Vorverkaufs von der Stummschen Reithalle (Platz für ca. 200 stehende Köpfe) in die weitaus grössere, neuere, härtere und schnellere Gebläsehalle verlegt wurde (die etwa das 10-fache beherbergen kann, aber natürlich nicht proppevoll war) und die auch gerade mal fünf Minuten zu Fuß vom ursprünglichen Ort weg ist.

 

 

Die Umgebung der Location an sich war bereits ein Hingucker, da selbst RAMMSTEIN mit der aufwendigsten Bühnenshow aller Zeiten auf der grössten vorstellbaren Bühne der Welt nicht ein solches Industrialfeeling erzeugen könnten, da in der alten Hüttenstadt Neunkirchen die Anlagen als beeindruckendes Kulturgut erhalten wurden und man sich in diesem kleinen Saarland grösste Mühe gibt, seine kohlenschwarze Grubenvergangenheit ehrenvoll zu würdigen und hier und da zu Locations umzubauen bzw. zu integrieren. Sehr gelungen, absolute Wohlfühlhalle – die Spannung und Vorfreude steigen, der Einlass-Stempel stimmt auch.

 

 

Natürlich ist man es als alter Konzerthase gewohnt, sich seinen Platz durch eine schwitzende Menge nach vorne zu bahnen, aber wir reden heute von dreimal Progmetal und der betagtere, gewöhnliche Progger will seinen Wohlfühlabstand von mindestens zwei Armlängen und bleibt dann lieber weiter hinten, sodaß wir wie auf dem für uns ausgelegten roten Teppich ganz lässig in die dritte Reihe schreiten können.

 

 

Statt meinen Lieblingsfinnen ODDLAND (einer der Jahresgewinner 2022), die den ersten Teil der Tour bestritten, dürfen AFTER LAPSE aus Spanien den Reigen und ihre erste Tour ausserhalb Spaniens mit brandneuem Gitarristen (erst seit November in der Band) eröffnen und sofort wird klar, daß die Männer ihr Handwerk verstehen und absolut unkitschig ihre eigene Version von allem, was das Progmetalherz begehrt, auf die gutgelaunte Menge loslassen und durch Spielfreude als auch einen glasklaren Sound überzeugen, den man sonst nur bei SAGA Konzerten geboten bekommt. Somit erlösen die Spanier mich von meiner mich übermannenden Trauer darüber, daß ich meine Jahreslieblinge ODDLAND diesmal leider nicht sehen konnte.

 

 

An jeder Position herrscht agile Freude, sei es beim langhaarigen Metalbasser, dem jungen, perfekt eingespielten Neuzugang an der Gitarre, einem begnadeten Sänger, den druckvollen Drums und vor allem diesem absolut virtuosen Keyboardspiel, das sich nicht wie üblich im Hintergrund verstecken muss, sondern eine Pole Position auf der rechten Seite der Stage innehat. Starke Songs, hervorragend dargeboten und somit auch von Publikum entsprechen gewürdigt. Fantastischer Auftakt.

 

 

Umbau heisst Bier und Merchstand. Positiv fällt auf, daß man von jeder der drei Bands Shirts für einen Zwanziger erhaschen kann, was Karin auch sogleich tut. Mir als Platten-Nerd fällt ein Schluck Bier aus dem Gesicht und ich verliere etwa 10% der Vorfreude auf die nächste Band VIRTUAL SYMMETRY, da ihr drittes Album beinahe zum völlig überzogenen OVERKILL-Preis von 35 Tacken da rumliegt und auch meiner Beobachtung nach liegenbleibt. Leute, euer Publikum sollte bei Livekonzerten eher dafür belohnt werden, daß man vor Ort noch bereit ist zu merchen, wenn man schon ein Ticket gelöhnt hat (was mit 10€ pro Band in diesem Fall wirklich mehr als fair war) und auch zur biertrinkenden Fraktion gehört. Das war nix, meine Herren.

 

 

Dafür war der Gig der Schweizer umso erfreulicher, bin ich doch schon zuvor beim 20-minütigen Eröffnungstrack der dritten Platte steil gegangen. Ebenfalls eine eigene, sehr melodische als auch kraftvolle Interpretation des Progmetaluniversums ganz ohne grosses Traumtheater. Dieser Song kam erwartungsgemäss im Vorprogramm natürlich nicht, dafür perfekt arrangierte, kurzweilige Perlen, die nur selten im Refrain ein wenig cheesy daherkamen.

 

 

Gitarre und Stageacting absolut metalwürdig, der Drummer erschien ebenfalls als absolutes Tier an seiner Schiessbude, niemand konnte dem Bassisten das Dauergrinsen auf dem Gesicht übelnehmen und dann gibt es da eben noch gute, sehr gute und überragende Sänger. Darüber hinaus hat der Herr da oben oder sein Advokat aus der Tiefe manche Menschen mit einem Organ gesegnet, welches über allem rangiert. So wie hier. Mit welcher unglaublichen Leichtigkeit die höchsten Töne kraftvoll aus dem Ärmel bzw. den Stimmbändern geschüttelt wurden, war schon unheimlich.

 

 

Und das ganze dann bei Bedarf auch noch in schmutzig und rau. Hammer. Was für eine Naturgewalt. Aber es gab da noch dieses seltsame Spiel mit Namen: „Finde den Fehler“ – Keyboards müssen natürlich sein in diesem Metier und wir hörten sie auch… doch wo war der Keyboarder? Winzig klein? Hinter der Bühne? Krank? Oder vorsätzlich geplant als Angelo Sassos Cousin? Dies konnte nicht geklärt werden, doch es tat der Qualität keinen Abbruch, brachte AFTER LAPSE aber den entscheidenden Pluspunkt in der B-Wertung.

 

 

Nun war es also soweit. Eine der Bands, die von Anfang an dem irgendwann total ausgelutschten Neoprog entfleucht sind und ihre ureigene Identität neben den grössten Acts des Genres etabliert haben. Neben der virtuosen Grundvoraussetzung und dazu der extrem hohen Emotionalität ihrer Songs waren es auch stets die brillanten Sänger, die dem Sound ihren Stempel aufgedrückt haben.

 

 

Seien es die ProgWanderhure Damian Wilson, ebendieser Glynn Morgan oder der leider verstorbene, doch unvergessene Andrew „Mac“ Dermott. Da Damien mir in letzter Zeit trotzt aller Liebe etwas zu überpräsent war, feierte ich die Rückkehr des ebenso einmaligen Glynn. Und auch wenn er nach 30 Jahren bisweilen ziemlich am Anschlag zu singen schien, saß dennoch jeder Ton und auch die Lieder seiner Vorgänger und Nachfolger funktionierten einwandfrei mit dieser wunderbaren Stimme.

 

 

Wie diese Band auf der Bühne agiert und miteinander harmoniert, ist einfach atemberaubend. Der wohl unterschätzteste Schlagzeuger des Planeten Johanne James spielte uhrwerksgenau auf den Punkt wie einst die Maschine Jörg Michael und so kraftvoll wie Mike „das Tier“ Terrana und garniert das Ganze natürlich mit seinen Stickakrobatikeinlagen und seiner ureigenen, humorvollen Show.

 

 

Richard West an den Keyboards (nach Chef Karl der altgedienteste THRESHOLDer – seit 1992) überraschte diesmal sogar mit einem gekonnten und sogar passenden Growlingeinsatz, Meister Karl und der beruhigende Pol der Band als auch der „neueste“ Viersaitenzupfer (seit 2004) Steve Anderson zeigten sich oft neben- oder miteinander von ihrer Schokoladenseite. Ein besonderer Pluspunkt an Glynn Morgan ist darüberhinaus seine Fähigkeit, die zweite Gitarre zu übernehmen und dem Chef zu seinen Soli ein wenig Fett im Hintergrund aufzulegen.

 

 

Weitere Worte wären nun nur noch Makulatur – Setlist kann jeder im Net finden, die Aufzählung spare ich mir. Es bleibt das wohlig warme Gefühl, endlich mal wieder für schmales Geld einen rundum gelungenen Progmetalabend erlebt zu haben, mit einem hoffnungsvollen Newcomer, einer Band mit Zukunft und einer der besten Bands des Genres überhaupt. Long Live Prog’n’Roll! Long live THRESHOLD!


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