~ 1984/2016 (Mg.Art) – Stil: Minimal/Electro/Ambient ~
Der am 4. Dezember 2022 verstorbene Elektronik-Pionier Manuel Göttsching wurde mit seiner 1970 gegründeten Formation ASH RA TEMPEL als Krautrockmusiker weltbekannt. Obwohl sie neben TANGERINE DREAM, AGITATION FREE und HARMONIA zur Berliner Schule gezählt wurden, legte das Gitarrengenie Manuel Göttsching den musikalischen Schwerpunkt auf sein Saitenspiel, ehe die Synthesizer die Übermacht gewannen.
ASH RA TEMPEL wurden ohnehin im Laufe der Jahre zu einem Solo-Projekt von Manuel Göttsching. Das 1975er ASH RA TEMPEL-Werk ´Inventions For Electric Guitar´ erschien zwar noch unter dem Bandnamen, war allerdings bereits die erste Solo-Vorstellung. Es folgten weitere Soloalben unter dem Namen ASH RA TEMPEL bzw. ASHRA.
Das erste Studioalbum unter seinem eigenen Namen erschien 1984, obwohl es bereits 1981 aufgenommen worden war. Den Aufnahmeknopf drückte er nach einer langen Konzertreise mit Klaus Schulze am Abend des 12. Dezember 1981 in seinem Berliner Homestudio. Manuel Göttsching war immer noch in Konzertlaune und gab sich selber eine private Solo-Vorstellung, eine einzige, nachträglich unbearbeitete Session. Diese Improvisation wurde als gut einstündiges und völlig perfektes Musikstück veröffentlicht und ging in die Geschichte ein.
Zwei Akkorde für ein Halleluja
Zwei Akkorde verteilten sich über neun Untertitel, die nach einzelnen Schachzügen benannt waren. Denn das Werk trug nach einem klassischen Schacheröffnungszug den Titel ´E2–E4´. Dementsprechend entsprach das Coverartwork schlicht einem Schachbrett in den Farben beige und braun. Denn eine Leidenschaft von Manuel Göttsching galt dem Schachspiel.
Der Künstler variierte die große Improvisation von Minute zu Minute an seinem Mischpult und Sequenzer, an Keyboards und Drumcomputer, um eine minimalistische Spannung aufzubauen, und setzte seine Gitarre erst in der zweiten Hälfte ein. Scheinbar gleichförmig der Monotonie verfallen, entflieht die Musik dem Repetitiven, indem sie sich Nuance um Nuance steigert. Schleife um Schleife entstehen Klangwelten und Melodien, die sich immerfort aufs Neue formieren und irgendwann ein eigenes Universum kreiert und erreicht haben.
Zwei Akkorde für den Techno
Da Manuel Göttsching 1981 keinen Plattenvertrag hatte und das Werk nicht seinem alten Label „Virgin Records“ anbieten wollte, geriet ´E2–E4´ vorerst in Vergessenheit. Doch sein ehemaliger ASH RA TEMPEL-Kollege Klaus Schulze erinnerte sich an das Stück und bot ihm drei Jahre später an, es in einer auf 1.000 Stück limitierten Pressung auf seinem neuen Plattenlabel zu veröffentlichen.
„Virgin“-Gründer Richard Branson, der sich allerdings längst aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, bescheinigte ihm sogar noch die Jahre zuvor, dass er mit dieser Musik ein Vermögen machen kann. Dies taten allerdings weitere Lenze später andere. Aus dem Underground heraus entwickelte sich ´E2–E4´ zum Kultwerk. Es war äußerst progressiv und das wegweisende Musikstück für die erst noch aufkommende House- und Techno-Szene.
60 Minuten für die Ewigkeit.
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