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POLYMOON – Chrysalis

~ 2023 (Robotor Records) – Stil: Progressive Psychedelic Space Rock ~


Ich zitiere mal aus meiner Rezension zum Debüt: „…es bleibt abzuwarten, welche Richtung sie zukünftig einschlagen werden.“ Nun ja, auch wenn der Titel des neuen Albums ‚Chrysalis´ lautet, ist die Metamorphose nicht so radikal ausgefallen, wie der Name zunächst vermuten lässt.

Die Jungs aus dem ca. 180 km nordwestlich von Helsinki liegenden Tampere ziehen nämlich hauptsächlich weiterhin ihren Stiefel aus progressivem Psychedelic Rock durch. Auch dieses Mal haben sie sich mit Christoph „Tiger“ Bartelt einen prominenten Namen ins Boot geholt, der das Album nicht nur produziert, sondern im „Kadavar Studio“ auch abgemischt hat. Folgerichtig erscheint die Scheibe über dem in Berlin ansässigen Label „Robotor Records“ welches den Berlinern KADAVAR gehört, bei denen „unser“ Christoph Schlagzeug spielt.

Aber ein wenig hat sich dann doch getan. Hatte ich beim Debüt noch davon gesprochen, dass der Gesang bei POLYMOON nicht im Mittelpunkt steht und die Stimme von Kalle-Erik nur punktuell eingesetzt wird, so ist das beim neuen Album keineswegs mehr der Fall. Die Stimme ist zwar immer noch zumeist elektronisch verfremdet, steht aber nun deutlich weiter im Vordergrund und tritt über das gesamte Album hinweg wirkungsvoll in Erscheinung.

Auffällig ist auch, dass die Songs auf ´Chrysalis´ zielstrebiger ausgefallen sind. Schneller, klarer und härter, als hätte man die wabernden und fließenden Klänge vom Debüt eingefangen, gefiltert und einer Kompression unterzogen.

Und schlussendlich verkündeten die Band Ende letzten Jahres den Zugang des Italieners Marco Menestrina, der bereits auf dieser Scheibe zu hören ist und Juuso Valli am Bass ersetzt hat.

Seit dem Debüt hat es also meiner Meinung nach keine so radikale Verwandlung wie die von einer Larve zu einer Puppe, aber doch eine Reihe durchaus erwähnenswerter Veränderungen gegeben.

 

 

Der Opener ´Crown Of The Universe´ startet zunächst nach bester POLYMOON-Manier verhalten verträumt, setzt aber im weiteren Verlauf auf eine ausgefeilte progressive Gitarren- und Keyboardarbeit. (Das Synthesizer-Solo in diesem Stück wird von dem in Finnland sehr bekannten Esa Kotilainen gespielt.) Bereits bei diesem Stück fällt mir die intensive Arbeit von Tuomas Heikura am Schlagzeug auf. Obwohl sein Wirken immer dezent im Hintergrund bleibt, ist es auf dem gesamten Album jederzeit präsent und erlebt meiner Ansicht nach bei dem Stück ´Set The Sun´ den Höhepunkt. Christoph weiß eben, wie man ein Schlagzeug gekonnt in Szene setzt.

Das Video zur ersten Albumauskopplung ´Wave Back To Confusion´ hatte eine ganz eigene…sagen wir mal…künstlerische Ausdrucksform und auch das Stück selbst verfügt über eine vielschichtige Komplexität. Einerseits bietet es die typischen Elemente des 60er und 70er Space Rock, eine Ebene darunter agiert aber die Rhythmussektion wie ein sich in Trance tanzender Derwisch. Das sich daran anschließende ´Instar´ verbreitet die von POLYMOON bekannte entspannende Ruhe. Sowohl die von Kalle-Erik auf dem Keyboard geschaffenen sphärischen Klänge, als auch sein in diesem Stück hypnotisch auf den Zuhörer einwirkender Gesang, schaffen in Kombination mit den beiden melodisch aufspielenden Gitarren eine Atmosphäre von Ruhe und Geborgenheit, wie sie wohl auch eine Larve kurz vor der Verpuppung erfährt.

Wie bereits bei der ersten Auskopplung, lässt mich auch das Video zu ´Set The Sun´, in dem ein Radfahrer durch einen winterlichen Wald fährt und stürzt, dann mit Einstellungen einer Eiskunstläuferin fortgesetzt wird, deren Tanz sich in ein rasendes Crescendo verwandelt, um dann wieder auf den gefallenen Radfahrer überzublenden, doch sehr ratlos zurück. Vermutlich soll der Eistanz das Visualisieren, was dem Radfahrer in der Sekunde vor dem Aufschlagen auf dem Boden durch den Kopf geht. Das Stück selbst wirkt aufgrund der bereits weiter oben erwähnten treibenden Arbeit der Rhythmusfraktion zunächst sehr hart und geradlinig, kostet aber das psychedelische Element dennoch voll aus. Sowohl der aus den unendlichen Weiten des Weltalls zu uns herüberschallende elektronisch verzerrte sphärische Gesang, als auch der Soundteppich aus psychedelisch wabernden Keyboardklängen, verwandeln dieses Stück schlussendlich ebenfalls in eine ausgefeilte und komplexe Komposition.

´A Day In The Air´ beginnt zwar bedrohlich schleppend, transformiert sich dann jedoch in ein mit Höchstgeschwindigkeit dahinschnellendes Stück, welches aber dennoch durch und durch POLYMOON bleibt. Letzteres wird unter anderem durch einen gemütlich dahinfließenden spacigen Mittelteil und den wiederum bedrohlich hämmernden Abschluss unterstrichen.

Auch wenn ´Viper At The Gates Of Dawn´ vom Titel her stark an das Debütalbum ´Piper At The Gates Of Dawn´ von PINK FLOYD erinnert, was auch sicherlich von der Band so beabsichtigt ist, so ist das Stück bei weitem nicht so psychedelisch, wie man zunächst vermuten würde. Es handelt sich vielmehr um ein über lange Strecken schnelles und treibendes Stück, welches mich lediglich beim äußerst gelungenen Gitarrensolo im Mittelteil an die Arbeit von David Gilmour erinnert, obwohl auf dem besagten Album von PINK FLOYD noch Syd Barrett für dieses Instrument (und das komplette Album) zuständig war. Aber natürlich enthält jeder Song von POLYMOON immer eine gehörige Portion sphärischer Klänge, die PINK FLOYD erstmals so gekonnt in die Musikszene eingebracht haben.

Und irgendwie sind sie ja auch deren würdige Nachfolger, denn POLYMOON setzt vor allem die aus der Frühphase von PINK FLOYD stammende Facette in Perfektion fort.

Auch bei PINK FLOYD wusste man nie so recht, in welche Richtung die Reise weitergehen würde und um an den Beginn dieser Rezension anzuknüpfen bleibt nun nochmals zu konstatieren: Es bleibt abzuwarten, wohin sich POLYMOON weiter entwickeln wird. Vielleicht trägt das nächste Album ja den Titel ´Imago´.

Aufgrund der bereits oben beschriebenen „Weiterentwicklung“ vergebe ich für das aktuelle Album ein halbes Pünktchen mehr und somit

8,5 Punkte.

 

 

´Chrysalis´ erscheint am 17. Februar  auf CD und als 180g Transparent Colour Bone Gatefold LP.

https://www.facebook.com/polymooooon/
https://polymoon.bandcamp.com/releases
https://www.robotorrecords.com/

 

POLYMOON sind:
Marco Menestrina – Bass
Kalle-Erik Kosonen – Gesang und Keyboards
Jesse Jaksola – Gitarre
Otto Kontio – Gitarre
Tuomas Heikura – Schlagzeug