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OBELYSKKH – The Ultimate Grace Of God

~ 2023 (Exile On Mainstream Records) – Stil: Sludge/Noise ~


OBELYSKKH, da war eigentlich schon immer der Name so sehr Programm, dass man auf weitere Genrebeschreibungen gut verzichten konnte – nun gab es jedoch eine immerhin sechsjährige Pause seit der Veröffentlichung der hochgelobten, tief emotionalen ´The Providence´, also widmen wir uns doch ein wenig der Historie der Franken, vor und nach der letzten Platte.

Gegründet 2008, ist ´The Ultimate Grace Of God´ der mittlerweile fünfte Langdreher der Fürther, die zusammen mit BLACK SHAPE OF NEXUS, OMEGA MASSIF (Beide RIP :-/ ) und Konsorten lange die noisigen süddeutschen Sludge-Abfahrt-Garanten bei jedem Festival waren. Bands, die mit extrem langsamen BPMs und bleischweren Riffs extrem viel Druck machten, und OBELYSKKH waren dabei diejenigen, die gerne auch mal psychedelische Nebenwege erforschten, ohne dabei an Heavyness nachzulassen, so auch auf dem letzten Album nachzuhören.

Bei dessen Veröffentlichung durch den Weggang des nun bei THRONEHAMMER aktiven Gitarristen Torsten Trautwein aus dem langjährigen Quartett bereits ein Trio geworden war, das sich zu diesem Zeitpunkt erstmal darüber klar werden musste, wie es nun weitergehen sollte. Die restliche Besetzung entschied sich zum einen dafür, einfach als Gitarre / Bass / Schlagzeug-Powertrio weiterzumachen und sich damit gleichzeitig auf ihre Stärken und Wurzeln in Punk und Noise zu besinnen. Sich nochmal neu zu erfinden, nach damals neun Jahren Bandbestehen, resultierte in direktem, unkompliziertem Songwriting und baldigen Testaufnahmen, bis die Pandemie alles erstmal auf Eis legte. Als die Kontaktbeschränkungen fielen, gab es gerade eine Woche freie Studiozeit, und so wurde das neue Album quasi live und roh in kürzester Zeit zusammen eingezimmert, und diese fokussierte Energie sowie der Verzicht auf unnötige Wiederholung oder Bearbeitung ist jederzeit spürbar. Vom manchmal geradezu Feingeistig-Phantasievollen, vor allem jedoch zutiefst Düsteren, Beklemmenden und Beängstigendem von ´The Providence´, die damals ebenfalls nach einem personellen Wechsel am Bass entstand, ist nicht mehr viel zu spüren, das ist eine neu definierte Band, die man trotzdem immer wieder erkennt, vor allem in den nachdenklichen, ruhigeren Passagen, die es genauso wie die improvisationsartigen langen Explorationen natürlich immer noch gibt.

 

 

Nun also ´The Ultimate Grace Of God´. Über siebzig Minuten Laufzeit bei sieben Songs, das ist eigentlich ein Doppelalbum, doch es hört sich trotz seiner Länge spannend und abwechslungsreich – wenn man sich nicht nur auf schier unbegrenzte Klangerforschungen, krasse Kontraste und überraschende Wendungen, sondern auf teils völlig freie, teils zuerst unzugängliche Formen einlassen kann. Wer das Vinyl auflegt, kommt jedoch „nur“ auf fünfzig Minuten, die Digitalversion bzw. CD beinhalten nämlich zwei Bonustracks, ´Afterlife´, mit fast einer Viertelstunde immerhin der längste Track, und ´Universal Goddess´ (Achtung, die CD ist nur zusammen mit der LP als Bundle erhältlich!).

Sie hat sehr viel von OBELYSKKH live, die Neue, ist oft einfach volle Kanne in your face, gerade was den Gesang angeht, Gefangene werden hier keine gemacht, die Verstärker sind voll auf Anschlag, Steve „The Krusher“ Paradise gerbt die Felle bis zum Zerreißen, die Vocals von Crazy Woitek fies, die Gitarrenarbeit reduzierter aufs Riffing, dafür werden sämtliche Effekte bis aufs Äußerste ausgereizt, das Trio lässt sich ohne Sicherung einfach in die gallige und teilweise auch ziemlich ätzende Doombrühe fallen, und wechselt ständig von heftigen zu sehr ruhigen, oft äußerst schrägen, garstigen Passagen (´Aquaveil´, ´Black Mother´). All das kennt man zwar bereits von den Franken, es ist hier jedoch nicht mehr nur gestaltendes Element, sondern grundlegende Strukturvorgabe geworden – die Extreme sind das neue Normal. Emotionen und düstere Atmosphäre spielen nicht mehr die Rolle wie auf ´The Providence´, hier geht es um direkten Ausdruck.

Da entwickelt sich ein Punkstandard in eine repetitiv groovende Sludgewalze (´Dog Headed God´), Seb Dusters Bass schrammt hart am Infraschall entlang und schließlich endet alles in purem verfremdeten, puckerndem Geräusch. Im abschließenden ´Sat Nam [Vision]´ werden sogar Atemgeräusche und Husten zum Rhythmusinstrument, und leiten nach kurzem Ausflug mit den CHEMICAL BROTHERS zu einer erst schrägen, dann tatsächlich beschwörend rituellen, wiederholten Rezitation des Mantras über, nur um sich schließlich nach einem sowohl epischen wie auch widerborstigen Trip in ambient-intergalaktischem Sternenwind aufzulösen. Und damit dem Kreis zum Beginn zu schließen.

Das ist sicherlich weder Musik für Dopeheads noch Schöngeister, obwohl sie oftmals geradezu jazznahe Improvisationslust versprüht – nur um sofort danach wieder in hochaggressiven Hardcore umzuschlagen. Man könnte es als experimentell bezeichnen, doch es ist kein zielloses Ausprobieren, sondern eher ein alles, sprich jeden erdenklichen Sound und jegliche Weiterentwicklung einer Idee ermöglichen. Mit all seiner Basslastigkeit, der Repetition und spiraligen Improvisation aus einem Riff heraus, dem oft langsamen Tempo und dem Shoutgesang wird man immer wieder an die MELVINS erinnert, und hier wird sich auch die Fanbase von ´The Ultimate Grace Of God´ finden. OBELYSKKH 2.2, etwas, woran sich Laien die Zähne ausbeißen, aber Spezialisten lieben werden. Mutig um der Doomkunst und Wut willen, unmöglich mit Noten zu bewerten. Probiert’s selbst aus!

 

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