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DARKTHRONE – Astral Fortress

~ 2022 (Peaceville) – Stil: Metal ~


Herbert!!! Das verrückte Huhn ist wieder da!!! Gemeint ist in diesem Fall Gylve Fenriz Nagell, seines Zeichens Trommler, Sänger, Komponist beim norwegischen Kulturgestein DARKTHRONE.

Im Trailervideo zur Veröffentlichung des neuen Albums erzählt der Drummer etwas theatralisch, allein mitten in der Wildnis stehend, dass bald ein neues Album kommt, ´Astral Fortress´, etwas zum Stil und zum Veröffentlichungsdatum. Dann wird er mit einem Fußball abgeschossen und droht dem Schützen Feng Shui an. Soweit, so gut.

Die alte mystische Blackmetalaura 1992 bis etwa 1999 ist vorbei, der finstere Bösewicht mit den markigen Sprüchen hat sich zum lieben und etwas kauzigen Heavy Metal Brother gewandelt, lange schon. Natürlich, beide Bandmitglieder sind inzwischen 50, haben sich menschlich entwickelt, müssen nicht mehr ihr Gesicht hinter Make Up verstecken und zeigen der Welt ihre Vorstellung vom Black Metal als Lebensphilosophie. Dagegen ist nichts zu sagen.

Aber kommt die Musik da noch mit? Ist nicht das Cover schon bezeichnend? Läuft die Person da Schlittschuh auf einem zugeschneiten See? Eine Person mit Kapuzenpullover, Kunstfellkragen und DARKTHRONE-Rückenaufnäher? Die Düsternis oder kultige Boshaftigkeit alter Zeiten ist vorbei. Sogar das letzte Album ´Eternal Hails´ hatte ein düsteres Cover. Nicht so diese fröhliche Szenerie auf ´Astral Fortress´.

Das kann aber auch ein punkiges „FUCK OFF“ sein, wie man es von den beiden Norwegern gewohnt ist. Auch das ist Black Metal und hat eine gewisse satanistische Philosophie zugrundeliegend. „Do what thou wilt!“

Man kann also schon beim Image der beiden kauzigen Typen streiten. Meine Black Metal-Polizei-Brüder aus aller Welt zerhackstückeln nun auch die Musik, die ihrer Ansicht nach nix mehr taugt. Papa Saschbär, der olle Sir Lord Doom hat sich die Box aus England bestellt. Die war erstens teuer (ich hab aber einen vernünftigen Job und kann es mir leisten) und zweitens ist es wirklich Schnickschnack, drei verschiedene Formate zu haben. Aber leider geil.

 

 

Und ich hab soviel gelabert und kein Wort über die Musik verloren. Das Akustikgitarrenintro ist schon frostig, aber dann kommt das Riff, knarzig, sägend, heavy und cold as Ice, wie Lou Gramm bei FOREIGNER einst sang. Es bahnt sich zähflüssig seinen Weg. Darüber sinniert Nocturno Culto mit kehlig grollender Stimme ebenso frostig über die Karawane gebrochener Geister. Was ein Titel. Hat schon was mystisches. Auf einmal packt einen der Song bei den Hörnern, ein flotter Beat und Gitarren im Dampflokrhythmus, ein feuriges Solo, eine kurze Rückkehr zu eher stampfendem Rhythmus mit tollen Gitarrenmelodien von dunkelster Qualität und etwas grantigem Gegrolle darauf. Das ganze nochmals wiederholt, dann der Umbruch in schon ursprünglich morbiden Doommetal für einige Augenblicke und ein wogender, sehr epischer Black Metal-Part entwickelt eine hymnische Kraft, die Dich zum Ende des Songs in die 90er zurücktreibt. Fenriz hat uns im Trailervideo „an epic journey of old metal“ versprochen und ´Caravan Of Broken Ghosts´ als fast achtminütiger Opener hält dieses Versprechen.

Die makellosen Höhlen Satans, ´Impeccable Caverns Cf Satan´ sind die zweite Station der epischen Altmetallreise. Auch hier ein packendes Heavy Riff am Anfang mit coolen Wendungen. Simpel, effektiv und absolut metallisch gehalten, stimmlich sehr schmutzig und rau, aber fast schon im 80er Thrash liegend, rhythmisch abwechslungsreich, zermalmend heavy, wird hier ein kultiger Tribut an die alte 80er Garde von CELTIC FROST, MESSIAH, SLAUGHTER und ähnlich verdorbene Bruten an den Start gebracht, immer aber mit einem Hauch von Doom und entspannterem Heavy Metal dazwischen. Originell, innovativ, nein, nicht so recht. Aber dieser Song erfüllt seinen Zweck als Musikstück. Er packt mich, reißt mich mit.

Gleiches tut das ´Stalagmite Necklace´, schwerfällig dahintaumelnder Black Heavy Metal mit eindringlich traditionellem Grundriff, typischem Nocturno Gegrolle, einigen ungewöhnlich schwebenden Gitarrenharmonien, die über dem Refrainriff dahinrollen. Sind das Gitarren? Das klingt beinahe nach Mellotron. Kurzfristig wechselt das Riff hin zu mehr nordisch kühler Hymnenhaftigkeit. Der Beat bleibt entspannt tänzelnd, taumelnd. Ein schöner Abschnitt mit geilen Melodien kommt zum Tragen. Aber das sind doch keine Gitarren? Oder doch? Diese fast traurigen Harmonien haben ein Feeling von altem UK Deathdoom.

´The Sea Beneath The Seas Of The Sea´ beginnt ohne Zerre in der Gitarre, steigert sich dann zu einem schmutzig klingenden, aber machtvoll epischen Doommetal. DARKTHRONE geben dem Doom hier endlich wieder den Song zurück, der vielen neuen Genreplatten inzwischen abgeht. Auch wenn das Tempo anzieht und der Song eher schwungvoll dahinschreitet bleibt der Spirit of Doom erhalten. Wieder ein Wechsel, eher wogend geht es weiter. Das Riff ist schön kantig und garstig, aber Heavy Metal pur. Irgendwo kommen auch ein paar melodische Leads dazu. Und bei aller rauer Schale ist das hier ein eingängiger Metalsong, der zwar irgendwie schon einmal dagewesen sein muss, so vertraut wirkt er, aber schlichtweg mein Herz berührt. Ich schreibe dieses Review mit meiner Liebe zu DARKTHRONE im Herzen, klar. Aber sie sind schlichtweg toll. Nach einem Break, wo anscheinend Fenriz, ich kann mich auch täuschen, 50/50 Chance, mit klarer Stimme den Songtitel singt, geht eine stampfende Passage mit schwerem Riff und einfachen, aber bezaubernd schönen Gitarrenmelodien darüber schwebend los und bringt das Stück bis kurz vors Ende, wo nochmals das Tempo angezogen wird. Die Leadgitarre jault einzelne Akkorde hinzu, aber wieder mit emotional aufwühlendem Effekt. Beckenrascheln und die schmutzig, psychedelische Flangergitarre mit dem Eröffnungsriff, dann sich entfernendes Windrauschen und vorbei ist es.

Aber ´Kevorkian Times´ rockt sogleich in die nächste Runde. Doommetal? Heavy Metal? Black Metal? Die Riffs haben alles in sich. Der Beat tänzelt, wogt, stampft, treibt dann eine flotte Passage an. Es fühlt sich wie 1985 an. Und bei aller Liebe zu den Genregrößen der ersten Welle, hier zeigt sich der Geist solcher B-Reihen-Kultbands wie DELIVERANCE UK und im Grunde ein DARKTHRONE’sches Eigenleben der Musik. Tribut an eine Epoche, Retro Erstwelle. Aber saugeil.

´Kolbotn, West Of The Vast Forests´ ist knapp unter zwei Minuten lang. Die Instrumente im sich stets wiederholenden Thema sind für mich nicht Recht ersichtlich. Es könnte ein komplett verstimmtes Piano sein. Oder eine Sitar? Es klingt metallisch dröhnig und verstimmt. Schlichtweg verstimmt. Dieses Stück hat was von 60er und 70er Experimentalmusik, könnte ein liebevoller Gruß an ´Danse Macabre´ von CELTIC FROST sein, kein Metal, keine wirkliche Musik, sondern ein experimentelles Klangwerk, welches entweder begeistert oder abnervt. Ich liebe Experimentalsounds.

´Eon 2´ ist das große Finale der Platte. Der Anfang ist ein flott schreitender Beat mit bösem Heavy Metal-Riff darauf. Dann ein Übergang mit herrlicher melodischer Gitarre auf schwerem Riff. Irgendwo bleibt aber das fiese Blackmetalfeeling. Auch wenn hier alles verlangsamt ist, viele Flangereffekte den Gitarren anhaften, auf einmal eine Acidfolk Akustikpassage mit dezenter E-Gitarre, klar, aber wieder mit Flanger gespielt den Song aufbricht, die Passagen ohnehin wechseln und die Stimmung zuweilen aufklart. Nicht die Zutaten machen hier den guten und frischen Geschmack des Songs aus, sondern die Dosierung und die Leidenschaft beim Spiel. Etwas abrupt endet die Platte. 40 Minuten sind rum, mehr braucht man auch nicht. Mein Gefühl ist das von ungestilltem Appetit. Da muss doch noch was kommen. Nein, Stille.

Aber genau das macht für mich eine gute Platte aus. Sie hinterlässt einen mit Lust auf mehr. Für mein Empfinden eine Top LP im DARKTHRONE-Kosmos und auch in der nerdischen Box ihren Preis wert. Meine Brüder aus der Die Hard-OSBM-Ecke mögen das anders sehen, einige von ihnen. Ich aber stehe auf die Band und auf das neue Album. 31 Jahre nach ´Soulside Journey´, 30 Jahre nach dem Umschwung auf absoluten Blackmetal und die Band ist nicht nur noch da, sondern hat sich qualitativ immer ganz oben gehalten.

(9 Punkte)

 

https://www.facebook.com/Darkthroneofficial/


Pic: Jørn Steen