PlattenkritikenPressfrisch

CITY OF CATERPILLAR – Mystic Sisters

~ 2022 (Relapse) – Stil: Post Hardcore/Screamo/Post Rock ~


CITY OF CATERPILLAR sind sich nun schon seit mehr als zwei Jahrzehnten einen festen Platz in der Post Hardcore-Geschichte sicher. Das im US-Bundesstaat Virginia beheimatete Quartett gehörte jedenfalls mit zu den ersten, die die Geduld und Weite des Post Rock mit der hektischen Dringlichkeit des Hardcore Punk auf beeindruckende Weise miteinander verband, und ihr selbstbetiteltes Debütalbum von 2002 gilt auch heute noch als bahnbrechend und landete wie ein von einem Baum geschütteltes Wespennest mitten in einem Kinderpicknick, indem es die sehnigen Schnappschüsse von DRIVE LIKE JEHU mit der erhabenen filmischen Weite von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR kombinierte.

Dass diese Welten irgendwann mal miteinander kollidieren würden, war sicherlich unvermeidlich, und obwohl das Album über die Grenzen einer kleinen, inzestuösen Szene hinaus nur wenig Beachtung fand, wirkte es dennoch als Blaupause für eine Vielzahl weiterer Acts, deren Absicht es war, ganz ähnliche Wege zu gehen.

´Mystic Sisters´ erfüllt dann auch gleich die beiden wichtigsten Kriterien für ein Comeback. Einerseits hält es genug vom Originalsound der Band fest, um dort weiterzumachen, wo sie damals aufgehört hatte, mit Ausbrüchen an frenetischem Screamo und kantigem Post Hardcore, die sich ihren Weg aus dem atmosphärischen und melodischen Post Rock kratzen. Andererseits verlässt sich das Album nicht nur auf vergangene Erfolge, sondern es präsentiert nun eine weit dunklere Version des Post Punk, der mit ausdrücklichem Fokus auf die Stimmung drückt. Es ist eine seltsame, wilde, aufregende Fahrt, und eine, die sowohl als logische Fortsetzung als auch als eigenständiges Statement dient.

 

 

CITY OF CATERPILLAR sind in den letzten zwanzig Jahren jedenfalls ganz sicher nicht einfach nur irgendwo hängen geblieben, denn während der Geist und die klanglichen Referenzen intakt geblieben sind, so kann man auch spüren, wie das Gewicht des Lebens Kanten ausgefranst und Löcher in psychische Fundamente gefressen hat. Düster, dicht und barocker als je zuvor, wird nun praktisch jeder Song von einem starken dynamischen und melodischen Drive angetrieben, aber je genauer man zuhört, desto mehr entlarven sich auch die vielen schrillen und klirrenden Komponenten.

´Manchester´ beispielsweise scheint mit Filamenten aus brennendem Draht gewebt zu sein, während ´In The Birth Of A Fawn´ von untypischen Drumsounds und einer Abfolge von sorgfältig kanalisiertem Kreischen angetrieben wird. Obertongezwitscher und dissonante Halbakkorde werden kunstvoll miteinander verschmolzen, während die aufmüpfigen Vocals mal abwechselnd geheult, geschnattert oder geknirscht werden.

Die Eröffnungsgitarrenlinie von ´Decider´ bewegt sich auf seltsame Weise irgendwo zwischen Dissonanz und Melodie, während sich die gespenstische Eröffnung des Titelsongs hingegen wiederum breitwandig und filmisch anfühlt. Dieser wächst zu einem festgenagelten Highlight heran, und nimmt sich Zeit, um sich über sieben Minuten hindurch zu einer wütenden Kakophonie aufzubauen, die eine der besten Momentaufnahmen dessen liefert, was CITY OF CATERPILLAR je zu bieten hatte.

Ob ´Mystic Sisters´ nun ein ebenso bedeutendes Album ist, wie der selbstbetitelte Klassiker, sei mal dahingestellt, aber es fügt ihrem Oeuvre jedenfalls weitere stellare 45 Minuten hinzu und dokumentiert die Weiterentwicklung ihrer metamorphen Schichten an Sounds recht eindrucksvoll.

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/RelapseRecords


Pic: Reid Haithcock