Livehaftig

VALLEY OF THE SUN

The Chariot Europe MMXXII
~ 21.07.2022, Lux, Hannover ~


Zwar befinde ich mich bereits vor Ort, als die aus einem Drummer und einem singenden Gitarristen bestehenden Lokalmatadoren KETTENFETT die Bühne entern, die nach eigenem Bekunden gespielte Mischung aus Heavy-, Punk- und Stoner Rock mit deutschen Texten schafft es dann aber doch nicht, mich dauerhaft vor der Bühne zu halten. Nach bereits vier Stücken ziehe ich es nämlich vor, mich mit einem alten Schulfreund vor der Tür zu unterhalten, den ich schon seit Jahren nicht mehr getroffen habe und hier zufällig wieder begegnet bin. Ein Urteil über die Musik von KETTENFETT verkneife ich mir deshalb lieber.

Ganz anders sieht das natürlich bei VALLEY OF THE SUN aus. Die Musik des Vierers aus Cincinnati schlicht mit Rock ´n´ Roll zu betiteln, wie sie das selbst mehrfach an diesem Abend tun, greift mit Sicherheit zu kurz. Natürlich haben sie heute auch Stücke dabei, die mächtig Arschtreten und soviel Energie in den kleinen Klub hineintragen, dass dieser fast zum Glühen gebracht wird. Aber der Rock ´n´ Roll von VALLEY OF THE SUN ist von dem Rock ´n´ Roll von MOTÖRHEAD ungefähr so weit weg, wie vom Rock ´n´ Roll eines Bill Haley.

 

 

Am ehesten vielleicht noch vergleichbar mit dem von MUSTASCH oder dem der Gladbacher MOTORJESUS, über deren Auftritt ich in diesem Klub hier auch schon mal berichtet habe. Also irgendwo dazwischen mit zusätzlich ein wenig TRUCKFIGHTERS, mit denen sie auch bereits gemeinsam auf Tour waren und einer Prise MOTHERSHIP, SASQUATCH, WO FAT etc.

Man sieht, VALLEY Of THE SUN gehen sehr facettenreicher ans Werk. Der Heavy Rock der Jungs aus Ohio hat nämlich sowohl eine starke Desert-Stoner-Schlagseite mit entsprechendem Fuzz, aber auch das Wah-Wah-Pedal kommt nicht zu kurz. Manchmal werden herrlich bluesige Melodien angestimmt, manchmal tragen wuchtige Doomriffs den Song und an einigen Stellen schimmern auch alternative Töne durch. Bei mir werden sogar in einigen Momenten (gute) Erinnerungen an den 90er Grunge geweckt.
Letzteres liegt zum Teil aber auch an der Stimme von Ryan Ferrier, aus der zeitweise ein Chris Cornell (SOUNDGARDEN, TEMPLE OF THE DOG, AUDIOSLAVE) heraushörbar ist, mich aber zumeist noch mehr an John Garcia (KYUSS, UNIDA, SLO BURN, VISTA CHINO) erinnert.

 

 

Von der ersten Minute an ist deutlich erkennbar, dass VALLEY OF THE SUN nicht nur eine Menge Bühnenerfahrung besitzen, immerhin sind sie bereits seit 2010 unterwegs und haben auch schon fünf Alben herausgebracht (die selbstveröffentlichte nur digital erschienene Debüt-EP zähle ich mal nicht mit), sondern auch unheimlich viel Lust haben, heute im „Lux“ aufzutreten. Das ist umso erstaunlicher, als sie gerade drei Tage in Berlin verbracht haben, wo sie nach Aussage des an diesem Abend mit seinen launigen Ansagen für viel Belustigung im Publikum sorgenden Drummer Lex Vegas, weder gegessen, geschlafen noch ihre Wäsche gewaschen, sondern, wie das einzige verbliebene Gründungsmitglied Ryan ergänzt, lediglich die ganze Zeit getrunken haben.

 

 

 

Gestartet wird der Gig aber sehr gekonnt mit den ersten beiden Nummern des zweiten aus dem Jahr 2015 stammenden Albums ‚Saying Of The Seers‘, von dem sie an diesem Abend noch weitere Songs zum Besten geben werden. Mit ‚Sweet Sands‘ kommt dann auch gleich anschließend der Opener des frisch (17. Juni 2022) veröffentlichten Albums ‚The Chariot‘ an die Reihe. Auch von diesem Album sollten an diesem Abend noch die Hälfte aller Songs zum Besten gegeben werden. Insgesamt kommen Songs aus allen Alben ihrer Discografie zum Vortrage.

 

 

Während Basser Chris Sweeney und Ryan dies mit einer gehörigen Portion Coolness bewerkstelligen, wobei Ryan stets ein kaum wahrnehmbares verschmitztes Lächeln auf den Lippen trägt, machen der auf der neuen Scheibe erstmalig in Erscheinung tretende Lex und Leadgitarrist Josh Pilot ordentlich faxen. Ersterer hält es regelmäßig nicht auf dem Hocker aus und sucht den verbalen Kontakt mit dem Publikum. So entschuldigt er sich beispielsweise für die abrupten Enden ihrer Songs, obwohl sie doch hier in Hannover, der Heimat der SCORPIONS wären. Gitarrist Josh ist da eher pantomimisch unterwegs, balanciert seine Gitarre auf einer Hand und steht auch mal während eines ruhigen Parts, bei dem seine Künste nicht benötigt werden, demonstrativ gelangweilt neben Ryan. Er kommt aber auch ein paar Mal von der Bühne ins Publikum herunter, wo er von diesem angefeuert seine Gitarrenkünste unters Volk bringt. Man kann dabei in der Tat von Gitarrenkünsten sprechen, denn das, was er vom Bühnenrand mit seinen Flitzefingern demonstriert und in die Menge abfeuert, ist schon aller Ehren wert. Aber an körperlichem Einsatz kommt an diesem Abend wirklich niemand an Drummer Lex heran, der sein Drum-Kit praktisch ohne Unterlass voller Enthusiasmus beackert.

 

 

 

 

Insgesamt rocken sich aber alle vier die Seele aus dem Leib und ich bin davon überzeugt, dass niemand der Anwesenden es auch nur einen Moment lang bereut, sich heute zu diesem Konzert aufgerafft zu haben und nun im „Lux“ zu sein.

Und das solltet auch ihr tun…also aufraffen!
Drei Wochen sind die Jungs bereits unterwegs und sechs weitere werden folgen, wobei sie Ende diesen und Anfang nächsten Monats noch weitere deutsche Städte mit ihrer Anwesenheit beehren werden. Macht euch und den Jungs eine Freude, denn zwei Jahre ohne Club-Konzerte waren für uns alle eine lange Zeit, oder?

Als zusätzlichen Anreiz hat die Band auch noch ein breites Vinylsortiment dabei, worunter sich auch ein frisches Re-Release der von mir seit langem gesuchten zweiten LP aus dem Jahr 2015 befindet (ursprünglich bereits 2011 mit zwei Stücken weniger als EP erschienen), die ich natürlich freudestrahlend erwerbe.

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