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ASH OF ASHES – Traces

~ 2022 (Kalthallen Tonträger/Lichtpfade) – Stil: Epic Metal ~


Wer in NRW lebt, der kennt das Sauerland. Oft genug verbringt man da freie Tage am Sorpefjord oder an der Olpebucht. Man wandert durch die finsteren Wälder in Schmallenberg, besteigt die Gipfel bei Brilon, steigt in die Tiefen der Attahöhle. Und der Sauerländer Holmenkollen liegt in Winterberg.

Bewundert man das Cover von ´Traces´, vor allem wenn man die Vinylfassung aufklappt, gezeichnet vom  norwegischen Künstler Christopher Rakkestad, sieht man eben auch eine solche Landschaft. Die Berge auf dem Gemälde mögen schroffer sein, das Tal weiter, aber dem Auge bietet sich genau diese Stimmung, die man auch erlebt, wenn man sich das Sauerland erwandert. So geht man dann einen Umweg mehr, weil die Augen etwas erblicken, was man von Nahem erkunden will.

 

 

Ebenso episch wie ihre Heimat ist die Band ASH OF ASHES. Das ist Mastermind und Gründer Skaldir, der für Gitarre, Keyboard, Bass und Gesänge zuständig ist. Um ihn geschart haben sich Texter und Sänger Morten, Drummer Stryx und der zweite Gitarrist Sethras. ´Traces´ ist nach dem Debüt ´Down The White Waters´ von 2018 das zweite Album, davor war Skaldir bei einer Band namens HEL tätig. Das Debüt ist schon auf einige Gegenliebe getroffen. Doch der Nachfolger dürfte noch einiges mehr an Interesse erreichen, auch der Rezensent lernt ASH OF ASHES jetzt erst kennen. Damit ist er sicher nicht alleine.

So wie das Sauerland aus vielen verschiedenen Schichten besteht, so vielschichtig ist die Musik von ASH OF ASHES. Der Zuhörer wird eingeladen zu wandern. Durch die Aeren der Natur, durch die Zeiten der Geschichte, die Jahreszeiten führt der Weg. Er führt über die weißen Wasser unter der Mitternachtssonne in die Ewigkeit. Werden und Vergehen, Geburt und Tod, die Reise als die Reise des Lebens, so könnte das Thema beschrieben werden, das sich durch die Texte zieht.

Das instrumental, mit einer schönen Melodie betörende ´Beyond White Waters´ lädt ein, die Wanderer zu begleiten, die Lieder der fahrenden Sänger zu lauschen. ´Under The Midnight Sun´ kommt dann härter, mit mehr als einer Prise Black Metal. Eigentlich ein Genre, bei dem der Rezensent eher abwinkt, hier aber ist der grobe Gesang so fein verquickt mit epischen Melodien, er kann nicht anders, als in die graue Mittsommernacht zu folgen. Marschierenden Schrittes geht es ´Into Eternity´, als Gast hier Sänger Lars Jensen von MYRKGRAV, zweistimmige Leads sorgen für reichlich Atmosphäre. ´The Eternal Traveller´ lässt Bilder erwachen vom Fliegenden Holländer, der ruhelos, rastlos auf Reisen ist, zur Sühne eines Verbrechens. Immer klarer wird auch, das Pseudonym Skaldir ist höchst passend für das, was hier geschieht. Es gelingt ihm mit seiner Musik hervorragend, Geschichten zu erzählen und Gefühle näherzubringen. Geschichten die ewig gelten, Gefühle die ´Evermore´ zu spüren sind.

´Vem Kan Segla Förutan Vind´, Wer kann ohne Wind segeln, ein Traditional aus Schweden, dargeboten von Thomas Clifford, mit dem Skaldir zusammen bei der Death Metal-Kapelle ABSCESSION musiziert, da darf geschwelgt werden. Erstaunlich, dass genau das eine sehr balladeske und ruhige Nummer ist. Der letzte Weg durch die Dunkelheit, doch am Ende des Weges ein Licht. Das Ziel oder nur ein Irrlicht? Der Beginn allein von ´A Lion Guards Our Names´ sorgt für dicke Anfälle von Gänsehaut. Auch hier ein paar schwarze Ausbrüche, welch Ambiente mit ein wenig Grobheit erzeugt werden kann, ist für den Verfasser dieser Zeilen die dickste Überraschung. ´Southbound´ erinnert in seiner Mischung aus grob geschmiedetem Metal und fein gearbeitetem Folk an eine Weiterführung von OPETH.

Das Beste kommt immer zum Schluss? Hier schon. Bei allen Höhepunkten bisher, die letzte Nummer toppt noch einmal alles. Die Ballade, und dritte Single zum Album, drückt noch einmal sämtliche Knöpfe, um die Haare auf den Armen aufzurichten, wie die ältesten Bäume mitten in einem Urwald. Ein großer Beitrag kommt von den beiden Gaststimmen hier. Da ist zum Einen der Schöpfer des Covers Christopher Rakkestad. Ihm Gegenüber die göttliche Rúnahild, die zu ihrem Text auch noch ein stimmungsvolles Solo improvisiert hat, das viel mehr Leidenschaft und Gefühl beinhaltet, als die meisten dahingedudelten Gitarrensoli. So geht wahre Epik! Dazu kommt, eher zufällig, die textliche Aktualität, schließlich geht es um die Trauer der hinterbliebenen Soldateneltern im Ersten Weltkrieg.

Im Sauerland gibt es zwar keine Palmen, dafür qualmen die Misthaufen, die Mädchen sind wild wie Kühe (Wer kennt sie nicht, die Nationalhymne der Waldbewohner an Henne, Wenne und Lenne?). Im Sauerland gibt es auch den wohl epischsten Metal des Jahres 2022. Darauf lege ich einen Eid und zehn in Eslohe geschmiedete Schwerter.

(10 Punkte)

 

https://www.facebook.com/AshOfAshes


(VÖ: 13.05.2022)