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DELBERT McCLINTON – Outdated Emotion

~ 2022 (Hot Shot Records-Thirty Tigers) – Stil: Rhythm & Blues / Country ~


Das Cover des Albums sieht aus wie aus den 50er Jahren. Und mit dem Klassiker ´Stagger Lee´, der von der Ermordung von Billy Lyons durch „Stag“ Lee Shelton, in St. Louis, Missouri, am Weihnachtstag 1895 erzählt, fühle ich mich auch sofort musikalisch in vergangene Zeiten versetzt.

Aber nein, hier handelt es sich nicht um eine Wiederveröffentlichung von Songs aus dem vergangenen Jahrtausend, sondern um das 27. Album von Delbert McClinton. Und der zweite Song ´Settin’ the Wood On Fire´ mit gedoppeltem weiblichen Gesang klingt gar noch antiquierter à la Johnny Cash. Da können sich jetzt die ersten hippen Leserinnen und Leser schon verabschieden.

Nun, Delbert ist Jahrgang 1940 und kein Retrofreak und hat seit 1975 mehr oder weniger konstant Platten unter seinem eigenen Namen veröffentlicht. Und ist zusätzlich verschiedene musikalische Kooperationen eingegangen und war vor allem im Hintergrund auch Songwriter für andere Künstler. Da vor allem im Country-Bereich.

Auf ´Outdated Emotion´ gibt es eine Reihe altgedienter Klassiker wie das genannte ´Stagger Lee´ oder ´One Scotch, One Bourbon, One Beer´, der altgediente Säufersong, den auch schon John Lee Hooker und George Thorogood unter vielen anderen interpretiert haben, mit federndem Boogie-Piano. Dazu eigene Titel, alles irgendwie „outdated“ wie im Titel genannt, aber auch sehr locker, inspiriert und positiv „routiniert“ eingespielt. Mit ´Long Tall Sally´ folgt der nächste Klassiker, vor allem durch Little Richard und die BEATLES bekannt geworden. John Lennon hat Delbert irgendwann auch einmal getroffen. Toll.

Alle Coversongs sind sehr subjektive Interpretationen, die jetzt aber nicht revolutionär über die bekannten Versionen hinausgehen, noch nicht einmal das Attribut „evolutionär“ passt da so richtig. Das heißt: nah am Original, aber mit viel eigenem Spaß. Wenn der Country um die Ecke kommt, wie bei ´Two Step Too´, ist dann die mir unbekannte Background-Sängerin auch schon mal mit im Einsatz.

Neben der vollkommenen Lockerheit des musikalischen Vortrags kann auch die rauchige, welterfahrene Stimme von Delbert McClinton jederzeit überzeugen. ´Ain’t That Lovin’ You´ ist so ein von seiner Stimme lebender sauberer Boogie-Rocker mit Mundharmonika-Solo. Fast alle Songs sind zwischen zwei und drei Minuten, schnörkellos und bei einigen geht einem der Song schon fast zu schnell vorbei.

Dank seiner hohen Authentizität ist ´Outdated Emotion´ grundsätzlich sehr empfehlenswert und führt die Tradition der Mischung klassischer Musikstile fort. Ein Millionenseller wird auch dieses Album nicht werden. Dafür klingt es doch zu weit von jedem musikalischen Zeitgeist weg. Aber der laut Recherche bei Kritikern populäre Künstler hat auch nie so richtig den kommerziellen Durchbruch geschafft. Aber Spaß hat er mit seinen über 80 Lebensjahren immer noch, das höre ich deutlich.

Als rockiger ´Sweet Talkin’ Man´ ist er mir selbstverständlich lieber als in seinen, aber auch gut konsumierbaren, Country-Ausflügen. Mit dem halbminütigen Talkin‘ Blues ´Call Me A Cab´ verabschiedet er sich nach 16 Songs. Hoffentlich nicht für immer. Schwierig solche „Roots-Musik“ zu bewerten, aber mit einer soliden Wertung ist, glaube ich, dem Album Genüge getan. Das Album ist nicht retro, sondern der Künstler ist einfach „Outdated“. Aber gute Musik wird nie langweilig, oder?

(Solide 7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/delbertmcclinton


Pic: Clint Herring
(VÖ: 13.05.2022)