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SAHARA – III: Hell On Earth

~ 2022 (Regain Records) – Stil: Desert Rock ~


Mein Arbeitsweg ist Straßenbahnzeit ist Musikhörzeit. Je nach Stimmung und Verfassung wird bewusst gehört, werden Eindrücke aufgenommen und Gedanken gesammelt. Oder die Musik begleitet ein Buch, soll dann eher ungewollte Einflüsse von außen ausblenden. Die Argentinier SAHARA entpuppten sich dabei als gelungene Begleiter zu Karl May. Und das, auch wenn sie diesen Autor kaum kennen dürften.

Ich weiß nicht, ob er heute noch gelesen wird. Als Kind liebte ich die Geschichten zu Old Shatterhand, Winnetou, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar. Heute verursachen allerdings manche Passagen ein gewisses Bauchweh. Manche Charakterisierung wirkt aus heutiger Sicht recht rassistisch. Und das Ding mit der Religion ist ein wenig nervig. Andererseits zeigt sich der Autor als Humanist, der Konflikte lieber gewaltfrei löst, denn durch den Einsatz von Feuerwaffen. Dann sind ja auch noch die Filme mit dem ikonischen Soundtrack. Doch ich schweife ab…

SAHARA, das sind Martin Ludi (Gitarre und Gesang), Gabriel Ravera (Bass und Gesang) und Ivan Sacharczuk (Drums). Zu Hause sind sie im argentinischen Paraná. Man sollte sie nicht verwechseln, weder mit den Münchner Prog Rockern der 70er, noch mit den Hard Rockern, deren 92er Debüt gerade wiederveröffentlicht wurde.

Diese SAHARA hier entführen uns in die Wüste. Ihr doomig schwerer, aber nie zäher Desert Rock walzt sich durch die mittägliche Sonnenglut. Der Ball sengt vom Himmel, keine Schatten spenden Erholung. Die Luft flirrt in der Hitze. Kein Grün, das das Auge erfreut, nur Sand, Geröll und Felsbrocken. Einzig ein paar darbende Kakteen warten auf Regen. So ist das in der Atacama, an der auch Argentinien einen Teil hat, so ist das in der Gobi oder der namensgebenden Wüste in Nordafrika. Das sind Orte, an die uns manches Buch genauso entführt wie die Musik von SAHARA.

Der Opener führt uns an den Ort der Handlung, was so manche Wüste auch ist, eine ´Hell On Earth´. Treibend geht es voran. Die Hatz beginnt. Ein wenig erinnert dieser Song an ´Paranoid´. Der Held der Geschichte in Nöten, allein gegen all die Feinde. Es ist ein Fluch (´The Curse´), immer wieder neue Gefahren. Auch ein Wüstenpunk wie ´Altar Of Sacrifice´ gibt einen guten Soundtrack zu solchen Geschichten. Danach aber kommen die großen, die Endgegner zur Vorstellung in ´El Diablo´. Da fallen sie alle ein, der Ölprinz, der Schut oder Santa Maria.

Eher idyllisch wirkt das kurze akustische ´Blue Shift´. Auch solche Idyllen findet man in den Abenteuern, der Held mit seinen Begleitern und Verbündeten beim Festmahl. Die Tische biegen sich unter der Last exotischer Speisen. Und, die Abschweifung muss sein, das was der Held in „Durchs Wilde Kurdistan“ für Tauben hält, wird als Fledermäuse enthüllt. Der abwechslungsreiche Neunminüter ´Trapped Down´ spinnt die Geschichte weiter von List und Gegenlist, Fallen und Stricken. Im ruhigeren Mittelteil flirren die Gitarren wie Luftspiegelungen über dem Wüstenboden. ´La Soga´ ist ein cool groovender Rocker, der das Tanzbein zum Schwingen animiert.

Und spätestens zum letzten Song ´Dangerous´ sollte man sich sicher sein. Es ist gar nicht so gefährlich, auf Reisen zu gehen, mit Musik, einem Buch oder in einem Film. ´Hell On Earth´ ist nicht die Hölle auf Erden. Es ist ein kleines vergnügliches Abenteuer. Eine musikalische Reise im Kopf, an Orte, die unsere Phantasie beschwört. Oder die Phantasie von Autoren, die uns schon seit der Kindheit begleiten.

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/thecurseofsahara

https://regainrecords.bandcamp.com/album/iii-hell-on-earth


(VÖ digital, CD, MC: 31.01.2022; Vinyl: 28.06.2022)