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CROWBAR – Zero And Below

~ 2022 (MNRK Heavy/SPV) – Stil: CROWBAR – Doom Metal ~


Seit ihrem monumentalen gleichnamigen Werk von 1993 bin ich ein glühender Anhänger der Band um Urgestein Kirk Windstein. Und auch die ersten Veröffentlichungen vom Nebenprojekt DOWN habe ich sehr gerne angehört, auch wenn mich der Sänger von DOWN grundsätzlich wenig anspricht. Aber wir sind hier bei ´Zero And Below´, bereits das 12. Album oder – je nach Lesart –  erst das 12. Album. Denn schließlich sind seit dem Debüt schon 31 Jahre vergangen. Einen Ausfall gab es im Hause CROWBAR noch nie. Klar, war mal das eine Album spannender als das andere. Aber wenn man die Band liebt – und ich tue das – wurde man noch nie enttäuscht.

Und was erwartet die Zuhörerin/den Zuhörer? Der Wunsch ist natürlich, 100 % CROWBAR zu hören, auch wenn die Band ihren Sound immer wieder im Gesamtrahmen modifiziert hat. CROWBAR ist 100% Rauschebart Kirk Windstein, denn er ist schon lange die Personifizierung von CROWBAR und sein Gesang und sein Gitarrenspiel sind stilprägend für die Band. 2020 hat Kirk ja auf seinem Soloalbum ´Dream In Motion´ auch ein paar andere Seiten seiner musikalischen Persönlichkeit aufgezeigt. Aber Kirk ist Kirk und das wird hier schnell wieder deutlich.

´The Fear That Binds You´ liefert gleich die gewohnten und erwünschten Trademarks. Zunächst ziemlich „up-tempo“ (nach CROWBARscher Definition, heißt etwas schneller als ganz langsam), dann aber schwer und schleppend mit Kirks unverwechselbaren Gitarrenriffs und seinem klagenden Gesang. Dann die düsteren Texte. Wie hat Kirk mir angesichts eines Interviews 1993 bei der Tour gesagt: Ich mache die Musik und die Texte wegen der täglichen Schmerzen. Und mein Interesse ist immer noch da. Die Schmerzen wohl auch. Scheinen chronisch zu sein. Aber zumindest beweist Kirk auch einen gewissen Geschäftssinn auf seinem Insta-Account. Schmerzensgeld.

Ohne Atempause geht es in den noisigen Totschläger ´Her Evil Is Sacred´ über. Eine Steigerung in Sachen Schmerz und Schwere zum schon starken Opener. ´Confess To Nothing´ lässt mich schüttelfrosten…noch düsterer mit einer apokalyptischen Kälte.  Das ist auf Ohrhöhe mit den stärksten CROWBAR-Momenten. Großartig, dass mich diese Musik immer noch so packen kann. Der lange Ton zum Schluss hilft einem die einzelnen Nervenfasern im Körper wieder zu ordnen.

´Chemical Godz´ geht dann straight los, endet aber gleich im doomigen Angstgebilde und kann durch einen mit Gitarrenharmonien gespickten melodischen Mittelteil überzeugen. ´Denial Of The Truth´ beginnt mit hypnotischen, rhythmischen und gothischen Sprengseln und einem feinen melodischen Gesang, der dann mit der CROWBAR’schen Doom-Breitseite variiert wird und schließlich im „up-tempo Brecher“ endet. In diesem düsteren Labyrinth muss sich der Hörer zurechtfinden. Keine Verschnaufpause: Das fiese ´Bleeding From Every Hole´ trifft die Hörerin und den Hörer tief in die Magengrube und macht ihn zum ungewollten Komplizen der Kirk’schen Agonie. Schmerz ist hörbar.

Die nächsten drei Songs sind gut, aber hinterlassen nicht unbedingt so große schwarze Spuren im Angstzentrum des Hörers/der Hörerin wie die vorangegangenen. Das ist okay. Wobei ´Reanimating A Lie´ durchaus spätestens ab der „speedigen“ Trommeleinlage im zweiten Teil wieder die volle Aufmerksamkeit zurückgewinnt. Eine gute Überleitung zum fulminanten Titelsong.  ´Zero And Below´ ist die Quintessenz des Vorangegangenen. Klingt wie schon öfters bei den Abschlusssongs wie die notwendige Katharsis nach den vielen Schmerzen und Depressionen. Sehr schöner dunkler Song mit starkem Gesang.

Klar, oberflächlich betrachtet werden einige mit dem „Kennst du eine, kennst du alle…“ Argument kommen. Wie bei MOTÖRHEAD oder anderen, aber wer will schon andere Musik von CROWBAR hören als dass, was authentisch ist und bei Kirk direkt aus Seele, Herz und Hirn zu kommen scheint. Vielleicht fehlt etwas eine kleine Überraschung wie damals ´No Quarter´, das fulminante LED ZEPPELIN-Cover auf dem unbetitelten Meisterwerk oder einige Jahre später ´Dream Weaver´, die Alptraumversion von Gary Wrights Hippie-Traum. ´Denial Of The Truth´ und das Titelstück können zumindest etwas Überraschung und Kreativität einbringen. Aber insgesamt sind die Konsequenz des Vortrags und die wiedergewonnene dunkle Frische in der apokalyptischen Tristesse einfach bewundernswert. Aus dem dunklen Kern erschafft Kirk jedes Mal etwas Neues, Spannendes. So wirklich will man aber nicht in Kirks bewundernswertem Charakterkopf stecken und ist auch immer wieder froh, sich nach den zehn Songs aus der CROWBAR’schen Vorhölle verabschieden zu dürfen. Aber nicht lange, dann kommt der Wunsch, wieder in die Dunkelheit einzutauchen. Für mich das erste richtige Ausrufezeichen im Metal in diesem Jahr.

(9 Punkte)


Pic: Justin Reich
(VÖ: 04.03.2022)