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CODE ORANGE – The Above

~ 2023 (Blue Grape Music) – Stil: Metalcore/Industrial Metal/Hardcore Punk/Alternative Rock ~


CODE ORANGE aus Pittsburgh, Pennsylvania waren schon immer ausgesprochen experimenteller Hardcore, und unter den ganzen Schichten an technischer Zauberei und den donnernden, gewalttätigen Harmonien verbirgt sich die Knochenstruktur einer Band, die eben über die bestehenden Parameter dessen hinaus denkt, was im Genre ansonsten erlaubt ist.

Rund dreieinhalb Jahre nachdem sie ihr atemberaubendes drittes Album ´Underneath´ in der klaustrophobischen Leere des Lockdowns veröffentlicht hatten, präsentiert das Sextett nun den Nachfolger bzw. das selbsternannte Schwesteralbum ´The Above´, und man stellt schon nach den ersten Tönen fest, dass die Verschmelzung ihres Markenzeichens an Industrial Metal, Hardcore Punk und Metalcore mit den verschiedensten Spielarten des Alternative Rock auf dieselbe kühne, höchst herausfordernde Art fortgeführt wird, wie beim Vorgängerwerk.

Auch die Disposition ihres fünften Longplayers (inklusive dem Debüt als CODE ORANGE KIDS) wirkt ästhetisch gebrochen, und sein Sound ahmt den eigenen Raum erneut auf eine Art und Weise nach, die genauso fesselnd wie auch verstörend ist.

 

 

Schon der Opener ´Never Far Apart´ besitzt absolutes Hit-Potenzial, und der Refrain ist mit der wunderschönen Stimme von Reba Myers und zahlreichen Alternative Rock-Vibes versehen, wobei die steile, kantige Gitarrenarbeit und die phasenweise einsetzenden Growls den Song mit einer ungemein klanglichen Kraft und Komplexität versorgen.

Das Stück wird, wie nahezu das gesamte Album, von einer Produktion unterstützt, die mit messerscharfem Fokus eingestellt ist, mit teilweise rückwärts abgespielten Passagen und plötzlichen Pausen, gleichzeitig hektisch und schwer. CODE ORANGE überschreiten hier immer wieder ihre eigenen Grenzen des Experimentierens und lassen dabei jeden Faktor in seinem eigenen Raum erblühen.

Beim folgenden ´Theatre Of Cruelty´ wird viel Wert auf Rhythmus und Tempo gelegt, und der phasenweise einsetzende, an Shoegaze erinnernde Gesang, ist umgeben von knochenerschütternden Riffs, peitschenden Bassverzerrungen und schädelzermalmenden Schreien.

Es gibt hier jedoch noch viel mehr Momente mit klarem Gesang als je zuvor, was eine neue Ära für CODE ORANGE markiert, und was sich wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad sogar als spaltend erweisen wird. ´Mirror´ beispielsweise ist beinahe schon souliger Pop, ein ausgesprochen ruhiger Song, der die vertrautere Intensität des Rests des Albums völlig in den Schatten stellt.

In ´Grooming My Replacement´ hingegen baut die Band wieder zahlreiche abrupte Tempowechsel ein – ein rund dreiminütiges Paket aus Schmerz und perkussiver Brillanz, und der Song signalisiert einmal mehr die neue Sound-Ästhetik, indem er sowohl die Grundsätze des Hardcore als auch die passive Vertrautheit des Genres berücksichtigt und gleichzeitig experimentelle Energieausbrüche hervorruft.

´The Above´ hat ebenso viel klaren Gesang wie wildes Bellen, es hat manische sowie spastische Anfälle von Industrial Metal und Hardcore Punk und haufenweise wütende, unverfälschte Breakdowns. Als Erben einer neuen Hardcore-Generation, die ihre Zukunft selbst gestaltet, bleiben CODE ORANGE jedenfalls nach wie vor eine wahre Naturgewalt!

(9 Punkte)

https://www.facebook.com/codeorangetoth


Pic: Tim Saccenti
(VÖ: 29.09.2023)