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NINA SIMONE – Little Girl Blue

~ 1959/2021 (BMG/Warner) – Stil: Jazz/Gospel/Blues ~


Das sensationelle Debütalbum ´Little Girl Blue´ von Nina Simone aus dem Jahre 1959 erscheint in diesen Tagen auf allen digitalen Plattformen, auf CD und Vinyl (Clear-Blue 180g oder 180g Black-Vinyl) remastered – mit einem Stereo-Mix des Grammy-Gewinners Michael Graves sowie einem Vinyl-Remastering von Kevin Gray. Die Produktion lag in den Händen von Cheryl Pawelski.

1954 wurde die 21-jährige Eunice Kathleen Waymon zu Nina Simone, weil sie in einem Nachtclub von Atlantic City ihre erste Auftrittsmöglichkeit erhielt. Da ihre religiöse Familie dies rigoros ablehnen würde, nahm sie das Pseudonym Nina Simone an. „Nina“ war ihr Spitzname, „Simone“ Signoret ihre französische Lieblingsschauspielerin. Eigentlich wollte die in North Carolina geborene, in Philadelphia aufgewachsene Eunice Waymon klassische Pianistin werden, doch das „Curtis Institute of Music“ lehnte ihre Bewerbung ab, so dass sie fortan in Nachtclubs ihr Geld verdienen sollte und nicht die erste schwarze Konzertpianistin der USA werden konnte.

Da sie während ihrer siebenstündigen Auftritte im „Midtown Bar & Grill“ in Atlantic City singen sollte, eignete sie sich ihre eigene und stilübergreifende Ausdrucksform an. Nina Simone wurde in den kommenden Monaten immer bekannter, spielte in immer größeren Lokalitäten und ließ 1957 „Bethlehem Records“ aufhorchen. Das kleine Jazzlabel aus New York City bot ihr einen Plattenvertrag mit der Option auf ein weiteres Album an, so dass sie mit ihrer Rhythmustruppe, dem Bassisten Jimmy Bond und dem Schlagzeuger Albert „Tootsie“ Heath, die „Beltone Studios“ in Midtown Manhattan betrat. An nur einem Tag im Dezember 1957 nahmen sie in 14 Stunden in einem Rutsch die Kompositionen auf.

Die geschäftliche Liaison mit „Bethlehem“ hielt allerdings nicht lange, da sie für Nina Simone kaum die Werbetrommel rührten. Sie verkaufte schließlich ungeschickter Weise die Rechte an dem Album für 3.000 US-Dollar an das Label und wechselte eigenmächtig zu „Colpix Records“. Die restlichen Songs aus den Aufnahmesessions zu ´Little Girl Blue´ veröffentlichten „Bethlehem“ später ohne ihre Zustimmung auf ´Nina Simone And Her Friends´.

Allein das siebenminütige Jazz-Instrumental ´Central Park Blues´ des grandios aufspielenden Trios zum Werkfinale von ´Little Girl Blue´ war eine Eigenkomposition Nina Simones. Dennoch begeisterte dieses fantastische Debüt bereits zu Beginn mit der ausgelassen blau schwingenden Version von Duke Ellingtons ´Mood Indigo´, denn schon die erste Songzeile genügte für manch einen Herzstillstand: „You ain’t never been blue until you’ve had that Mood Indigo“. Ein weiteres, bluesiges, klassisch angehauchtes Instrumental, ´Good Bait´ von Count Basie und Tadd Dameron, eröffnete die B-Seite.

Der erste große US-Erfolg von Nina Simone war mit Erreichen von Platz 18 der „Hot 100-Charts“ des Billboard-Magazins ´I Loves You, Porgy´ von George und Ira Gershwin aus „Porgy & Bess“. Nina bewies ein gutes Gespür bei der Songauswahl, die ihr überraschender Weise das Label zustand. Anstatt von Arthur Hamilton das bekannte ´Cry Me A River´ zu singen, zog Nina Simone ´He Needs Me´ vor, um ihre tiefe Altstimme von den Klavierklängen hervorzuheben. Dem Autor George Stone, Pseudonym von Earl Solomon Burroughs, Co-Autor von ´Great Balls Of Fire´, verdankte sie hingegen ´Plain Gold Ring´.

Den Titelsong ´Little Boy Blue´, geschrieben von Richard Rogers und Lorenz Hart, wählte sie aus dem Broadway-Musical „Jumbo“ aus. Ebenfalls von Richard Rogers sowie von Oscar Hammerstein stammte ´You’ll Never Walk Alone´. Allerdings Jahre bevor den Song betrunkene Fußballanhänger auf englischem Boden als Hymne missbrauchen sollten, spielte ihn Nina in einer einzigartigen Gospel-Version. Mit ´Don’t Smoke In Bed´ von Willard Robison wurde die Stimmung balladesk und federleicht, um den geliebten Lover vor die Tür zu setzen. Vom selben Autorenteam, Gus Kahn und Walter Donaldson, kam das funky swingende ´Love Me Or Leave Me´ aus dem Musical „Whoopee!“ anno 1928 sowie ´My Baby Just Cares For Me´, das Jahrzehnte später durch einen Werbespot der bekannteste Nina Simone-Song werden sollte.

Mit noch nicht einmal 25 Jahren bewies Nina Simone, dass sie drei Jahre nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt bereits in der Form ihres Lebens sang und musizierte und sich mit ´Little Girl Blue´ der Grenze zwischen Jazz und Blues entledigte. Der Beginn einer steilen Musikkarriere brachte in der Folge gleichsam eine gnadenlose Bürgerrechtlerin auf die Weltbühne.