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JACQUES DANIELS PROJECT – Distance

~ 2021 (Independent) – Stil: Rock/Pop ~


Ein paar Tage nach STEVE POPE landete dieses Schmuckstück in meinem Reviewkorb. Das ist insofern spannend, weil beide Scheiben gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Beide sind etwa ähnlich wenig laut und aggressiv. Eher wird bei beiden Projekten relaxten Tönen gehuldigt. Aber hier endet es auch schon mit der Verwandtschaft. Der eine stammet aus dem Country, hier wird gewildert, wo es nur geht. Dazu kommt ein gewaltiger Qualitätsunterschied, der schon beim ersten Hören greifbar war.

Wer steckt nun hinter dem JACQUES DANIELS PROJECT?

Das ist ein 8-köpfiges Musikerkollektiv, ansässig im finnischen Rovaniemi. Sie legen wert darauf, Projekt genannt zu werden, weil sie so mehr Freiheiten haben, in welcher Besetzung gespielt wird. Und Livekonzerte werden selten gespielt. Nach zwei Alben 2009 und 2015 und einer EP 2017 entstand der Song ´Are We There Yet?´, mit dem sie sich für den ESC bewarben. Dies Vorhaben gelang nicht. Daraufhin betraten sie wieder seriösere Wege. Am Ende dieser steht nun das dritte Album ´Distance´.

So lang die Geschichte, so vielseitig die Besetzung, so vielfältig gelingt auch die Musik. ´Bonedigger´ diggert ganz tief, aber nicht nach Knochen, eher in den Sümpfen Louisianas oder Finnlands nach den Wurzeln von Blues und Rock. Unheimlich, was die Stimme abliefert. Selten war ein so tiefer Bass zu hören. Mit zunehmender Spielzeit nimmt die Nummer kräftig an Fahrt auf. Beginnend aus dem Stillstand fährt der Knochengräber schlussendlich im offenen Wagen in den Sonnenuntergang.

´Connect The Dots´ hat, dem Titel entsprechend, tatsächlich etwas von einem musikalischen Malen nach Zahlen. Mit den fast bedrohlich wirkenden Klaviertönen und dem Sprechgesang, kann man sich dies Lied in einem dieser skandinavischen Kriminalfilme gut vorstellen. TOTOsche Jazz-Grooves befeuern ´Music Is You´. Schön und wahr die Zeilen im Refrain: „The best of what wa have to give, music is you and music are we.

´Old Folk’s Home´ klingt genau danach. Wie daheim in einem alten Folksong, wie der Gospel in einem Gottesdienst in den Südstaaten. Wie Daheim. In eine dunkle verräucherte Bar entführt ´Easy For You´. Hier regiert sanfter Jazz mit zartem Gesang. Dazu kommt eine wunderbare Flöte. So kann der Hörer die Bar entspannt verlassen und sich gleich auf einem afrikanischen Dorfplatz wiederfinden. Ganz nahe von Graceland, der Song von PAUL SIMON ist wie der große Bruder von ´If´.

Und dann, alle sind still, alle sind müde vom Tanz, die Uhren ticken, so genießt man zuletzt den ´Long Holiday´. Das ist noch so ein Stück edler Pop für Genießer. Keines, dass man im Radio hören möchte, das wäre Perlen vor die Säue geworfen. Nein, dieses Lied will man ganz für sich. Dieses Lied ist so ein Juwel, wie es auch 10CC oder ELO selten gelang.

Noch während der Schlusstrack verklingt, staunt man, wie schnell die Zeit verging, wie kurz das Album ist. Alle Lieder sind unterschiedlich, ein weites Feld wird bewandert. Zusammen aber ergeben alle Klänge, alle Noten, alle Verse einen starken Spannungsbogen, von der Stille am Beginn bis zur Ruhe nach dem letzten Ton. Sie unterhalten und erfreuen. Sie machen Lust auf Urlaub. Man möchte die Orte erkunden, die hier musikalisch bereist wurden. Und schließlich im offenen Wagen in den Sonnenuntergang fahren. Keine Frage, dass der erwähnte STEVE POPE hier keine Chance hat.

Nein, ich mache keinen Witz mit hochgeistigen Getränken, ich denke, das machen 99% aller anderen Rezensenten…

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/JacquesDanielsProject