MeilensteineVergessene Juwelen

FATIMA HILL – Aion

~ 2002 (Worldchaos Production) – Stil: Progressive Metal ~


Hail to Japan – Part One.

Wahnsinn.
Selten hat mich eine viel zu spät zufällig entdeckte Combo so geflasht wie diese – ergebensten Dank an dieser Stelle an die goldene Stimme von PAYNE’S GRAY, Hagen Schmidt!
Die drei Alben dieser japanischen Band schweben – wie auch oben genannte Band – jedes für sich auf einer eigenen himmlischen Wolke der progmetallischen Glückseligkeit, so dass ich mich kaum entscheiden kann, welches ich euch zuerst ans Herz legen will. Bei drei Alben fackelt der Genießer auch nicht lange, sondern bestellt alle drei, zumal kein Vinyl zu irrsinnigen Preisen zu ersteigern ist und die Silberlinge über die bekannten Allessammlerquellen recht günstig zu erwerben sind.

Bei der aufregenden Reise durch diese exotischen Meilensteine trefft ihr auf Momente voller CRIMSON GLORY, PSYCHOTIC WALTZ, WARLORD, THRESHOLD oder ADRAMELCH – das alles getragen durch eine der außergewöhnlichsten Frauenstimmen aller Zeiten, die irgendwo zwischen Lizzy Borden (!), Damian Wilson (!!) und Vittorio Ballerio (!!!) liegt. Also auch die eher maskulin-mikrofonisch geneigt Klientel sollte hier ein Ohr riskieren.

 

 

Ich habe vorher noch nie eine japanische Band gehört, die trotz ihrer unüberhörbarer Liebe zum US Metal ihre unverkennbare Eigenheit und Identität so lebt wie FATIMA HILL.

Der erste Longplayer ´Valhalla´ überraschte 1997 bereits zu Beginn mit einem Song-Triple aus High-End-Riffing und feinstem US-Epik-Metal mit WARLORD-Anklängen plus dem einzigartigen 14-Minuten-Ultra-Proghammer ´The Sun Of Thorns´, den Mystikparts vom eine Minute „kürzeren“ Titelsong (´Valhalla – The Song For Beatrice – Part 2´) und der wiederum eine Minute „kürzeren“ (wir wären dann nach Adam Riese immer noch bei 12 Minuten) gefühlvollen Ballade ´Oriel Window´ inklusive ihrem Mega-Gitarrensolo, bei denen man das erste Mal eindeutig erkennen kann, dass hier eine unglaubliche Frau am Mikro agiert.

Das dritte und leider vorerst letzte 2009er Werk ´The Snow Tower´ führt die Reise neben dem Titelsong, ´Memento´ und ´Ghost´ als typischen Anfangskrachern einen weiteren Schritt in Richtung Prog(metal) – wie auch ADRAMELCH gegen Ende ihrer aktiven Zeit – mit teilweise avantgardistischem Ansatz (´Arabian Daughter Say´ & ´Down To Earth (Paradise Lost 8109) ), sphärischem Instrumental mit singender Gitarre (´Passing Bell Part II´), einer wunderschönen, grenzensprengenden Hymne namens ´The World´ bis hin zum zarten, muttersprachlichen, traditionell anmutenden Ausklang ´Aino-uta´, der besonders jetzt ein wenig festlichen Bombast zu Weinachten bringt.

 

 

Wobei alle drei Alben traumhaft weit vor dem Gros der gehobenen Garde rangieren.
Während ´Valhalla´ eher den US-Metaller und ´The Snow Tower´ vorwiegend den aufgeschlossenen (Metal-)Progger bedient, befindet sich ´Aion´ in der goldenen Mitte dazwischen und bietet im „ADRAMELCH-Jargon“ ausgedrückt alles von ´Irae Melanox´ bis zum ´Opus´, daher entscheide ich mich heute für diese.

Es ist mir unbegreiflich und schlichtweg eine Schande, dass ein Gitarrentalent wie Anjue Yamashiro meines Wissens nie wieder in Erscheinung getreten ist, ebenso wie diese Übersängerin Yuko Hirose, die wenigstens noch bei der internationalen AOR Undergroundlegende AIR PAVILION neben FOREIGNER -„neu“-Fronter Kelly Hansen mitwirkte. Die beiden werden perfekt ergänzt durch das stimmige Bassspiel von Hayato Asano, für die unaufdringlichen Keys zeichnet sich Takamichi Koeda verantwortlich.

 

 

Schon beim Opener ´Ares Dragon´ muss jeder Anhänger obiger Namen in ekstatische Verzückung verfallen. Im Uptempo erzählt ´Babel Dune´ Sagen in Memoriam ´Was Called Empire´. ´The Black Bat´ verzaubert den orientalischen Mystiker und fast folkigen Nymphengesang in schwerelosen Höhen versprüht ´Aeon´. Es folgt ein wahrhaftiges ´Ultimata´ von Emotion und metallischer Epik; ein gefühlvoller Prog-Hit-Ohrgasmus eruptiert mit ´Other´. Ein bleibendes ´Stigmata´ hinterlässt euch klassischster US-Epikmetal mit geflügeltem Walkürenchor und das Finale gipfelt im Longtrack ´The Song For Beatrice Part 3 (The Seven Songs)´.

 

 

Stille.
Fassungslosigkeit.
Eine Flut von Gedanken. Was passiert nun?
Begebe ich mich direkt nochmal nach ´Valhalla´? Schließe ich mich für alle Zeiten im ´Snow Tower´ ein? Oder drücke ich einfach erneut auf die Play-Taste und bleibe für alle Ewigkeit im göttlichen ´Aion´ gefangen?

Da seit 2010 kein Lebenszeichen von der Band zu vernehmen war, befürchte ich, dass eine neue Scheibe einer dieser unerfüllbaren Wünsche bleibt, die das Leben sehnsuchtsvoller machen.

Was soll ich noch sagen… wenn der Begriff „Klassiker“ jemals eine Bedeutung hatte, dann wiegt sich ´Aion´ (als auch die beiden anderen Werke) gerechtfertigt in der Schale unserer metallischen Underground-Justizia. Unverzichtbarer Nibelungenschatz.

Sollte jemand von euch mehr über den aktuellen Status der Band oder ihrer Mitglieder wissen: Bitte melde dich, bevor ich Julia Leischik einschalten muss…