MeilensteineVergessene Juwelen

ASIA – Asia

~ 1979 (ASI Records, USA) – Stil: Hardrock/Progressive Rock ~


Hier handelt es sich nicht um die britische Band, die drei Jahre später erst ihr gleichnamiges AOR-Debüt auf den Markt brachte und Musiker von YES, KING CRIMSON, den BUGGLES und ELP vereinte, sondern um eine zwar ebenfalls progressiv angehauchte, dennoch eher im regionalen Umfeld bekannt gewordene Hardrockband um den unlängst viel zu früh verstorbenen Gitarristen Mike Coates.

Möge er in Frieden ruhen, seine Musik, die nebenher noch die Gruppen WHITE WING (vorher) und SOLOMON CANE (später in den 80ern) umfasste, wird uns Wissende ewiglich begleiten. Aber sie soll auch Euch da draußen, die Ihr vielleicht noch nie von dieser Band gehört habt, begeistern, mitreißen und in Ekstase versetzen. Ein Review zu SOLOMON KANE und zur zweiten ASIA Platte ´Armed To The Teeth´ wird folgen.

Verspielt beginnt ´Asia´ mit dem Rocker ´Love May Be Gone´, der uns bedeutet, nicht zögerlich zu sein im Leben. Neben der eher frohen, dennoch aber stets intensiven und einprägsamen Melodieführung fällt einem der Hang zu allerlei Klassik im langen instrumentalen Teil auf, der von der Leadgitarre Coates‘ getragen wird. Der Refrain ist äußerst cool und packend, die Strophen rocken gesanglich, mit heller, prägnanter Stimme vorgetragen, die zuweilen an Klaus Meine von den SCORPIONS erinnern möchte, bis zum Hochrecken der Faust in die Luft. Rhythmisch groovt dieser Rocksong ausgezeichnet, das Schlagzeug tänzelt, wirbelt und wogt. Darüber spinnt die Gitarre herrliche Melodien, entfesselt viele dampfende Soli. Beide Gitarristen duellieren sich im weiteren Verlauf förmlich mit wilden Leads, während sogar der Bass, wenn er nicht gerade mit einzelnen Noten das Geschehen kommentiert, ganz eigene, schöne Läufe zaubert.

Wer mit einem solchen Song beginnt, der hat meines Erachtens schon gewonnen. ASIA sehe ich direkt auf der Grenzlinie zwischen den irischen Kultrockern THIN LIZZY, von deren härteren Songs die doppelläufigen Riffs und Harmonien inspiriert sein könnten und den epischen US Proggern KANSAS zu ihren besten Zeiten, die 1979 beinahe vorüber, AOR und große Charterfolge riefen, waren.

Eigentlich wurde das Album schon im Frühjahr 1978 aufgenommen, brauchte aber ein gutes Jahr bis zur Veröffentlichung. Tja, manchmal passieren eben Dinge. Entspannt geht es in die zweite Runde. ´A Better Man For Leavin´, ein Classic Rocker im getrageneren Tempo, halb balladesk, nachdenklich stimmend. Entspannt heißt aber nicht, dass hier seicht geschmust wird. Die Leadgitarren sprechen eine andere Sprache, der Refrain ist immerhin heavier mit doppelläufigen Leads und Harmonien. Im Anschluß an diesen eigentlichen Songpart gibt es hier nämlich einen mittelschnellen Soloteil, wo wiederum mehr doppelläufige Leads zu hören sind. Das scheint eine Spezialität der Band gewesen, der Song im bzw. nach dem Song. Unglaublich cool.

Ich weiß gar nicht, wann ich zuerst von der Truppe erfahren habe, aber es muss so um die 2001 gewesen sein. Die CD hab ich von meinem Spezi Sascha Glaeser aus Essen von „Yeah Records“. Wer in Essen weilt und auf gute Musik steht, unbedingt am Viehöfer Platz gegenüber vom „Nord“ reinschauen. Es handelt sich um eine Extra Long Playing CD mit beiden Alben von der Firma „The Wild Places“ aus dem Jahre 1995. Leider ist diese CD inzwischen selten und Michael Piper, der Labelchef bereits 2008 verstorben. And so is life…

Aber wir sollten uns nicht von trübsinnigen Gedanken unterkriegen lassen. Weiter geht es mit ´The Taming Of The Bull´, einem bombastischen, treibenden Rocker, bei dem das Mellotron herrliche Teppiche legt und die Leadgitarre fantastische Melodien ausspuckt. In der Strophe wird die rockende Zerre etwas rausgenommen und mit klarer E-Gitarre eine bezaubernde Linie gespielt, über der sich der Gesang erhebt. Auch hier wieder voller Anmut, Melancholie und Kraft. Ist das Prog? Oder ist das AOR? Anspruchsvoller, melodischer Hardrock, würde ich sagen. Episch bis zum Anschlag. Eine ruhige Passage voller Zauber schließt sich den Strophen an, so friedvoll und wunderschön. So ergreifend, dass einem die Tränen kommen wollen. Dann bricht der Song wieder aus, rockt majestätisch drauflos und fliegt fast schon auf dem Mellotronteppich vorwärts. Viele Rhythmus – und Passagenwechsel verstärken die epische Stimmung noch. Dabei sind alle Melodien, so verspielt das Stück auch sein mag, immer einprägsam und gewaltig.

´The Road Of Kings´ hat wieder einen nachdenklichen, entspannten Ausdruck, wobei das Schlagzeug schön verspielt den Hintergrundgroove bestreitet. Im wunderbaren Vorrefrain hört man ein Cembalo, der Refrain an sich hat was Beruhigendes, so wie die ganze Nummer sehr sanft, aber mit Tiefgang ist. Es geht wohl um ein Abschiednehmen in diesem Song, den Verlust einer Liebe und die  Erkenntnis, dass die Dinge eben laufen, wie sie laufen. Hat mich damals, 2001, nach einer Beziehungstrennung getröstet. Etwas kräftiger wird es im Mittelteil, wo der Song zwar seiner Linie folgt, aber mit mehr Dampf in den Gitarren. Es folgt noch ein Strophen- und Refrainteil und als Abschluss die schon den Song einleitende Gitarrenmelodie und dann das nächste Stück.

´Law Of The Land´, ein mittelschneller, aber wuchtig wogender Hardrocker mit viel Kraft und packenden Melodien. Die Leadgitarre jault gerne kurz über den Strophen auf. Instrumentale Brückenparts mit schönen Leitharmonien gibt es natürlich auch. Der Refrain ist kantig, packend und eindringlich, etwas flotter, führt aber wieder in den stampfenden, epischen Hardrock des Eingangsriffs. Zweite Strophe, der Nacken wird strapaziert. Das ist heavy. Das ist kultiger Hardrock! Eigenständig bis zum Anschlag, verspielt, detailverliebt, dabei immer mitreißend, eingängig und einprägsam. Gerade nach dem zweiten Refrain der Solopart mit vielen Slides und wilden, spacigen Momenten, orientalischen Melodien, Arpeggios und allem, was das Rockerherz begehrt, wird zu einem Hochgenuss für alle Fans von anspruchsvoller, kräftiger Rockmusik. Ein flippendes, tosendes Finale in bester Rock‘n‘Roll-Manier und gut ist es.

Das zweiteilige ´Requiem´ am Ende des Albums ist nochmal ein mystischer Kracher, an seinem Anfang mit den ergreifendsten Melodien, die man sich vorstellen kann. Man lässt sich fallen und schwebt in einem Gespinst aus Melodien, Schlagzeugfiguren, Beckenrascheln, gesummtem Gesang und einem urplötzlich einsetzenden Heavy Rock Riff, das dann die Marschrichtung weiter vorgibt. Wieder reißt man die Faust nach oben und droht dem imaginären Gegner. Wieder packt einen das markante, eindringliche Riffing und wiederum hängt man dem Sänger an den Lippen, wenn er seine Rockheldenmelodien ausspeiht. Das ist toll, das ist fantastisch. Geiler, wenn auch irgendwie typischer Hardrockrefrain, dann wieder eine ruhige Passage mit tiefer, traumhafter Atmosphäre. Aber wer wird denn einknicken? ASIA natürlich nicht, die rocken weiter. Solche Songs kann ich immer wieder hören. Sie sind dem Genre verpflichtet und doch haben sie ihre ganz eigene Seele. Und auch hier schließt sich ein neuer Part an, über dem schön soliert wird. Spannende Melodien statt einfach nur technokratischem Gefiedel, trotzdem von klassischem Gitarrenspiel inspiriert. Rhythmisch vertrackter, progressiv wie erst 10 Jahre später Bands wie DREAM THEATER. Die Leadgitarre explodiert förmlich, wenn nicht gerade diese verwirrend schrägen Progmomente dazwischenhauen. ASIA lassen nichts anbrennen. Und auf einmal ist alles aus…wow.

Dieses Album, welches einen in einem Rausch der Emotionen hinterlässt, ist übrigens gerade von den großartigen „Cult Rock Classics“ aus Griechenland in LP Form neu aufgelegt worden. Ich würde behaupten wollen, dass sich ein Erwerb, gleiches gilt für ´Armed To The Teeth´, den 1980er Zweitling, das Vorgängerwerk von WHITE WING und die SOLOMON KANE LP, definitiv lohnt.