PlattenkritikenPressfrisch

CYCLOPEAN WALLS – Enter The Dreamlands

~ 2021 (Steel Gallery Records) – Stil: Prog Metal ~


 

´Enter The Dreamlands´, betritt die Traumlandschaften des H. P. Lovecraft, in der Vertonung durch Yiannis Tziallas und CYCLOPEAN WALLS.

Seit zwei Jahren arbeitet der in Paris lebende Gitarrist Yiannis Tziallas auf diesen Moment hin. Unter dem Projektnamen CYCLOPEAN WALLS veröffentlicht er sein Debütalbum ´Enter The Dreamlands´.

Der Hellene begann das Projekt allein im stillen Kämmerlein und produzierte eine Vier-Song-EP namens ´Embrace The Mythos´, die er im Mai 2020 digital veröffentlichte. Das Komponieren der gesamten Musik als auch das Einspielen aller Instrumente lastete dabei auf seinen Schultern. Nur am Mikrofon sollte fortan der Brasilianer Raphael Gazal, der von Colorados Progstern LEVIATHAN bekannt ist, seinen Beitrag leisten. Auf zwei der Songs waren zudem die nicht minder berühmten Session-Schlagzeuger Sean Lang und Jonas Schütz zu hören.

Als Yiannis Tziallas einen Plattenvertrag von „Steel Gallery Records“ angeboten bekommt, setzt er alles daran, das Projekt in allen Bereichen auszubauen. Er fasst die bisherigen Kompositionen und weitere fünf nochmals an, um sie zu orchestrieren und einen Progressive Metal nach seinen Vorstellungen zu erschaffen, der in cineastischen Bahnen gleiten soll. Denn lyrisch wandelt er bereits auf den dunklen literarischen Fährten im Universum des H. P. Lovecraft. Dass sich schließlich noch weitere Künstler als Gäste einfinden und die Aufnahmen von Yiannis Tziallas und John McRIS im „Hell’s Kitchen Studio“ in Athen abgemischt und von Kostas Scandalis (HORIZON’S END, ex-WARDRUM) im „Infinity Studio“ in Thessaloniki gemastert werden, entspricht dem letzten fehlenden Puzzle-Stück vor der Vollendung.

Zur Einstimmung spielt in ´Polaris´ das Streichquartett „Esession Strings Quartet“ zum Wellenrauschen am Meeresstrand auf. Passend zur Lovecraft’schen Kurzgeschichte, in der der Erzähler einen Nordstern, ein unbewegliches und glühendes Licht am Himmel entdeckt, hören wir Kammerrock á la Yiannis Tziallas. Der neo-klassische Prog Metal von ´Dagon´ feuert im Anschluss heiße Salven ab, doch der Gesang von Raphael Gazal wandert in aller Gelassenheit über die letzten Zeilen eines Morphium abhängigen Mannes vor dessen Freitod. Immer, wenn sich die Instrumente beinahe überschlagen mögen, schmettert er in diesem ersten prog-metallischen Höhepunkt allerdings den Gesang heißblütig gen Himmel.

Yiannis Plastiras lässt auf Einladung von Yiannis Tziallas zur Freude aller Tunnelbewohner die Hammond B3 zum ´Festival´ dröhnen und Hugo Lee das Saxofon, da die Komposition mit dem Ein-Wort-Refrain der gleichnamigen Kurzgeschichte von Lovecraft werkgetreu an den Fluss innerhalb der Katakomben einer Kirche folgt. Einige feurige Gitarrenläufe jagen synchron mit den Streichern hinterher. Kongruent zum italienischen Prog Metal der Neunzigerjahre spielt ´The Rats In The Walls´ völlig aufgeschreckt auf. Die zum Kopf schütteln animierenden und äußerst kraftvollen Energieausbrüche ergeben sich jedoch nicht erst durch die solistischen Beiträge von Steelianos Amirides und Stelios Anatolitis an den Gitarren, derweil die Erzählung ein Anwesen umschreibt, das zwar von Ratten bevölkert, aber grausame Morde in einer langen Familientradition birgt.

Wie es der Lovecraft-Titel ´The Doom That Came To Sarnath´ vorgibt, muss sich eine von mehreren Grundstimmungen in dieser Komposition immer wieder im Doom entladen. Die Erzählung über die Leute von Sarnath, die die seltsamen Bewohner der Steinstadt Ib töteten, aber Jahrhunderte später vom Gott Bokrug gerächt werden, nimmt aber auch hardrockende, wendeltreppennehmende oder schnellere Passagen ein. Indes feuert noch das Instrumental ´The Church Of Starry Wisdom´ aus allen Rohren. Der sogenannte „Starry Wisdom Cult“ ist dabei aus dem „Jäger der Finsternis“ bekannt, geht allerdings in der Realität auf einen Archäologen und Okkultisten in Providence, Rhode Island, zurück.

Zwischen ruhigen Abschnitten darf ebenso in ´Celephais´ das Shredding-Können demonstriert werden, um in Lovecrafts Traumstadt, der Stadt der Kindheit zu versinken. ´The Dweller In Darkness´ beginnt hernach mit der Stimme von Andrea Krux und endet mit der Preisung von „Nyarlathotep“, der später in „The Dream Quest Of Unknown Kadath“ dem Protagonisten Randolph Carter gegenübersteht, während sich die Töne durch Prog Metal-Terrain schlängeln. Echtes Doom-Feeling bläst nochmals im Finale, bei der Vertonung des Gedichtes ´The Garden´ über das grüne Areal, in einer rabenschwarzen Nacht.

(8,5 Punkte)

Michael Haifl

 

 

 

 

Der Hinweis „For Fans of LEVIATHAN (US), PAYNE’S GRAY, SPIRAL ARCHITECT & CATHARSIS!“ wird sicherlich nicht als erfolgreiches Marketing durchgehen, lässt aber zumindest die harte Kernzielgruppe dieses Albums direkt aufhorchen. Diese Bands kamen mir bei den drei vorab bereits veröffentlichten Songs allerdings gar nicht in den Sinn, abgesehen davon, dass ´Enter The Dreamlands´ von Raphael Gazal eingesungen wurde, der seit zwei Alben eben bei den Ami-Progstern LEVIATHAN zugange ist.

Doch in der Gänze kam man jedenfalls insbesondere bei verschiedenen Zwischenspielen, den tiefergehenden Stimmungen und den H.P. Lovecraft beeinflussten Texten klare Parallelen zu PAYNE’S GRAY ziehen, einer deutschen 90er Kult Prog Band, die einige von euch zumindest damals im Vorprogramm von PSYCHOTIC WALTZ gesehen haben dürften und die wir vor einigen Jahren in einem umfangreichen gelbseitigen Special gefeatured hatten (siehe hier).

Bandinitiator, Komponist und Gitarrist (wie Bassist) Yiannis Tziallas zählt die Karlsruher auch offen zu seinen Einflüssen, hat aber in der Gesamtheit mit den Mitstreitern wie Session Drummer Jonas Schultz natürlich ein eigenes Album kreiert, dass viele weitere Elemente beinhaltet und insbesondere in den doomigen wie metallischen Passagen ganz andere Territorien erobert. Es handelt sich hier schlicht und einfach um das beste traditionell geprägte Prog Metal Album der letzten 10 Jahre, so viel sei schon mal vorweg geschickt.

Die Kompositionen haben eine unfassbare Güte, lösen sich völlig von gängigen Refrainschemata und leben abgesehen von der stimmigen Albumgesamtheit von ihren ständigen noch weit unfassbareren Steigungen und Steigerungen und sind in Kombination mit den durchgängig unfassbarsten Gesanglinien eines, nämlich Unfassbarissimo!

Nach dem katzenhymnischen, mit Streichern unterlegten Intro ´Polaris´ ist ´Dagon´ zunächst eine (prog)-metallische Vollbedienung. Jede einzelne Zeile ist hier quasi die Steigerung zur vorherigen und ergeilt sich zudem jeweils an ihrer eigenen Endung. Hier türmt sich die erste gigantische Mauer auf, die bis in Ewigkeiten bestehen bleiben wird.

´Festival´ ist sogleich der progressivste Track des Album, der dem straighten Metal Hörer, der hier gesamtheitlich auch auf seine Kosten kommt, vermutlich schon so drei Fragezeichen mitgibt, nicht nur wegen seiner jazzigen teilweise mit Saxophon unterlegten Parts. Insgesamt hat der Song unheimlich viele Wendungen, die sich nach akzeptabler Zahl von Durchgängen in absolutes Wohlgefallen auflösen. Hier zeigt sich die enorme Genialität, der Ideenreichtum vollends und da das ´Festival´ einige Editionen bekommt, trotzdem doch eine Greifbarkeit.

Die in den Mauern lauernden Ratten sind dann zunächst schnell, flink, quietschfidel, haben über Generationen ihre klassische Ausbildung genossen und bringen uns eine erneute Vollbedienung. Wir schließen einen Pakt mit ihnen und tanzen nach 2,5 Minuten zusammen gar eine italometallische GAMMAWEEN RHAPSODY um uns erst eine Minute später zu beruhigen.

´Sarnath´, die „Great City“, die in der Anfangsphase von VENI DOMINEs Doom und auch später atmosphärisch (Kirchenchöre) heimgesucht wird und der wir bei der „Pilgrimage ins Dreamland“ singend, streng dem ATLANTEANschen KODEX folgend einen Besuch abstatten, tauft sich das nächste Juwel. Der Song hat gerade erst begonnen und wir knien schon gebeugt auf dem Parkett. Da erahnen wir noch gar nichts von den zahlreichen folgenden (Tempo)-Steigerungen und Wendungen, die den Track in die Kategorie Übersong hieven.

´The Church Of Starry Wisdom´ ist dann ein Instrumental, was insbesondere auch wieder die PAYNE’S Gray Einflüsse zeigt, gleichzeitig aber auch melodisch überbordend ist.

Wer mittlerweile glaubt, eine nicht zu übertreffende Großartigkeit sei schon erreicht, unterschätzt dieses Wunderwerk immer noch. Die letzten drei Songs ziehen nochmals alle Register.

´Celephais´ ist dabei sogar das Lied, das sich wie die Besteigung eines 8000er ohne Anstrengung anfühlt. Sogar eher ruhig gehalten, wandeln wir hier von einer Steig(er)ung zur Nächsten. Die ganz markanten Marken von denen sich völlig neue Ausblicke ergeben, sind hier bspw. 1:37 und nach einer kleinen nicht mehr so steilen Passage, 3:13. Wir meinen hier vermeintlich schon den Gipfel erblicken zu können, befinden uns aber noch auf einer vorgelagerten Hochebene, die wir bei 4:00 verlassen um zum endgültigen Gipfelsturm anzusetzen. Eine weitere Minute genießen wir die wunderschönen wie lieblichen Zacken des gesamten progmetallischen Universums.

Eingeflochten in orientalische Flötentöne ist ´The Dweller In Darkness´ nebst instrumentaler Genialität ein strophentechnisches Wunderwerk, bei dem wir nach 3:47 gar in eine von einem ETHEREALen ARCHITECTen erbaute Wunderwelt eintreten. Der CANDLEMASSig beginnende ´Garden´ ist dann der wiederum eher ruhige, würdige, emotional völlig übergriffig werdende Abschluss eines unverzichtbaren Jahrhundertwerkes.

Lasst die kommende neue DREAM THEATER erst mal links liegen oder legt sie auf den Stapel, die wahre Prog Metal Kunst wird hier geboten. Ein Album für die Ewigkeit, tatsächlich das beste Album seit ETHEREAL ARCHITECTs ´Monolith´en aus 2012. Ich möchte dieses traumhafte Schlaraffenland am liebsten nie wieder verlassen und mich auf ewig hinter den hohen aufgetürmten Mauern verstecken.

(10 Punkte)

Markus Gps

 

 

https://www.facebook.com/CyclopeanWalls