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WORMWOOD – Arkivet

~ 2021 (Black Lodge Records) – Stil: Melodic Black Metal ~


Melodischem Black Metal eilt gelegentlich der Ruf voraus, gefällig, massentauglich oder sogar seicht zu sein. All das sind Dinge, die man WORMWOOD nun wirklich nicht vorwerfen kann, denn dafür sind sie musikalisch viel zu progressiv und inhaltlich zu anspruchsvoll. Statt einfache Themen wie feurige Dämonen und eisige Wälder zu behandeln, haben sich die Schweden schon bei ihrem Zweitling ´Nattarvet´ dem Rückblick auf das vergessene, grausame Schicksal der Landbevölkerung früherer Jahrhunderte angenommen, die Missernten, Hungersnöte, bittere Armut und vielerlei weiteres Elend ertragen mussten. Harte Zeiten, für die sie schwermütige, stark folkloristisch eingefärbte Lieder voller Trauer und Bitterkeit fanden, die daran erinnerten, wie sich unser aller Vorfahren ihr täglich Brot mit schwerer Arbeit verdienen mussten und nichts geschenkt bekamen. Diese Geschichten gingen auch dem wohlstandsverweichlichten Hörer unter die Haut, der sich heute jederzeit in unserer grotesk ausbeuterischen Kapitalismusgesellschaft an tatsächlich allem bedienen kann, was diese Erde hervorbringt. Doch wie lange noch?

 

 

Nicht mehr allzu lang, wenn es nach WORMWOOD geht. Denn diesmal schauen die Schweden auf die Gegenwart und nahe Zukunft, und ihr Blick ist keineswegs gnädiger oder milder geworden, vielmehr zeichnen sie das Bild einer menschgemachten Apokalypse, dem Ende aller Zeiten durch die menschliche Unfähigkeit, die Schöpfung zu bewahren. Entsprechend sind Ton und Sprache deutlich kälter geworden, und haben an Resignation und Bitterkeit hinzugewonnen, ohne die durch die klagenden Gitarren- und Choruslinien typisch schwedische Sehnsucht und Melancholie (´The Archive´, ´My Northern Heart´, das mit Maultrommel und Fiedel auch kurz die Folklore zurückbringt) zu verlieren. Kontrastiert werden diese durch Nines teils geradezu angeekelt ausgespuckten harschen Gesangslinien, die die Lyrics trotzdem stets verständlich halten. Wermut („Wormwood“) schmeckt nun eben bitter…

Das wichtige dritte Album zeigt eine Band, die nochmals gereift ist, und ihre Stilmittel zum einen erweitert hat, zum anderen stets songdienlich so bündelt, dass der rote Faden, der diesem Konzeptalbum zugrunde liegt, niemals verloren geht, es durch vielfältiges Spiel mit Stimmungen und Rhythmen aber auch nie langweilig wird. Nachdenkliche, mehr innerliche Teile wechseln mit anklagenden Ausbrüchen ab (´End Of Message´, ´Ensamheiten´ – die Muttersprache verleiht nochmal zusätzliche Intensität) und betonen die Dringlichkeit, das Steuer noch herumzureissen. Hier geht es im Gegensatz zu früher deutlich in Richtung kühlem, zurückgenommenem Post Rock, was eine Zerrissenheit spüren lässt zwischen der letzten Hoffnung und der absoluten Verzweiflung (´The Slow Drown´, ´The Gentle Touch Of Humanity´). Die Gitarren wechseln geschickt zwischen beiden Extremen und lassen den Hörer selbst diese widerstreitende Gefühle durchleben, schaffen jedoch das Kunststück, dies stets für den Song stimmig aufzulösen.

Im Gegensatz zur stetigen Steigerung, die dem Vorgänger ´Nattarvet´ zugrundelag, ist ´Archive´ ein deutlich geschlosseneres Album geworden, bietet jedoch auch diesmal mit dem überlangen Schlusssong und den dort eingespielten katastrophalen Nachrichtensamples ein eindrückliches, diesmal jedoch deutlich bedrückenderes Ende. WORMWOOD bestätigen wiederum ihre Ausnahmestellung in einem Genre, dessen Korsett ihnen schon immer zu eng war. Ihr weiterer Weg bleibt spannend – auch wenn sie selbst kryptisch enden mit „This is our last transmission to a world we never really knew“.

(8 Punkte)

 

Das Video wurde von YouTube wegen explizitem Bildmaterial mit einer Altersbeschränkung versehen, es lohnt sich jedoch gerade deswegen…

https://wormwood-official.bandcamp.com

https://www.facebook.com/WormwoodSWE/