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MANILLA ROAD – The Circus Maximus Ultimate Edition

~ 1992/2021 (Golden Core) – Stil: Heavy Metal ~


Es dürfte ja mittlerweile kaum jemanden geben, der noch nie den Namen MANILLA ROAD gehört hat. Auch die Geschichte der Band aus Wichita in Kansas dürfte zumindest ansatzweise bekannt sein. Vor allem das dramatische Ende mit dem Tod des Gründers und Bandkopfs Mark Shelton. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als MANILLA ROAD endlich wieder auf dem Weg nach oben waren.

Auch wenn ich kein Fan war, dieses Ereignis hat auch mich getroffen. Nur ein paar Tage später habe ich dann in Mannheim (bei einem Konzert von NIGHT DEMON) die anderen Mitglieder der Band getroffen und erstmals mich mit Neudi unterhalten. Ja, der Neudi, das Szeneurgestein, der Fan, der Bands am Leben erhält. Neudi, der Genie und Wahnsinn in sich verbindet. Er hat der letzten Besetzung angehört und als Labelmensch sorgt er aktuell dafür, dass die Alben von MANILLA ROAD noch einmal eine ordentliche Veröffentlichung erhalten.

Tatsächlich ist ´Circus Maximus´ das einzige Album von MANILLA ROAD in meiner Sammlung. Vor ein paar Jahren habe ich diese CD auf einem Flohmarkt für schmales Geld erworben. Aber wie es so ist, wenn man auf einem Flohmarkt einkauft. Da erlegt man so viel, da landet einiges einmal gehört im Regal und man beschäftigt sich zu wenig damit. So war es auch hier. Doch im Zuge der Wiederveröffentlichung habe ich mir den Großen Zirkus nochmals vorgenommen.

Das ist vielleicht sogar ein Vorteil. (Denn wie sagte schon Professor Schnauz: „Wat is n Dampfmaschin´? Da stelle ma uns mal janz dumm, und sagen, en Dampfmaschin´ dat is ne große, runde, schwarze Raum…“ – Anm. d. Red.) Ein Fan hat sein Urteil, das steht seit langer Zeit. Er findet hier den Höhepunkt in der Diskographie. Oder er findet den absoluten Stinker. Um ein erstes Urteil vorweg zu nehmen, letzteres vermag ich mir kaum vorzustellen. Dabei ärgere ich mich auch. Ich kann nicht verstehen, dieses Stück Musik so wenig beachtet zu haben, nicht, wenn ich den Zirkus heute mit offenen und bereiten Ohren besuche.

Denn, beim bewußten Hören von ´The Circus Maximus´ bin ich erst einmal überrascht. Nach allem, was in den letzten 20-30 Jahren über MANILLA ROAD zu lesen war, habe ich hier so richtig kauzigen Stoff erwartet. Aber, statt nur für Die Hard-Fans geeigneten Heavy Metal gibt es eher melodischen Stoff, der sogar ziemlich massenkompatibel erscheint. Statt Gesang, an den man sich erst einmal gewöhnen muß, bekomme ich edle Stimmen im Überfluß. Statt Musik zum konzentrierten Zuhören, ist ´The Circus Maximus´ voll von suchterzeugenden Songs.

Ja, man hört, es sind drei Songwriter am Werk gewesen. Drei Songwriter mit drei ganz verschiedenen Einflüssen und Charakteren bringen drei Sänger mit, die die Zirkushymnen veredeln. Trotz der drei verschiedenen Typen, das Endergebnis klingt nicht nach Stückwerk. Das Endergebnis ist gleichzeitig mit vielschichtig und mit homogen zu beschreiben. Und in jedem Falle mit lohnenswert.

Der epische Banger ´Throne Of Blood´ eröffnet den Silberling. Und er klingt wie ein Relikt aus den 80ern. Rundherum waren 1991 viele schon auf dem Grunge-Trip. Mark Shelton hat hier schon mal bewiesen, diesen Weg geht er nicht. Sehr fein sind die Chöre zum Refrain und der Basslauf während des Gitarrensolos. Aber das war noch kein Hinweis, was noch folgen soll. Mit fast acht Minuten folgt ´Lux Aeterna´. Ein balladesker Beginn, eine gefühlvolle Strophe. Ich bin mir nicht sicher, wer hier Pate stand. Man könnte FATES WARNINGs ´Parallels´ heraushören. Aber auch auf die Geige der Kollegen, die sich nach ihrer Heimat benannten, darf man warten. Leider umsonst, allerdings schafft es Mark Shelton an den sechs Saiten, ähnliche Stimmungen zu erzeugen.

Aus der gemeinsamen Küche von KING DIAMOND und ALICE COOPER könnte das schaurig-schöne ´Spiders´ entstammen. So jagt ein Höhepunkt den nächsten. Der 80s Chorus in ´No Sign From Above´ etwa oder das doomige ´In Gein We Trust´. ´Forbidden Zone´ hat einen leichten Prog-Einschlag, gekrönt mit einen Basssolo, der Abschluss ´She’s Fading´ wildert noch einmal in KANSASschen Gefilden.

Ja, ich gebe zu, man kann ´The Circus Maximus´ sicher nicht mit einem ´Crystal Logic´ vergleichen. Der klassische Fan von MANILLA ROAD war wahrscheinlich entweder geschockt oder hingerissen. Er konnte nur lieben oder hassen. Ich gehöre nicht zu den Fans der Truppe aus Kansas, kann dem Zirkus aber eine ganze Menge abgewinnen. Vielleicht auch im Vorteil, weil ich eben nicht in irgendeiner Weise mich vorbelastet nennen kann.

Zu guter Letzt, mit der Wiederveröffentlichung gibt es ein neues Cover. Allerdings steht für mich fest, das Bild auf den früheren Releases gefällt mir wesentlich besser. Dafür wurden Wendecover erfunden, gut, dass „Golden Core“ diese Möglichkeit eingeräumt hat. Noch besser, und das macht dieses Teil ultimativ, zur CD kommt noch eine DVD. Diese lässt den Zuschauer einen Auftritt der ´Circus Maximus´-Besetzung im November 1991 in Wichita miterleben. Selbst jemand wie ich, der Livevideos ungern schaut, darf sich davon fesseln lassen. Also noch ein Grund, sich diese Version zu beschaffen.

(9 Punkte)