PlattenkritikenPressfrisch

MESSIAXX – Messiaxx

~ 2020 (Cult Metal Classics) – Stil: Heavy/Power/Speed Metal ~


Ja, die Songs haben alle bereits mehr oder weniger rund 30 Jahre auf dem Buckel und ja, es gab bereits vor über zwei Jahren eine Zusammenstellung auf CD. Aber ich vermute, nein, ich weiß, dass es unter den Lesern von Streetclip Leute wie mich gibt, die sich jedes Mal erneut wie ein kleines Kind freuen, wenn irgendein Label, wie in letzter Zeit z.B. die Portugiesen von „Lost Realm Records“, oder wie in diesem Fall mal wieder die Griechen von „Cult Metal Classics Records“, eine Band ausbuddeln, von der bisher nur ganz tief im Underground verwurzelte Nerds etwas gehört haben. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass diese Werke natürlich nicht unter den heutigen Produktionsstandards aufgenommen worden sind und dementsprechend klangliche Defizite aufweisen. Aber hey, hört man sich manche der heutigen Neuerscheinungen mit ihrem kalten und sterilen Sound an, der an den breiten Massengeschmack angepasst worden ist, dann empfinde ich das in den seltensten Fällen als Nachteil. Aber diese Meinung wird wohl nur eine ganz kleine Minderheit mit mir teilen.

Angesichts der Tatsache, dass diese Zusammenstellung erst im Juni des laufenden Jahres erstmals auf Vinyl gepresst worden ist, kann man das „Pressfrisch“ durchaus gelten lassen, zumal ein großer Teil der oben angesprochenen Nerds eingefleischte Vinylsammler sind und hiermit erstmalig Stücke von MESSIAXX auf Vinyl gepresst wurden. Hinzu kommt, dass mit Eric Gibson (Gitarre und Gesang) und Gary Muchmore (Gesang) bereits zwei Mitglieder 2015 bzw. 2016 verstorben sind und es sich somit bei diesen Aufnahmen um historische Tondokumente handelt, die in dieser Form nie wieder von der Bühne ins Auditorium schallen werden.

Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass es 2017 eine Reunion gegeben hat, die augenscheinlich nach wie vor Bestand hat. Immerhin mit zweieinhalb Gründungsmitgliedern von denen Schlagzeuger Lee Gibson und Gitarrist Jerry Outlaw von Anfang an dabei waren und der ebenfalls die Gitarre spielende George Clarkson bereits seit 1989 die Saiten zupft. Wer weiß, vielleicht werden wir ja nach über 33 Jahren doch noch mit einem Debütalbum von MESSIAXX beglückt. In den heutigen verrückten Zeiten ist ja alles möglich. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Gibson, Outlaw und der ebenfalls bei MESSIAXX aktive Kyle Sokol nun auch an der Reunion der aus dem gleichen Ort stammenden BLACKKOUT beteiligt sind, von deren Gründungsformation allerdings nur noch Richard W. Elliott IV übrig geblieben ist. Ihre einzige 1989 erschienene ´Ignorance Of A Man´ war durch die zwischenzeitliche Veröffentlichung auf CD und DoLP („Arkeyn Steel Records“ 2010 bzw. „Vinyl Got Soul Records“ 2014) nochmal zu späten Ehren gekommen. Ein Review zu dieser Scheibe kann hier nachgelesen werden.

Nun aber zurück auf Anfang!

Der Anfang von allem war die Band NOIZ, die nach eigenem Bekunden eine Art düsteren Power Metal spielten und in der bereits alle vier Instrumentalisten aktiv waren. Nach Hinzunahme des Sängers Gary Muchmore wurde NOIZ dann unter dem Namen MESSIAXX weitergeführt. Dies geschah im Jahr 1987 in St. Petersburg, einer an der Tampa Bay gelegenen Stadt in Florida, die, wie der Name der Bucht nahelegt, unweit der Stadt Tampa gelegen ist. Eingefleischten Death Metal-Fans dürfte Tampa als Heimatstadt solch prominenter Bands aus diesem Genre wie MORBID ANGEL, DEICIDE, OBITUARY (eigentlich aus Gibsonton, einer Stadt vor den Toren von Tampa), oder NOCTURNUS bekannt sein. Allerdings waren MESSIAXX, worüber ich mich persönlich sehr freue, dem Heavy/Power/Speed und Thrash Metal zugetan und lagen somit in musikalischer Nachbarschaft mit den ebenfalls in Tampa residierenden ICED EARTH, SAVATAGE sowie SIREN und NASTY SAVAGE wobei die letzten beiden Bands um genau zu sein aus Brandon, ebenfalls einer Stadt in direkter Nachbarschaft von Tampa, stammen.

Es gibt einen Grund dafür, dass ich soeben etwas ausführlicher auf die Szene in Tampa eingegangen bin, obwohl MESSIAXX gar nicht von dort stammen. Das einzige zu Lebzeiten veröffentlichte Tondokument von MESSIAXX findet sich nämlich in Form des Stückes ´Island Of The Enchantress´ auf dem Sampler ´Tampa Bay’s Metal Mercenaries: The Invasion´ von 1988 wieder. Auf dieser Zusammenstellung sind unter anderem auch Stücke von OBLIVION, BLACKKOUT, SIREN und ICED EARTH für die Nachwelt auf Kassette verewigt worden. Produziert wurde dieser Sampler übrigens von Keith Collins, Gründungsmitglied und bis zu deren zweiter Scheibe ´Power Of The Night´ Bassist bei SAVATAGE.

 

 

Laut Aussage von Lee mischte Keith zusammen mit Jon Oliva einige der Stücke auf ihrem ersten Demo ab, welches sie um 1987 aufnahmen und auf welchem bereits ´Island Of The Enchantress´ enthalten war. Auf diesem ersten Demo befanden sich ebenfalls Aufnahmen von ´(End Of The) Rainbow´, ´Raven´, ´You’re On My Mind´, ´Kings And Queens´ und ´Reign Of Steel´. Leider bekam das Demo, mit Ausnahme des Beitrages für den Sampler, nie den letzten Schliff für eine ordentliche Veröffentlichung und verschwand, ohne auch nur ein Exemplar davon verkauft zu haben, in den Archiven des Vergessens. Insgesamt gab es wohl knapp über 20 von MESSIAXX komponierte Stücke, die auch regelmäßig auf der Bühne dargeboten wurden, bis die Band um 1988 anfing zu zerbröckeln. Als erster verließ Bassist Brad Davis die Band und Gitarrist Jerry Outlaw sowie Schlagzeuger Lee Gibson folgten kurz darauf dem Ruf von BLACKKOUT, die damals bereits eine bekannte lokale Größe waren. Und das war dann auch das Ende der klassischen MESSIAXX. Dennoch hielt die Band mit neu angeworbenen Musikern bis 1992 durch, bevor sie endgültig in der Versenkung verschwand.

Das erste Stück ´Rainbow´ beginnt, für ein im Studio aufgenommenes Stück durchaus ungewöhnlich, mit einem etwas längeren Drumsolo. Das Schlagzeug wird aber alsbald von einem Gitarrenriff abgelöst, welches mich spontan an ´Barracuda´ von HEART erinnert. Das Schlagzeug behält während des ganzen Stückes seine Dynamik bei, wird aber im Folgenden durch eine superbe nicht minder dynamische und abwechslungsreiche Performance der beiden Gitarristen Eric Gibson und Jerry Outlaw unterstützt, den ´Messiahs Of Axes´. Ein Ehrentitel, auf den sich auch der Bandname zurückführen lässt. Ich hatte mich eigentlich auf klassischen US Metal eingestellt, aber nicht nur die Melodieführung, sondern auch die angenehme, leicht angeraute und in einer mittleren Tonlage agierende Stimme von Gary Muchmore lässt bei mir stärkere Assoziationen zum NWoBHM aufgekommen, nur etwas progressiver. Ganz anders sieht es beim nächsten Stück ´Island Of Enchantress´ aus, welches düster, sogar mit Glockenklängen unterlegt, beginnt, aber sogleich enorm Fahrt aufnimmt und sich zu einem richtigen Speedmonster entwickelt. Das dieses Stück dominierende Gitarrenriff ist eine Mischung aus denen von SLAYERs ´Angel Of Death´ und FLOTSAM & JETSAMs ´Der Führer´. Auch die Stimme wird bei diesem Stück stellenweise etwas höher gezogen als beim Opener. Ganz schön kontrastreich meint ihr? In der Tat, aber ich stehe total auf sowas und die Band hat mich gleich nach den ersten beiden Songs für sich eingenommen. Auch ´Kings And Queen´ beginnt zunächst doomig schleppend, bevor es dann wieder ordentlich zur Sache geht. Gary zeigt, dass auch er seine Stimme US Metal-mäßig hochziehen kann und seine Mitmusiker, dass sie sich in Gang-Shouts verstehen. Nachdem auch der Bass gebührend auf sich aufmerksam gemacht hat und Gary einen dreckigen Lacher an den Mann bringt, wird der Song dann endgültigen von flitzeflink agierenden Gitarren übernommen. Wiederum ein Highlight.

Bei ´You´re On My Mind´ wird es dann…nun ja…etwas flacher. Es fehlt wenig und auch die MOODY BLUES hätten dieses Stück bringen können. Ein Mid-Tempo-Stück, welches das Niveau der vorangegangenen Stücke in meinen Ohren nicht hält, aber auch nicht wirklich schlecht ist. Das die A-Seite abschließende Instrumentalstück ´Reign Of Steel´ gibt dann aber wieder richtig Gas und brilliert durch treibende Riffs und präzise Gitarrenarbeit.

Die B-Seite soll eigentlich laut Songliste auf dem Cover mit ´Final Hour´ starten und mit dem gleichen Stück, allerdings um einen ´Nightmare´ betitelten Teil erweitert, abschließen. Die beiden Songs sind aber offensichtlich bei der Pressung vertauscht worden. Macht nichts, denn der in seiner erweiterten Version mit Tönen einer Akustikgitarre beginnende Song entwickelt sich zunächst zu einem melodischen Mid-Tempo-Stück, das nach und nach Fahrt aufnimmt und in welchem die superb agierende Rhythmussektion der Gitarrenarbeit in nichts nachsteht. Eine wahrlich formidable und überaus abwechslungsreiche Komposition. Allerdings lässt die im Vergleich zum nachfolgenden ´Raven´, welches vermeintlich ein Stück vom Demo ist, bessere Tonqualität auf einen späteren Aufnahmezeitpunkt schließen. Da (theoretisch) ´Final Hour´ zwischen zwei Stücken liegt, die Jerry in einem Interview (s.u.) dem Demo zuordnet, vermute ich, und der Sound der Aufnahme lässt ebenfalls darauf schließen, dass auch dieser Song Teil des Demos war. Alles natürlich nur eine wilde Spekulation meinerseits, die nur zu beweisen wäre, wenn man, und „Cult Metal Classics“ sind vermutlich dazu in der Lage, das Originalband in Händen halten würde.

Das bereits angesprochene ´Raven´ starten danach mit einem rasanten ´Orafice #2´ betitelten Gitarrenintro und erweist sich als ordentlich treibende Speednummer. Und ab hier beginnen meiner Ansicht nach die Bonusstücke (immer die beiden verwechselten Songs im Hinterkopf behalten). Über die Herkunft dieser Songs liegen mir aber leider keinerlei Quellen vor, die Auskunft darüber geben könnten. Bei ´All I Ever Needed´ handelt es sich, wer hätte es gedacht, um eine radiotaugliche Halb- oder in diesem Fall sogar eher Powerballade, was sich schlimmer anhört, als es in Wirklichkeit ist. Auch bei ´Hate´ ist der Name Programm und das Stück, das mit Soundsamples unterlegt ist, geht deutlich aggressiver mit dominanten Riffs und treibender Gitarrenarbeit zur Sache. Die tiefer und rauer als üblich klingende Stimme lässt vermuten, dass hier Buddy Zappa (wie auch vermutlich bei der erweiterten Version von ´Final Hour´) am Mikro gestanden hat und das Stück nach 1989 entstanden ist. Abschließend gibt es dann noch die mutmaßlich originale Demoversion von ´Final Hour´, die durchaus Vergleiche mit frühen SHOK PARIS zulässt.

Und das wars.

Eine Bewertung erspare ich mir an dieser Stelle. Wer nur mit druckvoll und perfekt produzierten Scheiben etwas anfangen kann, der sollte die Finger hiervon lassen. Wer aber bereits einige Outputs der zu Beginn dieses Artikels angesprochenen Labels sein eigen nennt und wie ich ein diebisches Vergnügen daran findet, diesen musikalischen Archäologen auf ihren düsteren Wegen in längst versunkene Musikwelten zu folgen, der sollte unbedingt in diese Zusammenstellung reinhören.

Das Teil existiert in einer bereits im April 2018 erschienenen und auf 500 Exemplare limitierten CD-Version und nun auch in einer auf 300 Stück, davon 150 in schwarz und 150 in schwarz-weißem Splatter, limitierten Vinyl-Version. Zumindest die Vinyl-Version beinhaltet ein Booklet mit Bandfotos, Danksagungen, Songtexten und einem ausführlichen Interview, welches Lauren Ramadier für die 19. Ausgabe seines Magazins „Snakepit“  mit Brad Davis, Jerry Outlaw und Lee Gibson geführt hat. Ich vermute aber, dass der CD-Version ein identisches Booklet beigelegt worden ist.

Die CD-Version enthält mit ´Air Assault´ und ´Tribal Extinction´ übrigens zwei Stücke mehr als die Schallplatte. Für diese zwei Stücke hätte man meiner Meinung nach noch eine Single spendieren können, was man in vergleichbaren Fällen ja anderorts bereits mehrfach getan hat. Nerds wie ich hätten dafür auch ein paar Euro mehr gezahlt. Aber das ist ein Ärgernis, über das ich mich in meinem hohen Alter nicht mehr aufregen sollte.

 

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