Redebedarf

ALBEZ DUZ

~ Interview mit Alfonso und Eugen zu,
sowie Track by Track-Review von
´Enigmatic Rites´ ~


In meiner „Kritik“ zu ´Enigmatic Rites´, dem neuen ALBEZ DUZ-Langdreher, habe ich mich nicht lange aufgehalten, sondern bin direkt zum Punkt gekommen: „Unumgängliche Halbjahrsempfehlung, 9 Punkte“!
Nun ja – wer mich kennt, weiss, dass ich normalerweise nicht derartig mit der Tür ins Haus falle, sondern mein Urteil ausführlich und gewissenhaft abwäge. Doch wenn mich eine Platte so dermassen packt, gibt’s einfach nicht viel mehr zu sagen. Grosses Halbjahrs-Highlight. Punkt.

Ach so, ihr kennt die Band noch gar nicht? Puuhhh, das ist natürlich bitter. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Nun denn, dann muss ich wohl doch etwas weiter ausholen…

 

ALBEZ DUZ wurden 2006 in Berlin von Drummer und Mastermind Eugen Herbst aka Impurus und damals noch bei den Black Metallern DIES ATER tätig, als Doom-Nebenprojekt gegründet; mit dem Mexikaner Alfonso Brito Lopez kam 2014 der perfekt passende Sänger dazu, und seitdem hat sich die Band kontinuierlich personell erweitert, zwei nicht nur für Okkult Doom-Fans höchst empfehlenswerte Platten aufgenommen und ist im Auftrage der Düsternis (bzw. des Lichts…) getourt, bis sie sich mit der aktuellen Quartettbesetzung zu Beginn diesen Jahres an die neue Scheibe gemacht hat.

Da ich das Glück hatte, die Berliner bei ihrem ersten Auftritt in diesem Jahr zu erleben (zum Livebericht von Stuttgart geht`s hier), und Eugen und Alfonso anschliessend zur ihrer vierten Scheibe und vielem anderen mehr zu befragen, lest ihr im Folgenden nun einen Mix aus dem Gespräch mit den beiden mal mehr und mal weniger auskunftsfreudigen Gesellen (da kann auch schon mal ne Frage rundheraus abgelehnt werden…) und meinen persönlichen Gedanken zu den einzelnen Songs der Platte. Sozusagen „Einmal ALBEZ DUZ mit Allem!“…

Mal was anderes – ich hoffe, es mundet!

 

Track by Track-Review von ´Enigmatic Rites´

Alfonso schreibt sämtliche Lyrics bei DUZ, und hat durch die Modulation seines extrem grossen Stimmumfangs starken Einfluss auf die Stimmung der Songs. An dieser Stimme scheiden sich jedoch auch die Geister, die einen finden sie zu opernhaft, die anderen – wie ich – lieben ihre Vielfältigkeit. Beim Einsteiger ´Rites Of Hidden Souls´ kann er schon einiges von seinen Möglichkeiten ausspielen, das betrifft alle anderen Akteure jedoch genauso. Es ist ein straight rockendes Ausrufezeichen, das die neu zusammengesetzte Mannschaft hier setzt, und was auch den nicht so besonders Doom-affinen Metaller und Hardrocker ansprechen wird. Daher ist der Song auch meine Anspielempfehlung für alle Neulinge! Auch wenn die Plattenfirma es immer noch als „Occult Doom“ bezeichnet, ich würde sagen, auf dieser Platte spielen ein paar echte Rock – und Metalfreaks Doom. Was jedoch keineswegs heisst, dass die typischen ALBEZ DUZ-Trademarks weggefallen wären…doch dazu dann mehr beim nächsten Song!

 


Interview mit  Eugen (Schlagzeug) und Alfonso (Gesang/Gitarre) von ALBEZ DUZ

 

´Rites Of Hidden Souls´, der erste Song schliesst thematisch an die beiden Vorgänger mit ihren aztekischen Mythen an. Musikalisch geht er gleich gut nach vorne los und erinnert mich von seiner Stimmung her etwas an ´Our Lord, The Flayed One´ vom Vorgänger ‘Wings Of Tzinancan’.
Alfonso, du schreibst sämtliche Lyrics selbst und gestaltest die Songs ja auch durch die Art, wie du singst, ob es zB eher dramatisch, oder wütend, oder entspannt sein soll…mich würde interessieren, wie bei euch das Songwriting abläuft. Gibt es da zuerst die Musik, an der du dich orientierst, oder deine Ideen, wie die Stimmung sein soll? Wie lief das Schreiben bei den beiden Platten zuvor, war es diesmal einfacher oder schwieriger?
Hat sich dadurch, dass ihr nun ein festes Quartett seid, etwas am Enstehungsprozess verändert? Wer alles bringt seine Einflüsse hinein, und woher kommen diese? Wann komponiert ihr am einfachsten oder besten, was braucht ihr als „Hilfsmittel“ dazu? Was war die absurdeste Situation, in der euch ein Riff, ein Textfragment o.ä. eingefallen ist? Wie „speichert“ ihr eure Ideen ab?

Alfonso: Bisher ist das Songwriting eher sehr ähnlich gewesen. Eugen komponiert die Musik, er nimmt die Ideen in seinem Home Studio auf und zeigt uns den neuen Song. Er hat schon eine klare Struktur und weiß genau, was Vers und was Refrain ist. Wir nehmen ein paar improvisierte Gesangslinien auf und schnell merken wir, was funktioniert und was nicht. Wenn die Melodie klar ist, fange ich mit dem Text an. Ich muss mich einfach nur von der Musik inspirieren lassen und in meiner Tiefe suchen, von dort kommt die Verbindung. Damit will ich sagen, manchmal sind die Texte nicht unbedingt von uns.

Eugen: Ich möchte noch ergänzen, dass die Musik nicht immer alleine von mir ist, sondern von jedem Ideen einflossen und auch viele Sachen gemeinsam im Proberaum entstanden sind. Aber ich hatte speziell zur neuen Scheibe zahlreiche angefangene Songs und vollendete vieles mit Hilfe von unserem neuen Gitarristen Julian. Doch dazu sicherlich demnächst mehr!

Wie wir unsere Ideen abspeichern? Tatsächlich gleich digital, wenn was davon in der Nähe ist. Aber das ist der Fall, da die Band aus Handyglotzern besteht. An Hilfsmittel können wir uns ansonsten nicht erinnern. Bei uns gibt’s nur billigen Fusel und zusammengekratztes Koks von Abgeordneten-Toiletten.

Das klingt nach einer sehr strukturierten Band, die weiss, wie sie zu kreativen Ergebnissen kommt, und dabei wenig dem Zufall überlässt, was ganz klar auch auf euren Sound zutrifft. Alfonso hat ja schon dein Homestudio erwähnt, in dem die ersten Songideen entstehen. Bei einem Über-Zehnminüter wie ´Wandering Soul´ mit seiner sehr bunten Klangmalerei wurde jedoch sicher vieles auch gemeinsam durch Improvisation entwickelt, oder?…

 

´Wandering Soul´, der längste und prächtigste Song dieses Albums, macht seinem Namen schon von daher Ehre, dass er wie ein Heimkommen ist zu dem, für was ich die Berliner schätze – schwer, episch, breit angelegt, suchend und in die Tiefe gehend. Der mehrstimmige Gesang zu Beginn zieht sofort in einen Bann, aus dem sich wohl kein Hörer während der ganzen Dauer wieder lösen kann, und Alfonso singt teilweise so tief wie selten zuvor. Zudem hat das Stück zwei komplett unterschiedliche Teile und geht in der zweiten Hälfte mit einigen Überraschungen und Wendungen dann so richtig als klassischer Rocker ab. Auch das lang herausgezögerte Ende mit seinen spannenden psychedelischen Zerr- und Rückkoppelspielchen ist typisch ALBEZ DUZ.

Für mich klingt ´Wandering Soul´ wie die Geschichte einer Befreiung; danach, sich aus Fesseln zu erheben und die Vergangenheit loszulassen. Das macht ihn unglaublich kraftvoll und positiv, ganz im Gegensatz zu seinen doch sehr düsteren Lyrics. Er ist für mich auch der stärkste Gegenentwurf zur Platte davor.  Die neue ist – bei aller Treue zum 90er-Doom –  viel lebendiger und offener als ihr Vorgänger ´Wings Of Tzinacan´, der bei all seiner Klasse doch teilweise sehr melancholisch-düster bis hin zu fast unerträglich bedrückend war. Mein absoluter Favorit mit viel Potential für den Song des Jahres!

 

der Song ist für mich die perfekte Verbindung des bekannten DUZ-Trademark-Sounds mit neuen Elementen. Wie gewohnt sind sowohl Komposition wie auch Sound auf die Stärken von euch beiden bisherigen Hauptakteuren zugeschnitten – vielseitige Percussion und unglaublich variable Stimme.
Die Vielsaiter haben jedoch deutlich an Bedeutung und Klangraum hinzugewonnen. War das eine logische und natürliche Entwicklung?
Ihr habt eure Platten bisher bei den grossen deutschen Studio-Namen des Extremmetals abmischen und mastern lassen – Andy Classen, Michael Zech und nun Victor Santura. Seid ihr immer noch auf der Suche nach dem perfekten Duz-Sound? Eugen, wie war das so im Woodshed-Studio? Was genau passiert beim endgültigen Mix, was du nicht selbst machen kannst? Wie nah bist du im diesmal an deine Vorstellung vom perfekten Sound rangekommen?

Eugen: Zu ´Wandering Soul´: Das ist richtig. Der Anfang des Songs ist schon älter gewesen und wir haben verschiedene Sachen im Proberaum versucht. Man hätte ihn natürlich ganz logisch weiterführen können, meinetwegen sogar poppig. Doch durch spontanes Ausprobieren, sprich Improvisation, kam es komplett anders. Wir spürten, dass man auch völlig andere Wege gehen kann! Es fühlte sich richtig an und so haben wir es gelassen. Das letzte Ende entstand aber tatsächlich während der finalen Aufnahme. Das war schon eine tolle Erfahrung und es wurden meiner Meinung nach neue Emotionen festgehalten, die zwar einem vernünftigen Liedaufbau eher widersprechen, aber doch einiges über uns als Band aussagen.

Das Lied besitzt übrigens keine Soli und auch keine Keyboards!

Zur Aufnahme selbst ist zu sagen, dass wir diese komplett alleine durchgeführt haben. Julian und ich haben auf dem Gebiet einiges an Erfahrung sammeln können, und es war an der Zeit, nun mal selber wieder Hand anzulegen! So mieteten wir uns hier in Berlin ein winziges Studio, leiten uns diverses Equipment und legten einfach los. Mittendrin wurde uns zwar kurzzeitig Angst und Bange, weil der Aufnahme-Mixer rauchte und anschließend das Zeitliche segnete, und somit die gesamte Aufnahme gestoppt werden musste. Aber wir haben es am Ende hinbekommen, worauf wir noch sehr stolz sind.

Die eigene Musik zu mixen ist so eine Sache. Seinerzeit habe ich unser zweites Album ´The Coming Of Mictlan´ komplett selbst komponiert, aufgenommen und gemixt. Das empfand ich als mittelschweren Albtraum, denn es fehlte von Anfang an die Distanz. Es ist sehr viel entspannter, das aufgenommene Material jemand anderem anzuvertrauen, der dann mit frischen Ohren zu Werke geht und man selbst sitzt auf dem Sofa und blökt von hinten seine Wünsche dazu. Diesmal wars V. Santura, der dies erledigte. Er kam den „perfekten Duz Sound“ schon recht nahe, wobei man im Nachhinein natürlich immer was findet, was man hätte anders machen können! Aber wir sind erstmal recht zufrieden mit dem von uns gewünschten räumlichen Gesamtsound! Wir wollten nicht auf Teufel komm raus einfach nur oldschoolig klingen. Aber eine glatte Produktion, wie sie heutzutage überall zu finden ist, passt auch nicht zu uns. Uns gefallen nun mal nur alte Schinken, Überproduziertes ist seelenlos und stellt oftmals nur musikalische Umweltverschmutzung dar. Braucht kein Mensch! Deshalb war uns Spontanität und Mut zum technisch nicht perfekt sein wichtig.

Die fast unendliche Tiefe und Wärme kommt auf jeden Fall perfekt rüber!

Eugen: V. Santura machte eigentlich schon viel zu gut klingendes daraus. Aber er fand die Idee ebenfalls gut, mal weg von üblichen Schemen und Vorgehensweisen zu gehen und der echten Rohheit freien Lauf zu lassen. Das ist in großen Teilen geglückt.

Was sowohl bei ´Wandering Soul´ als auch dem für mich direkt damit verbundenen ´Participation Mystique Totalitaire´ auffällt, ist ihre deutlich differenzierte Zwei- oder sogar Mehrteiligkeit – du hast vorhin bezügliches des Songwritings von „ganz logisch weiterführen“ und „vernünftigem Liedaufbau“ gesprochen, für mich macht ein Gutteil der Faszination von ALBEZ DUZ jedoch gerade die Tatsache aus, dass man nie weiss, wohin euer Weg mit einem Song führt. Für uns Hörer ist das extrem spannend, wie eine gut erzählte Geschichte mit plötzlichen, ganz neuen Wendungen und Perspektiven!

Diese Zweiteiligkeit hat aber auch etwas von den berühmten zwei Seiten der Medaille, und zusätzlich haben eure Songs oft sehr lange Enden, einen grossen inneren Nachhall…in diesen beiden Fällen gibt es schliesslich eine positive Auflösung eines zuerst sehr bedrückenden Themas. Ist das auch eure Band- und Lebensdevise?

Eugen: Ja.

 

´Participation Mystique Totalitaire´, der düsterste und vielleicht psychedelischste Song dieser Platte kommt zuerst mit einem lähmenden, ja fast quälend schleppenden Rhythmus daher, der beschwörende Text wird mehr vorgetragen als gesungen, es geht explizit um zerstörerischen Egoismus, eine virulente Pest unserer Zeit. Selbst das Gitarrensolo klingt wie gefangen und gedämpft, doch ab dem zweiten Drittel verändert sich die Stimmung plötzlich, wird energischer, als ob die Depression einer Erkenntnis weicht, und die Schwermut zugunsten von neuer Tatkraft abgeschüttelt wird.

Diese stimmungsschwankende Mehrteiligkeit der Songs erinnert immer wieder einmal an die unsterblichen TYPE O NEGATIVE, die ebenfalls dem Avantgarde-Doom ihren ureigenen Stempel aufgedrückt haben. Und ausserdem gibt es hier auch erstmals singende Twinguitars zu hören! Solch einen Stilmix muss man erstmal unter einen songwriterischen Hut bringen…

 

Alfonso, du hast dich textlich bei den bisherigen Platten vor allem mit den Mythen deiner mexikanischen Vorfahren beschäftigt. Auf ´Enigmatic Rites´ ist das nun anders – es gibt sie noch, die mythologischen Texte, dazu sind jedoch zeitkritische und auch sehr persönliche, recht explizite Lyrics gekommen.

Noch mehr als in ´Wandering Soul´ trifft dies auf ´Participation Mystique Totalitaire´ zu, was die sehr düstere Stimmung des Songs nur noch unterstreicht. Er ist textlich eine Analyse eines extremen, ja krankhaften Narzissmus, wie er heute leider fast alltäglich geworden ist. Interessant finde ich dabei, dass der Liedtitel auf die psychologische Theorie vom kollektiven Bewusstsein anspielt, also gerade dem Konzept des selbstverliebten, nur auf seine Wirkung und seinen Vorteil fokussierten Individuums widerspricht.
Du hast vorhin erzählt, dass du dich von der Musik inspirieren lässt und damit eine Verbindung herstellst, durch die du zu den Lyrics kommst – ist es diese intuitive, archetypische Verbindung, die du damit meinst? Was haben die ´Enigmatic Rites´, die geheimnisvollen Riten, denn für eine Bedeutung? Und was haben sie mit dem doch ziemlich drastischen Coverdesign und den Illustrationen des Booklets zu tun?

Alfonso: Die Weltanschauung der Urmexikaner ist mehr als interessant. Ich habe auch gemerkt, dass es mittlerweile Bands gibt, die diese Thematik benutzen möchten, aber sie haben eher wenig Ahnung, worum es geht. Ich finde es nett, dass manche Leute sich für diese Themen interessieren, trotzdem finde ich manche Mischungen ein bisschen komisch (es gibt eine Band die asiatischen und Maya-Okkultismus gemischt hat…).

Bei den ersten zwei Alben habe ich diese Thematik mit meiner eigenen Philosophie verbunden, und gleichzeitig versuchte ich, meine Texte poetisch und interpretativ zu halten. Bei ´Enigmatic Rites´ gibt es keinen riesen Unterschied, die Texte bleiben interpretativ und sehr persönlich zugleich. Obwohl wir für ´Enigmatic Rites´ eine andere Thematik ausgewählt haben, die Leute, die wirklich Ahnung haben, werden diese urmexikanischen Mythen immer wieder finden. Das ist Teil von den „geheimnisvollen Rätseln“, die Interpretation hat wenig mit der Realität zu tun und andersrum. Jetzt sage ich dir was zum Coverdesign: es ist auch voller Symbole und es gibt viel zu entdecken, was ich dir selbstverständlich nicht verraten werde, aber eins kann ich dir auch noch sagen, sogar die Bandfotos haben irgendwelche Botschaften!

Eugen: Mit jedem Text verarbeitet man Erlebtes. Dieser Song beschäftigt sich mit dem Fluch der unstillbaren Selbstliebe. „Participation mystique“ (mystische Teilhabe) ist ein Begriff aus der Ethnologie. Er umschreibt – ganz vereinfacht gesagt – eine magische Beziehung und Verbundenheit zur Natur, allen göttlichen Wesen und dem Kollektiv, in dem man lebt. Gemeint ist das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Es ist vielleicht sogar die entscheidende Grundbedingung unseres Zusammenlebens. Ohne das würden sich die Menschen wahrscheinlich noch deutlich häufiger die Köpfe einschlagen.

Nun gibt es aber auch Menschen, die keine magische Verbindung zu ihrer Umwelt, sondern nur zu sich selbst aufbauen können. Diese Menschen halten sich nicht mehr für einen Teil, sondern für das Ganze selbst. Daher auch „Participation mystique totalitaire“. Jeder kennt solche Menschen. Narzissten! Armselige Asoziale, die nicht in Lage sind, zwischen sich und ihrer Umwelt zu unterscheiden und in Allem nur Eines sehen: sich!

In dem Song geht es um diesen Menschen, der wie im Mythos von Narziss mit einer unstillbaren Selbstliebe gestraft ist und schließlich daran auch zu Grunde geht. Denn das ist das Wesentliche am Narzissmus: Der Narzisst scheitert – nicht seine Umgebung.

Ich finde beides sehr reizvoll, Themen, die gerade in der Luft liegen direkt anzusprechen oder eben nur anzudeuten, um was es in einem Stück geht, und dem Hörer seinen eigenen Spielraum zur Interpretation zu lassen. Spielen Okkultismus und Symbole auch in eurem privaten Leben eine Rolle?

Alfonso: Ich kann sagen, dass wir die Sprache der Symbole gut sprechen können. Okkultismus ist natürlich ein Thema, an dem wir Interesse haben, aber wir sind nicht Teil einer Gruppe oder eine Sekte oder sowas. Wir folgen anderen Menschen oder Gurus nicht, wir sind überhaupt keine Herdenmenschen.

 

Das muss man sich auch erstmal trauen: ein sehr langes Instrumental, bei dem sich der neue Leadgitarrist und Pedaltechnik-Nerd Julian so richtig effekt-heischend austoben darf. ´When The Bird Fledges´– wieder ist ein Vogel titelgebend, ALBEZ DUZ sind jedoch schon lange flügge und jetzt (zumindest musikalisch) endgültig erwachsen geworden. Weniger Tatort-Titelmusik als Endzeitthriller-Soundtrack.

 

Jetzt aber mal zu den beiden anderen Jungs in der Band! Ich hatte sowohl beim Hören von ´Enigmatic Rites´ als auch live den Eindruck, dass ihr mit eurer aktuellen Besetzung die bestmöglichen ALBEZ DUZ geworden seid. Die neue Scheibe klingt offener und lockerer als ihr Vorgänger, nach frischem Blut, Durchstarten und neuen Zielen, und hat vor allem einen enormen Drive. Ihr habt bereits erwähnt, dass Julians Mitwirkung eine grosse Rolle beim Songwriting gespielt hat; der CD-Bonussong ´Only Lies´ stammt sogar komplett aus seiner Feder. David ist nun ebenfalls festes Bandmitglied, und nicht mehr „nur“ Livebassist. Wie fühlt sich diese Besetzung für euch an, was hat sich im Bandgefüge geändert durch die neue Konstellation? Was habt Ihr an weiteren Zukunftsplänen, geht’s mit der neuen Platte auf Tour, und wenn ja, wohin?

Alfonso: Mit David und mit Julian zu arbeiten ist eigentlich ganz locker, alles flutscht ziemlich flockig. Beide Jungs haben ihren sehr markanten eigenen Stil, und sie kennen sich schon von anderen Bands, wo sie zusammen gespielt haben. Julian ist kein Anfänger, er kennt seinen Sound und weiß ganz genau, wie er klingen will. David ist ein richtig solider Bassist, und ich mag seine Darstellungsform sehr. Der Auftritt in Stuttgart hat viel Spaß gemacht und ich könnte mir sehr schwer eine andere Konstellation vorstellen. Eugen und ich sind überhaupt keine einfachen Persönlichkeiten, wir sind sehr stürmisch und alles ist uns scheissegal, wenn wir auf Party-Modus sind. Die eher ruhigen Persönlichkeiten von den Jungs bringen ein bisschen Balance in die Kaserne!

 

´Surrender´ nimmt den Pass des flüggen Vogels an, und entwickelt sich zu einem Lehrstück an zähem und gleichzeitig dynamischem Groove. Doom in perfection! Für mich ist dies ja das sinnlichste Metalgenre, das sich selbst und den Klängen sehr viel Zeit lässt und gerne vieles ausprobiert. Kein Wunder, dass sich bei entsprechenden Bands und Konzerten auch deutlich mehr Frauen einfinden als in manch anderem Metalgenre…

 

Ihr beide macht schon lange Musik, Eugen war zwanzig Jahre bei DIES ATER in Sachen Black Metal tätig, Alfonso genoss, wie ich hörte, eine Opernausbildung, und auch die beiden anderen haben offensichtlich schon länger ihre Äxte in Händen. Warum habt ihr euch alle gerade für schleppende Rhythmen und ewige Verdammnis entschieden? Was ist für euch das Besondere, das Reizvolle an Doom?

Eugen: Zum Thema warum Doom: Meiner Meinung nach hatte diese Richtung keine dramatischen Höhen und Tiefen aufzuweisen. Kein Boom wie z.B. in den Neunzigern beim Black Metal, wo sich an jeder Straßenecke neue Bands gründeten, und das ist eine Sache, die uns nach wie vor gut gefällt.
Dennoch ist zu beobachten, dass es heutzutage mehr Bands gibt als vielleicht noch vor 10, 20 Jahren. Das ist zu begrüssen, denn wir halten das, was WIR unter dem breit gefächterten Begriff Doom verstehen, für eine der ehrlichsten bzw. authentischsten Richtungen im Metal. Trendanbiederei und Fremdeinflüsse wie Heino und Schottenröcke sind jedenfalls bisher weit und breit nicht auszumachen. Zum Glück! Solche Anwandlungen haben im „normalen“ Metalbereich ziemlich an Einfluss gewonnen, er verkommt aus unserer Sicht zu einer mittelmäßigen Spaßparade. Wir sehen uns als Band und Doom allgemein als den exakten Gegenpol dazu, straight from the undergound! Natürlich geht es aber auch um die generelle Atmosphäre und darum, mit wenig viel zu kreieren. Das ist tatsächlich eine Kunst für sich. Schnell und kompliziert können und machen viele. Aber versuch es mal anders herum! Darin liegt der Reiz und die Herausforderung für uns.

Alfonso: Mein allererster Einfluss war Jorge Negrete, einer der größten Sänger der mexikanischen Volksmusik und auch mein Großonkel. Er war ein Opernsänger und ein richtiges Icon der mexikanischen Kultur. Seinetwegen war mir quasi klar, dass ich eine Opernausbildung absolvieren müsste, und das habe ich tatsächlich gemacht. Als Teenager habe ich die Veröffentlichung von Alben wie ´Cowboys From Hell´ von PANTERA, ´Rust in Peace´ von MEGADEATH oder ´The Black Album´ von METALLICA und ´Facelift´ von ALICE IN CHAINS miterlebt. Diese Bands haben mir die Türen zu den Klassikern geöffnet: Sabbath, Deep Purple, Led Zeppelin, Grand Funk, The Doors…Es gab viel zu entdecken und viele verdammt gute Bands haben verdammt gute Alben rausgebracht. Es waren coole Zeiten!

Warum denn Doom..?? Ganz einfach: die Riffs, die Atmosphäre, die Ressourcen, die man explorieren kann, die Theatralik, die Ehrlichkeit…

Leider ist die Anzahl an Frauen im Untergrund immer noch viel geringer als die von Männern, manches wie technischer Death Metal oder Sludge/Drone zieht tatsächlich fast auschliesslich Männer an, sei es auf oder vor der Bühne. Wie ist das bei euch, wie setzt sich das Publikum von ALBEZ DUZ zusammen? Mit welcher anderen Band bzw. auf welchem Festival würdet ihr gerne mal auf der Bühne stehen?

Eugen: Wie sich das Publikum zusammensetzt haben wir noch gar nicht so wirklich analysiert. Wir haben bisher sowohl auf reinen Doom-Veranstaltungen gespielt, als auch auf Festivals wo alles von Black und Death Metal vertreten war. Die Reaktionen waren meist überall positiv.

Mit welcher Band wir gerne mal auf einer Bühne stehen würden? Natürlich mit J.B.O., Varg und Korpiklaani oder wie die heissen, haha! Nur vom Feinsten, versteht sich.
Hm, nein, im Ernst… Wäre jetzt auch öde, wenn ich BLACK SABBATH oder TYPE O NEGATIVE nenne. Da die Chancen dafür eh auf Null stehen, lass ich es einfach.

Alfonso: Mit welchen Bands würde ich gern auf der Bühne stehen? CANDLEMASS ohne Zweifel und mit Scott „Wino“ Weinrich, ich finde ihn sehr sympathisch! Festivals? Das einzige Festival worauf ich immer noch heiß drauf bin, ist das Brutal Assault. Natürlich würde ich gern Hellfest, Roadburn oder Party San machen, damit unsere Fanbasis größer werden kann, aber anscheinend haben ein paar Veranstalter Angst vor uns.

 

´Emperor’s Blind´, mein zweitliebster Song auf dieser Platte beginnt gleich mit einem gothischen Riff, das auch den Peaceville Three gut zu Gesicht gestanden hätte, und atmet tiefe, kühle 90er, aber gleichzeitig auch okkult rockende, warme 70er Sounds, gerade was Julians Gitarre betrifft – dies stimmig zu verbinden, ist die grosse Kunst der Berliner. Auch hier gibt es wieder zwei völlig konträre Songteile, die jedem eine andere, jedoch stets facettenreiche und spannende Geschichte erzählen. Ein Song, den man beliebig oft hören kann und bei dem man trotzdem immer wieder etwas neues entdeckt. Zudem sind die Riffs des zweiten Teils Anwärter auf den Black Sabbath-Heavyness-Preis des Jahres!

 

Heavy Metal-Fans, und das sind Musiker ja selbst auch, sind ihrer Musik geradezu verfallen. Was gibt Euch Musik? Was für eine Rolle spielt sie in Eurem Leben – als Musiker und als Fan? Was war jeweils eure erste Schallplatte und euer erstes Konzert? Wie hat sich Euer Musikgeschmack entwickelt, was war da prägend dafür? Habt ihr musikalische Vorbilder, und was ausser Musik inspiriert euch?
Geht ihr selbst noch regelmässig auf Konzerte, und wo dann am liebsten? Und wo waren Location und Publikum nach eurer Bühnenerfahrung am besten?

Eugen: Bei mir gibt es eigentlich nichts, was nicht mit Musik zu tun hat. Sprich, ich interesse mich für Gitarren, Amps, Schlagzeuge, Aufnahme, Mix und Mastering, Illustrationen usw. usf….

Erste selbstgekaufte Schallplatte war „Blow Up Your Video“ von AC/DC anno 1990 bei City Music am Kudamm! Und das erste Konzert folgte ein Jahr später: AC/DC, METALLICA und QUEENSRŸCHE in der Berliner Waldbühne. Zu seiner Zeit musste noch mein großer Bruder mitkommen, ich war ja eine unbegleitete, minderjährige Pickelfresse.
Wie sich der Musikgeschmack dann weiterentwickelt hat, war relativ klassisch und ähnelt dem vieler Anderer. Ich kann mich auch nicht mehr an alles erinnern, aus verschiedenen Gründen! Damals spielte Musik vielleicht noch eine viel größere Rolle. Da man als Musiker auch viel Blick hinter die Kulissen kriegt, verblasste manch pubertäre Vorstellung über Heavy Metal und die Welt. Sei’s drum! Die Show geht weiter. Es gibt immer neue Herausforderungen, die zu bewältigen sind, und was Laune macht, sollte man tun.

Regelmäßig auf Konzerte gehe ich persönlich eigentlich nicht mehr. Klar, ab und zu ein Open Air von Bands, denen es finanziell bestens geht, wie neulich KISS, oder was Undergroundiges. Und davon gibt es in Berlin fast täglich eine Menge! Ob ich mir dann aber auch eine Band wirklich intensiv reinfahre, ist nicht immer gesagt. Meistens dient das ganze als Treffpunkt für alte Kumpels oder irgendwelche Facebook-Bekanntschaften, deren Existenz man längst vergessen hat, haha.

 

Wie bereits erwähnt, stammt ´Only Lies´, der CD-Bonustrack, aus Julians Feder. Der Song fällt aus dem bisherigen Rahmen der Platte, lebt deutlich mehr von Wiederholungen und einem klassischen Aufbau, trotzdem atmet er die Individualität und das Kauzige der Berliner und passt daher wunderbar zu DUZ. Ich bin selbst immer wieder erstaunt, wie viele Varianten Doom zulässt oder besser noch: möglich macht. Ein Genre, von dem man das nicht unbedingt denkt, was aber unglaublich viele Möglichkeiten eröffnet, aus den ersten Anfängen von Metal schöpft und faszinierenderweise trotzdem immer jung bleibt – das zeigt auch dieses Lied!

 

Und zum Schluss wie bei mir üblich noch ein paar Synästhesie-Spezialfragen:

Wenn Eure bisherigen Studioalben der jeweilige Soundtrack zu einem reell existierenden Film wären, welcher wäre das bei:
– ´Albez Duz´? Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
– ´The Coming Of Mictlan´? Pappa ante portas
– ´Wings Of Tzinancan´? Das Leben des Brian
– ´Enigmatic Rites´? Der Untergang

Euer jeweils aktueller Lieblingssong (von ALBEZ DUZ und/oder anderen Bands) ist ….. und schmeckt nach ….. ?
Von meiner eigenen Band gibt es keine Lieblingssongs. Obwohl… Vielleicht die, die wir live spielen.
Aktueller Lieblingssong: JUDAS PRIEST ´Desert Plains´. Schmeckt nach Wüste und 1981.

Was ist euer Lieblingsinstrument, und nach welcher Farbe klingt es?
Mein Lieblingsinstrument: Die Weltraumorgel. Schmeckt nach vollgepisster Wolldecke. Was weiss ich!! Ach so, Farbe. Nehmen wir Blau.

Euer bisher bester oder coolster Auftritt war in… und die Erinnerung daran riecht nach…?
Da gab es eine Menge und nicht alle Erinnerungen sind vollständig. Für mich waren es Funkenfluag, In Flammen (beide 2016), das Culthe Fest 2017 und das Konzert in der Chemiefabrik in Dresden 2015, wo wir einen tollen Mitschnitt machten und ihn später selber als CD veröffentlichten (längst ausverkauft, aber es gibt noch was auf Youtube davon zu sehen).

Jungs, vielen Dank für das extrem spannende und unterhaltsame Interview!

 

Ihr seht, das ist eine Band, bei der es viel zu entdecken gibt, und eine Platte, die sofort ins Ohr und in die Hüften geht, aber vor allem danach noch unendlich weiter wächst und niemals langweilig wird.

Sie umfasst so viele unterschiedliche Aspekte unseres geliebten Rock- und Metaluniversums, dass ich sie ganz ausdrücklich auch dem nicht ausgesprochen Doom-affinen Streetclip-Stammpublikum empfehlen möchte! Lasst euch vom obskuren Ersteindruck nicht abschrecken, sondern im Gegenteil verzaubern, und taucht tief in diesen schillernden und farbenfrohen Klangkosmos ein – vor möglicher Suchtgefahr habe ich euch allerdings gewarnt…!

 

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