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WITCHSORROW – Hexenhammer

~ 2018 (Spinefarm) – Stil: Doom ~


Diesmal nehmen sich WITCHSORROW konzeptionell einem der düstersten Kapitel der Menschheit an, der Inquisition, die im Mittelalter millionenfach Tod und Verderben, Folter und Mord über die Menschen brachte und im Namen des christlichen Gottes die Weisheit ausrotten wollte. Der ´Hexenhammer´, auch „Malleus maleficarum“, war dabei quasi ein Regelwerk für die ausführenden Inquisitoren. Schwere Kost, liebe Freunde, aber WITCHSORROW sind Doom und das von der eher monolithischen Sorte. Sie weichen keinen Millimeter von dem Pfad der Tugend ab, jedes ihrer Alben für sich ist ein kleiner ´Hexenhammer´.

Nun war der erste Song ´Maleficus´ nur ein sehr mächtiges Intro, ein Instrumental mit packenden Riffs. Ihm folgt der Titelsong aus den Boxen, immer einen Hauch von Eingängigkeit versprühend, welche sich durch strukturelle Klarheit äußerte. Die Gesangsmelodien liegen irgendwo ganz hinten im Mix und haben so etwas Geisterhaftes. Sie sind recht monoton, das waren sie schon immer, aber durchaus beschwörend. Die Ausführung des Stückes hat aber Schwung, bei aller Liebe zu niederen Geschwindigkeitsregionen und so beginnt ein beinahe rauschhafter Trip. Den setzt ´The Devil’s Throne´ an dritter Stelle fort. Das einleitende Riff ist kräftig und schwungvoll, dann geht die treibende Rock’n’Roll-Keule of Doom direkt auf Dich nieder. ´The Devil’s Throne´ ist ein schneller, donnernder Heavy Song mit tollen, knirschenden Gitarrenleads direkt aus der SG-Hölle. Die Gesangsmelodie ist hier nach wie vor nicht ultimativ ausgeprägt, aber sie packt Dich.

Die Eingängigkeit bleibt im Refrain des vierten Songs ´Demons Of The Mind´, der in den Strophen bedrohlich und fast gänzlich melodiebefreit über Dich stampft, nur um im Refrain eine coole Gesangslinie zwischen die ganz besonders verzerrten, basslastigen Gitarrensounds zu drücken. Das Brummen und Zerren in Verbund mit den tosenden Rhythmen dreht Dir die Sinne um. Eine kurze Mittelpassage mit einer Stimmung, welche die Ruhe vor dem Sturm bestens wiedergibt, dann eine Eruption, wo Sänger Necroskull (passt ja) beschwörend mit klarer Stimme seine Kommandos schreit, etwas rockende Leadgitarre von ihm, dann ein Refrain und der Song ist vorbei. Das machen sie richtig, sie rocken, sie ziehen die Songs nur so weit in die Länge, wie es dem Stück auch gut bekommt, sie bauen auf eine ultimative Wucht und Schwere, aber lassen immer coole Riffs und Gesangsmelodien darin auftauchen, welche den Song an sich auch zu einem Song machen. Und sie bleiben einfach nur Doom dabei.

´Eternal´ ist die nächste Doomhymne für 2018. Hier singt Necroskull auch wieder melodisch, während er bei bei dem Song zuvor ja eher nihilistisch geschrien hat, wenngleich mit klarer Stimme. Keine Growls bisher, wir sind beim fünften Song. Für die Epic Doom-Fraktion sind sie klar zu dreckig, zu derb. Das hier ist Stoff für Fans von CATHEDRAL, ELECTRIC WIZARD (wenn diese sich nicht komplett belackt haben vor den Aufnahmen und dann wirres Gedröhne dabei herumkommt) oder WITH THE DEAD, der aktuellen Lee Dorrian Band. Das hier ist erdrückend. Auch bei ´Eternal´ gibt es ein paar flottere Augenblicke, über denen Necroskull eher schreit. Das muss die urbritische Affinität des Dooms zum alten Hardcorepunk sein, die aber auch schon bei den US Göttern SAINT VITUS zum Tragen kam.

Die Stimmung auf diesem Album und seine Intensität sind einfach atemberaubend. WITCHSORROW haben hier einen wirklich rabenschwarzen, dampfenden und stinkenden Mahlstrom von Verdammnisrockmusik erschaffen, der bei aller Liebe zu den Traditionen auch Standards setzt. Bei ´The Parish´ nehmen sie dann nach einem Heavyriff auch gerne für die Strophe einmal die Wucht zurück, spielen die Gitarre verzerrt aber zurückhaltend und lassen Bass und Schlagzeug eher dezent darunter ein Fundament legen. Urtypisch ist dieses Lied, die Riffs, die Rhythmen, alles. Und doch hat es in seiner vermoderten Pracht eine machtvolle Frische. WITCHSORROW rocken wie die Teufel und machen dem Powertrioformat alle Ehre. Und wenn dann Necroskulls brodelnde Soli aus dem schwarzen Klangmorast hervorbrechen, ist es um den Rezensenten geschehen. ´The Parish´ läuft immer noch und zeigt sich energetisch, verspielt mit vielen Passagen, kurzen Wechseln, abgefahrenen Grooves, was fast schon progressiv anmutet. Sie wissen also doch, wie man Doommetal spannend hält.

´Like Sisyphus´ beginnt mit eiskalten Akkordfolgen, dann setzt der Rhythmus ein, das Schlagzeug stampft und zertrampelt den Hörer förmlich, aber vom Takt her leicht versetzt. Auch hier wieder Hut ab für diese fast progressive Idee. Die Gitarre wird dann in einer mühsam schleppenden Passage zurückgenommen, klingt ein wenig blechern, aber gewollt, wie eine Metallfräsmaschine bei der Arbeit. Gesanglich gibt es wieder die kommandierenden Rufe Necroskulls. Wobei er ja nur ein Drittel der Band ausmacht. Emily Witch, die unterkühlte blonde Brillenträgerin, die eher nach Sozialpädagogikstudentin, denn nach Bass-Hexe aussieht, brummt auch noch das letzte Soundloch voll. Drummer Wilbrahammer erschafft spannende Rhythmusfiguren, die über das übliche Doomgeschleppe weit hinausgehen. Und auch der Song an sich, ´Like Sisyphus´, ist ein spannendes, tosendes Epos mit vielen durchbohrenden Melodien und einem wilden Part in der Mitte, wo sogar Blastbeats gespielt werden. Nicht übertrieben schnell, aber dieser Abritt bringt den Song zu seinem Höhepunkt, seiner emotionalen Entladung und reißt Dich gnadenlos mit, während fantastische Gitarrenmelodien um Dich herum toben gleich einem Orkan.

Und ich habe gar nicht gemerkt, dass wir schon im Schlussteil des Albums sind, 42 Minuten gehen bei guter Musik schnell rum. Aber auch das macht das Album aus. 42 Minuten voller Intensität und mächtigen Hymnen, voller Epik und Spannung, dann ist es vorbei. Keine achtzigminütigen Dröhnorgien, kein stundenlanges Geschlurfe auf zwei CDs. Packende 42 Minuten Heavyness, Killersongs, Leadgitarren und Powerrhythmen. So lass ich mir Doom schmecken. Wie gesagt, bei aller Liebe zur Tradition ist dieses Album frisch und mitreißend. Wenn Melodien kommen, dann sind sie fast schon poppig, auch wenn man das unter den vielen Schichten Verzerrung kaum ausmachen kann. Top Album und deswegen 9 Punkte.

 


(VÖ: 25.5.2018)