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SHAKHTYOR – Tunguska

~ 2015 (Cyclone Empire) – Stil: Instrumental-Post-Doom ~


Am 30. Juni 1908 gab es in einem Nebenfluss des Jenissei, der Tunguska, in Zentralsibirien eine riesige Explosion, die 6.000 Quadratkilometer Wald umpustete und ganze Rentierherden auslöschte. In einer Entfernung von tausend Kilometern konnte die Erschütterung noch gespürt werden und Seismografen auf der gesamten Welt registrierten sie. Augenzeugenberichten zufolge soll ein Objekt, weiß-bläulich leuchtend, vom Himmel herab gefallen sein. Ein Einschlagkrater existiert jedoch nicht. Als Ursache der Erschütterung wurden seither hunderte von Thesen aufgestellt – von einem in der Erdatmosphäre explodierten Meteoriten, von verirrten schwarzen Minilöchern oder nuklearen Detonationen.

Auf dem Cover von SHAKHTYORs neustem Werk – namens ´Tunguska´ – fallen gleich drei leuchtend brennende Objekte vom Himmel. Stellvertretend für das Trio – Chris, Chrischan und Nils – aus Hamburg. Dabei schreitet ihr Sound oft quälend langsam voran – zelebriert die Schwere und Düsternis, zwischen EARTH, ISIS und EISENVATER.

`Baryon´ ist ein passend monströser Opener, anfangs hart und wuchtig, Boliden in den Boden rammend, schiebt er auf seiner langen Strecke zwischendurch gar zähe, aber auch schnelle Abschnitte ein. Physikalisch gesehen bestehen Baryonen aus drei Quarks und unterliegen der Gravitation, wenn geladen ferner der elektromagnetischen Kraft. Diese drei Elementarteilchen stehen erneut für Bass, Drums und Gitarre, die hernach im kürzesten Stück `Pechblende´ die Töne böse und tragisch, unendlich lange schwingen lassen, bis der `Zerfall´ einsetzt. Vom Bass hofiert, darf die Gitarre erst einzelne Töne einwerfen, bis dieses erneut zehn Minuten lange Stück langsam in Wallung gerät. Die Drums schlagen nun zu und der Zerfall setzt ein: Wie durch tiefen Morast voranschreitend, unbarmherzig jeden Schritt erkämpfend – am Ende fast zitternd dahinsiechend, kurz vor dem letzten Aufwallen. Das ´Schlagwetter´ lässt aus der sekundenlangen Stille ein kurzes black-metallisches Inferno hervorbrechen, bevor die beinharte Materie breakdurchsetzt weiter wütet, und nach einer gelassenen Periode sogar im Akkord die Schläge verteilt. Selbst der Titelsong strahlt zunächst Ruhe aus, obgleich natürlich trügerisch. Am Ende geht es schließlich abermals auf eine lange Reise. In die Umlaufbahn von ´Solaris´, einem Planeten der von einer unbekannten Materie umgeben ist, die aus den Gedanken der menschlichen Lebewesen täuschend echte, längst verstorbene Gefährten entstehen lässt. Schockierende Begegnungen sind vorprogrammiert und das Trio bewegt sich im schnelleren Schritttempo voran. Hypnotisierend, im Spiralstrudel taumelnd. Gnadenlos. Stille.

Nach ihrem gleichnamigen Debüt aus dem Jahre 2012 konnte sich das Hamburger Trio SHAKHTYOR mit ´Tunguska´ nochmals steigern. Für Freunde postmetallischer Töne, die die Finsternis nicht fürchten und sich in der Schwere gerne suhlen. Selbstkasteiung inbegriffen.

(8 Punkte)

https://shakhtyor.bandcamp.com/