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PARADISE LOST – The Plague Within

~ 2015 (Century Media) – Stil: Gothic-Metal ~


Weiterentwicklung? Selbstverwirklichung? Viele Metalbands – speziell aus extremeren Genregefilden – haben sich daran versucht und sind an ihre Grenzen gestoßen. KREATOR wären als Beispiel zu nennen, auch METALLICA. Beide haben sich mit ‚Violent Revolution‘ ff. bzw. ‚Death Magnetic‘ auf ihre Thrash-Wurzeln besonnen und damit zumindest bei weiten Teilen ihrer Fangemeinde punkten können. ANATHEMA und OPETH bewiesen im Gegensatz dazu, wie sich Konsequenz, Mut und Qualität vereinbaren lassen.

PARADISE LOST sind ersterer Gruppe zuzuordnen. Nach genredefinierenden Alben wie ‚Gothic‘, ‚Icon‘ und ‚One Second‘ war mit dem synthiepop-lastigen ‚Host‘ 1999 das Ende der kreativen Fahnenstange erreicht. Es folgte vertonte Orientierungslosigkeit namens ‚Believe In Nothing‘ und ‚Symbol Of Life‘, ehe 2005 mit ‚Paradise Lost‘ die Ausschmückung bereits beschrittener Pfade begann, die zwei ordentliche Alben später mit ‚Tragic Idol‘ ihren vorläufigen Höhepunkt fand. ‚Draconian Times Part II‘ hätte stilistisch (und zu großen Teilen auch qualitativ) als Untertitel zu diesem 2012er-Album gepasst.

Nun steht mit ‚The Plague Within‘ die neue Scheibe in den Startlöchern. Und mit Mitte Vierzig hatten Nick Holmes und Greg Mackintosh hörbaren Spaß daran, neue Extreme für PARADISE LOST auszuloten. Ob’s an den Erfahrungen mit BLOODBATH und VALLENFYRE lag, sei dahingestellt. Album Nummer 14 der gemeinsamen Stammband klingt jedenfalls rauer und dunkler als alles, was PARADISE LOST seit ‚Shades Of God‘ (1992) veröffentlicht haben.

Auch Abwechslung ist plötzlich wieder ein Merkmal der Engländer. Zwischen Nummer-Sicher-Songs wie den Opener ‚No Hope In Sight‘, das an ‚Pity The Sadness‘ und ‚Once Solemn‘ erinnerne ‚Punishment Through Time‘ und ‚Sacrifice The Flame‘ haben PARADISE LOST ein paar echte Kracher platziert, wie sie in dieser Qualität höchstens der Großmeister Tom Warrior hinbekommt. Allen voran das pechschwarze ‚Beneath Broken Earth‘, ein Deathdoomer vor dem Herrn mit marianengrabentief hinabtauchenden Riffs und herrlichsten Höllengrowls aus Großväterchen Holmes‘ Yorkshire-Kehle. Fast ebenso finster, aber im Tempo das krasse Gegenteil ist ‚Flesh From Bone‘. Hier darf Drummer Adrian Erlandsson das innere Prügeltier rauslassen und Holmes drauflosbellen wie weiland der Hund von Baskerville. Ein großes Vergnügen und – hoffentlich – ein künftiger Bühnen-Reißer.

Weitere Höhepunkte: das melancholische, aber zum Glück unkitschige ‚An Eternity In Lies‘, zu dem Gregs Ehefrau den Refraingesang beigesteuert hat, und ‚Cry Out‘, ein grooviger Fistraiser, der an ENTOMBED zu ‚To Ride…‘-Zeiten erinnert.

Um die Stilpalette zu komplettieren, haben sich PARADISE LOST beim orchestralen Black Metal bedient (‚Victim Of The Past‘ ) und mit ‚Return To The Sun‘ ein soundtrack-taugliches Epos ans Albumende platziert, das sämtliche Stärken der Band noch einmal eindrucksvoll bündelt.

Fazit: Das Paradies ist nicht verloren. ‚The Plague Within‘ ist PARADISE LOSTs überzeugendstes Album seit ‚One Second‘. Wer’s nicht glaubt, soll’s hören.

(überraschend dicke 8 Punkte)