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ROYAL THUNDER – Crooked Doors

 ~2015 (Relapse Records) – Stil: Heavy-/Classic-/Alternative-Rock ~


Wahre Kunst entsteht aus Leid – Mlny Parsonz, die reichlich sekten-, drogen- und ehegeschädigte Wunderstimme von ROYAL THUNDER, kann uns ein Lied davon singen. Genauer gesagt sogar deren elf. Nach ‚CVI‘, dem famosen, noch tief im sludgig-doomigen Stonerrock verwurzelten Debütalbum von 2012, begeben sich Frau Parsonz, ihr gitarrespielender und komponierender Ex-Ehemann Josh Weaver und der Rest des Atlanta-Vierers mit ‚Crooked Doors‘ auf den Weg, die Genregrenzen gepflegt einzuebnen. Weniger Verzerrung und plakative Heavyness bei gleichbleibender Intensität heißt das Kunststück, das ROYAL THUNDER auf ihrem zweiten Langdreher vollführen. Wer unbedingt Referenzen braucht, dem seien die Seattle-Großmeister von ALICE IN CHAINS und mit Abstrichen BARONESS sowie UNCLE ACID ans Herz gelegt. Auch Fans der durchgestarteten BLUES PILLS und AVATARIUM dürften an ‚Crooked Doors‘ einen neuen Narren fressen.

Alleine schon dieses Eröffnungsstück namens ‚Time Machine‘! Ein eigenes Stadion möchte man der Band für diese Traumnummer bauen. Tamburinschwingend emporgroovend, über scharfkantige Riffs und eine schwerelose Bridge balancierend, fast kollabierend, dann mit neuer Kraft zum Gipfel preschend und dabei stets gut gekrault von Frau Parsonz souligem Weltklasseorgan – aus diesem Holz sind angehende Rockklassiker geschnitzt!

Doch damit ist ‚Crooked Doors‘ beileibe nicht auserzählt. Das unheilvoll walzende, in milden Harmonien zerlaufende ‚Forget You‘, ‚Wake Up‘ mit seinem Ohrwurm-Refrain und der beängstigend intensive Gesangsvortag im balladesken ‚Floor‘ sind weitere Glanzlichter. Ganz zu schweigen von der schrägen Psychedelic-Pflanze ‚Forgive Me, Karma‘, bei der jedes Mal die blaue Sonne aufgeht, wenn Mlny in der Bridge zur Steigerung „It’s biggeeeer and brighteeeer…“ ansetzt.

Schade nur, dass es vor und nach dem Desertrock-Slideguitar-Hit ‚Glow‘ mit ‚Line‘ und ‚Ear On The Fool‘ zwei etwas zu bemühte, ja formelhafte Songs aufs Album geschafft haben. Im bittersüßen ‚One Day‘ („Life set me free and cut me down the middle / I’m stuck in between it / Don’t put me back together“) und der zweigeteilten Streicher/Klavier-Abschlussballade ‚The Bear‘ wetzen ROYAL THUNDER diese Mini-Scharte wieder aus und Frau Parsonz darf nochmal eindrucksvoll darlegen, warum sie zu den ausdrucksstärksten Rockstimmen der Gegenwart gezählt werden muss.

Ein Jahreshighlight!

(8,5 Punkte)