
Es gibt zweifellos nur wenige Bands im Thrash Metal, die eine solche Gravitas besitzen wie die bereits 1982 gegründeten Gelsenkirchener SODOM. Trotz all der zahlreichen Besetzungswechsel über die mehr als
40 Jahre Bandgeschichte hinweg, blieben sie stets ein Garant für kraftvolle, kompromisslose Alben, und gerade im aktuellen Jahrzehnt ist auch die Qualität ihrer Werke wieder um einiges gestiegen.
2020 kehrten die Thrash-Teutonen als Vier-Mann-Formation zurück, passend zum Album ´Genesis XIX´, auf dem Frank Blackfire erstmals seit seinem Ausstieg nach ´Agent Orange´ wieder die Gitarre schwang, und Tom Angelripper ist mittlerweile sogar schon Ü60, was nicht nur etwa eine Randnotiz, sondern eine entscheidende Erklärung für den ausgezeichneten Charakter von ´The Arsonist´ ist.
Hier gibt es kein Theater, keine Show oder gar aufgesetzten Zeitgeist, und natürlich versuchen SODOM sich schon mal gar nicht neu zu erfinden, sondern arbeiten hier gewohnt mit der Selbstverständlichkeit einer Band, die niemandem mehr etwas beweisen muss.
Irgendwelche digitalen Trends interessieren die Band offenbar überhaupt nicht, und Angelripper hatte ja bereits im Vorfeld verlauten lassen, dass die Drums auf Band aufgenommen wurden, wobei es ihm auch ganz sicher nicht um nostalgischen Purismus geht, sondern um bloße Gewohnheit.
Das Schlagzeug klingt jedenfalls direkt und greifbar, fast als würde das Set in einem Proberaum stehen: kein Schnickschnack, kein Vintage-Filter – einfach nur authentisch!
Der Opener ´Battle Of Harvest Moon´ markiert dann auch gleich vertrautes Terrain, und die Riffs verlaufen auf altbekannten Wegen, nämlich unaufgeregt, aber zielgerichtet, wobei Blackfire, höchst präzise und konzentriert, wieder einmal Pfade beschreitet, die ihm längst vertraut sind.
´Trigger Discipline´ gehört dann eindeutig zu den schnelleren Nummern des Albums, und auch dessen Struktur wirkt ungemein eng, effektiv und berechenbar, und zwar genau so, wie SODOM eben seit Jahrzehnten funktioniert hat.
´Witchhunter´ ist schließlich dem 2008 verstorbenen Schlagzeuger Christian „Chris Witchhunter“ Dudek gewidmet, ein Stück das fast schon etwas distanziert wirkt und eher ein verneigendes Nicken als eine pathetische Elegie geworden ist. Klanglich orientiert es sich an der mittleren Phase der Band, was auch hervorragend passt.
Das Album klingt jedenfalls über die gesamte Spieldauer hinweg als würde man die vier Musiker in einem Proberaum bei der Arbeit belauschen. Das Ganze hat eine rauhe, griffige Substanz – stur vielleicht, aber nicht gezwungen.
Nach vier Jahrzehnten Bandgeschichte ist das Festhalten am eigenen Sound zweifellos keine Nostalgie, sondern reines Durchhaltevermögen, und in Zeiten, in denen sich vieles ständig neu erfinden will, ist das vielleicht genau das, was auch zählt!
(8,5 Punkte)
Marcus Köhler
Im Grunde muss man schon sagen, dass SODOM auch 43 Jahre und 17 Alben nach ihrer Gründung eine verlässliche Quelle von, zwar extremem, aber immer klassischem Heavy Metal sind. Oder wie Angelripper 1992 in den Docks in Hamburg vor dem “Bombenhagel” Song meinte: “Wir sind keine politische Band! Wir sind ‘ne Rock’n’Roll Band!” Mit Politik standen sie ja eher auf Kriegsfuß, feuerten gegen Kriegstreiberei und all den Mist, den sich die Herrschaften ausdenken. Und sie werden der Saitenhiebe und Sticheleien nicht müde. Aber das sind nur Textgrundlagen, damit Angelripper was für die Stimme hat. Satzfetzen und Wortbrocken vermengt mit Gefauche wie bei den altehrwürdigen OBITUARY waren eben nie sein Ding.
Neben dem charismatischen Geschimpfe von Tom Angelripper gibt es eingängige, teils infernalische Hymnen des Thrashmetal. Auf den ersten Höreindruck ist diese Wand aus geradlinigen Strukturen von Gitarren, Bass und Schlagzeug, in die sich allerhöchstens Geschwindigkeitsvariationen eingeschlichen haben, die urtypische SODOM Musik, die sie seit ´Persecution Mania´ von 1987 durchziehen. Sogar der gute Frank Blackfire ist als Gitarrist wieder dabei und zusammen mit Heavy Metal-Keule Yorck Segatz (seit 2018 an Bord) ein mörderisches Gespann.
Es ist natürlich die Frage, ähnlich wie bei dem Wahltschechen Paul Speckmann und MASTER, warum man sich die aktuelle Platte denn noch holen soll, wenn ja wirklich alles solide nach der ewig gleichen Formel klingt. Tja, weil es die Nuancen sind, die bei beiden Kapellen ihren typischen Sound Song für Song auflockern und trotz aller Vertrautheit eine unglaubliche Frische offenbaren.
Wenn mal für einen Refrain das knatternde Rennen und Treiben des Schlagzeugs von Toni Merkel (nicht verwandt oder verschwägert…) in eine eher wogenden und fast rituellen Beat umschlägt oder die Band fast schon doomige instrumentale C Parts einbaut, dann hakt sich die Seele des Metalheads daran fest. So etwa passiert im flotten Opener ´The Battle Of Harvest Moon´.
Hochmelodisches und trotzdem irrwitzige Leadgitarren und Soli gibt es irgendwie in jedem Stück, was auch wieder die raue Kruste aufreißt und ein faszinierendes Innenleben der Songs offenbart. Riffs, Freunde, die Band spielt mit tollen Riffs und oft finsterer Atmosphäre. Und das macht Spass. Auch nach Jahrzehnten.
Für mich persönlich ist dieses Album ein Grund, mal wieder dem guten Tom Angelripper ein paar Euro zur Rentenaufbesserung beizusteuern. Thrash, bar jedweder Innovation, abwechslungsreich, hymnisch, brutal und auch 2025 so relevant wie 1987. Go for it, Knarrenheinz!
(8,5 Punkte)
Sir Lord Doom
Ihr seid das Ruhrgebiet, die Droge, die mich aufrecht hält. Ihr spielt die Thrash-Musik, die Droge, die uns am Leben hält … So, oder so ähnlich, ballern diese Jungs aus Nordrhein-Westfalen seit 1982 ihren ganz eigenen, dreckigen Thrash-Style in die Gesichter der Metal-Szene. Tom Angelripper ist wirklich einer der Letzten aus der alten Garde, der noch mit dabei ist, und er brüllt und kreischt immer noch wie das Oberhaupt des Löwenrudels. Mit Frank Blackfire an der Gitarre, York Segatz als zweiten Gitarristen und Toni Merkel am Schlagzeug sieht die Truppe aus wie eine kleine Armee aus Teutonen, die keine Gefangenen macht.
Und mit ´The Arsonist´ hauen SODOM ein Thrash-Album raus, das sowohl alte Fans als auch die neuen Anhänger begeistern wird. Hier gibt’s keinen Klimbim, sondern den puren, rohen Sound, der dich auf den Boden wirft und dir noch ein paar Ohrwürmer mit auf den Weg gibt. Der Sound ist scharf wie Chili, die Produktion ist gnadenlos im Old-School-Stil mit mehreren Patronengürteln, und jeder Song hat ordentlich Biss wie dein sexy Nachbar mit längeren Eckzähnen. Das Tempo wird nicht immer mit voller Kraft durchgetreten und verleiht dem Ganzen eine zusätzliche Wucht, also keine verrückte Raserei mit der Polizei, sondern gezielte Schläge in den Nacken.
Zu jeder Sekunde merkt man, dass hier keine Anfänger, sondern gestandene Männer am Werk sind, die wissen, wie man richtig abräumt. Das Intro ´The Arsonist´ haut dir gleich einen um die Ohren, mit düsteren Klängen und einer Stimme, die eher ein Tritt in den Hintern ist als eine freundliche Einladung. Hier gibt’s keinen Klimbim, nur pure Energie. Und dann geht’s los!
´Battle Of Harvest Moon´ zündet gleich eine richtige Thrash-Explosion. Toni Merkel drischt auf das Schlagzeug ein, als würde die Welt morgen untergehen, und Tom Angelripper schreit sich die Seele aus dem Leib. Der Refrain kommt kurz im mittleren Tempo, bevor Frank Blackfire und York Segatz die Gitarrensaiten zum Glühen bringen. So muss ein Opener klingen! Hierauf folgt ´Trigger Discipline´ mit rasanten Riffs und knackigen Drums. Der Atmen stockt, jedoch nicht als Tom Angelripper zu einem etwas höheren Schrei ansetzt, sondern während des Gitarren-Solos.
Den Nacken sollte man vorher auch gut geölt haben, wenn der schnörkellose Thrash-Power-Knaller ´The Spirits That I Called´ mit allem in weniger als drei Minuten kurzen Prozess macht, was nicht niet- und nagelfest ist. Doch der Wahnsinn hört selbst mit ´Witchhunter´ nicht auf. Die Männer rasen durch die Gehörgänge und legen sogar noch einen Gang drauf, der niemanden vor dem Mitheadbangen bewahrt. Das ist der Stoff, der die Albträume schürt.
Aber auch im Groove von ´Scavenger´ packen sie jeden am Schlafittchen. Denn der Song schleicht sich bisweilen im Sinne alter Death Metal-Klassiker düster und bedrohlich wie ein Schatten an. Dagegen wuchtet ´Gun Without Groom´ in seiner Länge und Epic sogar etwas komplexere Strukturen an das Tageslicht, während Frank Blackfire und York Segatz wieder einmal perfekt harmonieren. Außerordentlich beweglich agieren sie obendrein in dem rasanten ´Taphephobia´, das vom unterschwellig dröhnenden Bass von Tom Angelripper angeschoben wird.
Kurz Durchatmen, bevor die Band wieder jedem mit ´Sane Insanity´ ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert. Denn der Refrain bleibt direkt im Ohr hängen und die Gitarrensoli wird niemand mehr los. ´A.W.T.F.´ ballert etwas melodischer, aber die phänomenale Gitarrenarbeit und der Krawall bleiben ansonsten unverändert.
Gequälte Schreie von Tom Angelripper und ein Zeitlupentempo eröffnen den schweren Brocken ´Twilight Void´, der mit einer interessanten Mischung aus Melancholie und Groove triumphiert. Nochmals haut der Groove von ´Obliteration Of The Aeons´ am liebsten alles gegen die Wand, bevor die glorreichen Vier mit ´Return To God In Parts´ erneut alles geben. Ohne Klimbim zieht das Tempo richtig an, shreddern die Gitarren wie verrückt und Tom Angelripper setzt zu seinem höchsten Schrei an, der das Album in einem gnadenlosen Schluss punktiert.
´The Arsonist´ bietet wieder mächtig Unterhaltung – für alle Kumpels aus nah und fern. Die Songs sind wie eine Ladung Schwarzpulver in einem kühlen Keller des Ruhrgebiets – gnadenlos, dreckig und ganz typisch für SODOM. Und ´The Arsonist´ ist ein lauter Rundumschlag, der jeden Kopf und Wirbel verdreht.
(8,5 Punkte)
Michael Haifl
https://www.facebook.com/sodomized
Pics: Mumpi