
TORU / BRUTALISM – Split LP
2025 (Arsenic Solaris) - Stil: Experimental / Black Metal
Manchmal kommen musikalische Seelenverwandte nicht durch Planung zusammen, sondern einfach durch spontane Ideen. So geschehen bei TORU / BRUTALISM, einer Split-LP, die weitaus mehr als nur eine geteilte Platte zwischen zwei Künstlern ist. Dieser akustische Austausch zwischen Klang und Kontur, zwischen der französischen Experimentalband TORU und dem US-amerikanischen Projekt BRUTALISM von Terence Hannum, der durch seine Arbeit mit Bands wie LOCRIAN, HOLY CIRCLE und AXEBREAKER bekannt ist, wird zu einem transatlantischen Austausch im Dämmerzustand.
TORU – ´Witches’ Cliff´ (21:46)
Auf der A-Seite spielen TORU auf, ein französisches Trio, das seit 2018 in verschiedenen Musikstilen wie Noise, Drone, elektroakustischer Improvisation und ritualistischem Metal unterwegs ist. Ihr Stück ´Witches’ Cliff´ ist ein fast 22-minütiges Werk, das wie ein großes, monumentales Klangkunstwerk wirkt. Es wurde kurz nach der Produktion ihres zweiten Albums ´Velours Dévorant´ aufgenommen. Es ist ein reichhaltiges Klanggewebe aus Flöten, Feedback, akustischer Gitarre, perkussivem Grollen und atmosphärischem Rauschen. Man hat das Gefühl, die Zikaden hören zu können, das Rascheln von Blättern und die Stimmen in der Ferne, also genau das, was man für eine schamanische Dämmerung braucht.
TORU ist keine traditionelle Band. Vielmehr handelt es sich um ein Kollektiv, das auf Intuition setzt. Besonders beeindruckend ist der Beitrag von Héloïse Francesconi (Gesang). Ihre Flöten- und Gitarrenarbeit wechselt zwischen zerbrechlichen Melodien und tief verwurzeltem Klang, fast so als würde ein uraltes Ritual auf einem nebligen Felsen stattfinden. Nicolas Brisset (Schlagzeug) und Arthur Arsenne (achtseitige Gitarre, elektromagnetischer Lärm) sind dabei nicht einfach nur Rhythmusgeber, sondern die Gestalter einer Klangleinwand, die sich langsam und stetig entfaltet.
´Witches’ Cliff´ braucht Zeit, Aufmerksamkeit und einen guten Satz Kopfhörer. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt mit einem Stück, das wie eine geheimnisvolle und archaische Séance wirkt.
BRUTALISM – ´Deconstruction Of Interior Voids´ (10:34) / ´The Lantern Of Darkness´ (7:07)
Die B-Seite der Scheibe gehört BRUTALISM, dem Solo-Projekt von Terence Hannum. Hier weicht er weit von dem harten Noise seiner Band LOCRIAN ab, ohne deren Essenz zu verlieren. Seine beiden Tracks auf dieser Split-LP bewegen sich in einer ganz eigenen, düsteren und fast sakralen Welt. Während TORU in einem erdigen Klangraum bleiben, zieht BRUTALISM in die dunklen Tiefen von Betonstrukturen, in unterirdische Hallräume und architektonische Abgründe.
´Deconstruction Of Interior Voids´ beginnt mit fern klingenden Hallräumen, metallischen Echos und tiefen, schleppenden Drones. Einzelne Percussion-Klänge brechen die Dunkelheit auf. Die Vocals, die eher flüsternd und klagend sind, klingen wie das Echo eines inneren Monologs, verloren, fragmentiert und ganz menschlich.
´The Lantern Of Darkness´ folgt diesem Pfad weiter, fast elegisch. Gitarrenklänge, Noise und zerfallene Rhythmen weben ein feingliedriges Klangbild, dem Terence Hannum etwas brutales hinzufügt.
Beide Tracks besitzen die Fähigkeit, einen Raum zu erzeugen, aber nicht den Raum im Sinne von Weite, sondern von Innenräumen, Fluren und Katakomben. Sie sind Kompositionen, die wirken wie leere Gebäude, in denen jeder Klang ein Echo hinterlässt.
Die Split-LP erscheint beim französischen Label “Arsenic Solaris”, ist auf 250 Stück limitiert und wird auf 180g schwerem Vinyl in Schwarz und Gold-Marmor gepresst. Ein echtes Sammlerstück – sowohl inhaltlich als auch physisch.
Denn selbst das Visuelle spielt hier eine wichtige Rolle. Das Cover-Artwork zeigt Sand, der von dunklen Strömungen des Amazonas durchzogen ist, basierend auf einem Foto von Arthur Arsenne, das er in Französisch-Guayana aufgenommen hat. Auf der Rückseite sieht man eine überwucherte Rumdestillerie.
Und die Musik dieser Split-LP fordert den Hörer heraus. Sie ist ein klangliches Ritual. Sie zieht ihn in eine Zwischenwelt. Liebhaber zwischen Ambient, Avantgarde, Doom und mystischen Klängen finden hier ein seltenes und gelungenes Beispiel für künstlerische Zusammenarbeit. Die Split-LP ist kein Wettstreit zwischen Bands, sondern ein Dialog über Ozeane hinweg – passend für die tiefsten Seiten der Seele.
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