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HELLOWEEN – Giants & Monsters

2025 (Reigning Phoenix Music) - Stil: Power Metal

HELLOWEEN sind keine gewöhnliche Band, sie sind ein eigenes Kapitel der Heavy Metal-Geschichte. Vier Jahrzehnte ist es her, dass in Hamburg eine Handvoll junger Musiker mit schnellen Gitarren und großen Ideen den europäischen Speed und Power Metal aus der Taufe hob. Aus den frühen Speed-Experimenten erwuchs mit den beiden ´Keeper Of The Seven Keys´-Alben ein Genre, das bis heute weltweit nachhallt.

Die Jahre verliefen jedoch nicht immer geradlinig. Besetzungswechsel, kreative Ausflüge und holprige Phasen prägten die Bandgeschichte. Und dennoch blieben HELLOWEEN stets unverkennbar, eine beständige Kraft, deren Kürbislogo selbst die wildesten Stürme stolz und trotzig überstand.

Als 2021 das selbstbetitelte Reunion-Album erschien, war das eine Sensation. Michael Kiske und Kai Hansen kehrten zurück, drei Sänger standen gemeinsam an der Front. Dieses Album war ein Feuerwerk der Wiedervereinigung, aber auch ein Werk, das noch den Charakter des „Zusammenfindens“ trug.

Zum 40-jährigen Jubiläum entfaltet ´Giants & Monsters´ eine ganz neue Dimension von HELLOWEEN. Die Band klingt nicht wie eine frisch vereinte Großfamilie, sondern wie ein siebenköpfiges Kraftpaket, das harmonisch zusammenwirkt. Die Stimmen verschmelzen, die Kompositionen sind vielfältiger, das Songwriting wagt mehr. Und trotzdem klingt alles unverkennbar nach HELLOWEEN.

´Giants & Monsters´ ist kein Nostalgie-Trip, sondern schlägt ein neues Kapitel auf – mit wahrhaftigen Geschichten von …

Göttern & Giganten

Das Erwachen der Giganten: Am Anfang war der Schlaf. Die Welt dämmerte, verborgen hinter Lidern und verschwiegenen Wahrheiten, während die ersten Giganten erwachten – Kinder der Götter, verstoßen und unbezwingbar. Sie wanderten durch die Zeit und mahnten: Wer wagt, uns zu erkennen, erkennt zugleich das Göttliche im eigenen Herzen („We are gods inside, dare and you may find…” – ´Giants On The Run´).

Der Retter, der Lichtbringer: Die Welt lag in Trümmern. Kahle Ebenen, zerstörte Reiche, das Schicksal schien verloren. Doch aus der Dunkelheit erhob sich der Ruf nach einem Retter, einem Schwertträger, einem Helden, der den Schmerz durchbricht und die Hoffnung entfacht. Mut, Verantwortung und Licht standen auf dem Spiel („You could be the savior of the world… it’s all there in your hands.“ – ´Savior Of The World´).

Die Macht der Giganten: Die Giganten erkannten ihre eigene Macht. Nicht aus Hochmut, sondern aus dem Mut, Grenzen zu überwinden und das Schicksal herauszufordern, konnten sie ihre göttliche Kraft entfalten. Sie flogen in die Höhe, formten Himmel und Sturm, und lernten, dass jeder von ihnen die Fähigkeit besitzt, wie Gott zu sein („To live and let live is the only way out for us… We can be gods sometime in life.“ – ´We Can Be Gods´).

Vergänglichkeit, Wiedergeburt, Ewigkeit: Ein Sprung ins Licht, in Feuer und Wiedergeburt, in die Erkenntnis, dass alles Vergängliche nur ein Augenblick in der Ewigkeit ist. Sternenstaub in den Adern, im Herzen verbunden, Mut und Leidenschaft als Kompass auf einer Reise über die Zeit hinweg („Into the sun I dive, into the bright I fly… Nothing’s forever, nothing but light.“ – ´Into The Sun´).

Kosmische Verbundenheit, Herzschlag des Universums: Das Universum selbst schien zu atmen, jede Verbindung von Herz und Seele erzeugte ein harmonisches Band, das Liebe, Schicksal und Hoffnung verband. Durch Galaxien und Lichtjahre hindurch formten sie gemeinsam eine Ordnung jenseits von Raum und Zeit („Stardust in our veins will feed the passion’s flame… Universe – gravity for hearts.“ – ´Universe (Gravity For Hearts)´).

Tod, göttliche Hand, Licht und Erlösung: Am Ende der Reise erschien die Hand Gottes. Vor Tod und Abgrund nah, bot sie Erlösung und Licht. Die Giganten, erschöpft und gezeichnet, spürten die göttliche Präsenz, die sie durch Dunkelheit und Gefahr führte, und erkannten die Verantwortung für ihr eigenes Leben und das der Welt („Right before I die, I see the hand of God… Right before I rise, I see the light of love.“ – ´Hand Of God´).

Rückkehr der Meister: Schließlich kehrten sie zurück, majestätisch und triumphal, und vereinten alle Kräfte in einem großen Crescendo. Das Universum selbst schien ihr Wirken zu feiern, während sie in kosmischer Harmonie die Ordnung wiederherstellten („Here we are, majestic – the masters are coming home.“ – ´Majestic´).

Stück-für-Stück

Das Eröffnungsstück ´Giants On The Run´ entfaltet sich wie ein sechsminütiges Monument. Andi Deris übernimmt die Führung, während Kai Hansen markante und glorreiche Gesangshighlights setzt. Epische Twin-Gitarren, schnelle Riffs, ein Chorus wie ein Ruf über Jahrtausende. ´Giants On The Run´ ist ein Albumopener, der sofort die Größe und Geschichte der Band spürbar macht. Wer hier nicht gleich aufspringt, hat vermutlich im Land der Götter verschlafen.

´Savior Of The World´ wechselt das Tempo in die klassische HELLOWEEN-Periode. Michael Kiske singt mit unverkennbarer Klarheit, Michael Weikaths Gitarren lodern wie Fackeln in der Nacht. Doppelte Bassdrums, eingängige Riffs, hymnischer Refrain. ´Savior Of The World´ ist ein Stück, das das Gefühl vermittelt, ein Schwert zu schwingen und über endlose Ebenen zu reiten. Man könnte fast erwarten, dass neben dem Gitarrensolo ein Pferd vorbeigaloppiert.

´A Little Is A Little Too Much´ wirkt wie ein leicht schmunzelnder Kurztrip durch menschliche Zerbrechlichkeit. Andi Deris und Michael Kiske tauschen sich melodisch aus, während der Song die Tücken des Alltags besingt. Ein charmanter Hard Rock-Giggle im Herzen des Albums, bei dem man kurz die Stirn runzelt und dann lacht.

´We Can Be Gods´ entfacht die Hybris der Giganten. Der Song ist treibend, kraftvoll, mit einem Hauch klassischer Queen- und Maiden-Drama-Momente. Kai Hansen, Michael Kiske und Andi Deris weben ihre Stimmen wie göttliche Fäden in das pompöse Geflecht der Melodien. Wer hier nicht den Wunsch verspürt, die Götter zu umarmen, ist für den Power Metal-Gott noch nicht verrückt genug.

´Into The Sun´ zeigt die verletzliche Seite der Band. Klavier und ein emotional aufgeladenes Andi Deris/Michael Kiske-Duett. Die Lyrics greifen nach Ewigkeit und Unsterblichkeit, tragen Sehnsucht in die Gitarrenmelodien und lassen einen Moment innehalten, bevor der Sturm weitergeht.

´This Is Tokyo´ ehrt Andi Deris’ erste Erfolge in Japan. Eingängig, stadiontauglich, catchy – ein poppig-melodischer Atemzug zwischen epischen Giganten und hymnischer Geschwindigkeit. Ein Stück, das live Mitsing-Momente garantiert und nebenbei noch Sushi-Fantasien weckt.

´Universe (Gravity For Hearts)´ entfaltet sich über acht Minuten als kosmischer Wirbel aus Tempowechseln, dynamischen Harmonien und den drei Vokalisten in perfekter Symbiose. Herzschläge und Gitarrensoli versetzen das Universum in Schwingung, voller Liebe, Hoffnung und Leidenschaft. Manchmal hat man fast das Gefühl, dass das Weltall mitsingt.

´Hand Of God´ überrascht mit hypnotischem Groove, fast tanzbarem Power Metal, jedoch ohne Trivialität. Andi Deris führt, Michael Kiske unterstützt, Gitarren entfalten monumentale Solokaskaden. ´Hand Of God´ ist eine hymnische Lektion in Klangarchitektur. Hier darf man ruhig den imaginären Hammer Gottes schwingen.

´Under The Moonlight´ bringt poppige HELLOWEEN-Vibes zurück. Michael Weikaths melodische Handschrift, Michael Kiskes Stimme in Höchstform, Midtempo, verspielt und charmant. Ein Stück, das sowohl Alte als auch Neue der Fangemeinde umarmt. Eventuell spontanes Mitgrölen nicht ausgeschlossen.

´Majestic´ als Finale ist eine triumphale, achtminütige Offenbarung. Alle drei Sänger, drei Gitarren, orchestrale Soli und ein rhythmisches Fundament katapultieren den Hörer in kosmische Höhen. Kai Hansens kompositorische Handschrift lässt das Album episch und geschlossen ausklingen. Wer nach acht Minuten nicht schwindlig ist vor Glück, hat wahrscheinlich zum gleichen Zeitpunkt einen Kürbislogo-Luftballon aufgeblasen.

Ein echtes Heldenepos

´Giants & Monsters´ ist ein kosmisches Testament, ein Epos aus Erfahrung, Leidenschaft und subtiler Ironie. HELLOWEEN erschaffen schlicht und einfach neue Hymnen. Jede Stimme – Michael Kiske, Andi Deris, Kai Hansen – jede Gitarre – Michael Weikath, Kai Hansen, Sascha Gerstner – jedes Schlagzeug-Pattern von Daniel Löble, jeder Basslauf von Markus Grosskopf ist ein Faden im orchestralen Geflecht eines Universums, in dem Giganten wandeln, Götter sprechen und Menschen zu Helden werden.

Vier Jahrzehnte nach dem Debüt zeigen HELLOWEEN ihre majestätische Reife, verbunden in einem fulminanten Ritt durch Lichtjahre, Schicksale und Herzen, unzählige Geschichten von Giganten, Sternensaat, Göttern und Sterblichen. Momente der Verspieltheit und des leichten Kitsch verleihen dem Werk seinen unvergleichlichen Charme. Selbst Giganten lachen manchmal über ihre eigene Schöpfung.

HELLOWEEN sind zurück – majestätisch, episch, unbesiegbar und dabei immer noch die verschmitzten Giganten, die wir lieben. Ein Werk, das nicht nur gehört, sondern erlebt werden muss. Denn ´Giants & Monsters´ ist eine Hymne an die Größe des Menschen und an die Unsterblichkeit von Seele und Musik.

(9 Punkte)

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Pic: Mathias Bothor
(VÖ: 29.08.2025)

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