
LONNIE JOHNSON – Blues & Ballads
1960/2025 (Prestige Bluesville/Craft Recordings) - Stil: Blues
Lonnie Johnson war nie der Lauteste, stand nie im großen Rampenlicht. Aber was er mit seiner Gitarre anstellte, war wirklich beeindruckend.
1899 in New Orleans geboren, wuchs er in einer Musikerfamilie auf und brachte sich früh Geige, Klavier und Gitarre bei, sogar die Mandoline konnte er spielen. Seine wahre Leidenschaft galt jedoch der Gitarre. Mit 18 reiste er mit einer Revue durch England. Mit 21 zog er mit seinem Bruder nach St. Louis, wo sie auf Riverboats und in Tanzbands arbeiteten.
Nun begann er richtig durchzustarten. 1925 gewann er einen Blues-Wettbewerb, was ihm einen Plattenvertrag bei “Okeh” einbrachte. In nur sieben Jahren machte er 130 Aufnahmen. Er arbeitete mit großen Namen wie Bessie Smith, Louis Armstrong und Duke Ellington zusammen. Außerdem war er einer von wenigen, die mit weißen Musikern wie Eddie Lang aufnahmen, was damals nicht die Regel war.
Lonnie Johnson war ein echter Vorreiter. Er war der erste, der die elektrifizierte Geige spielte und der erste, der auf der Gitarre Soli, Note für Note, mit Vibrato und Bending zupfte. Bis zum Ende der Vierzigerjahre reitete er auf der Erfolgswelle, ehe es in den Fünfzigerjahren plötzlich bergab ging. Er arbeitete in Hotels und putzte Böden, bis ihn 1959 ein Radiomann aus Philadelphia wiederentdeckte. Und dann kam ´Blues & Ballads´.
April 1960, Englewood Cliffs, New Jersey. Im berühmten Rudy-Van-Gelder-Studio steht Lonnie Johnson am Mikrofon. Neben ihm sind Elmer Snowden mit der akustischen Gitarre und Wendell Marshall am Bass. Es gibt keine Drums und keinen Aufruhr, nur drei Männer, die ihre Geschichten erzählen. Chris Albertson hat das Ganze produziert und Lonnie nach Jahren wieder ins Rampenlicht geholt.
Doch die ´Blues & Ballads´ betitelte Platte beginnt mit ´Haunted House´ gleich düster. Lonnie Johnson singt über verirrte Seelen in einem Geisterhaus und spiegelt sein eigenes Leben wider. Die Gitarre klingt spröde, fast vorsichtig, wie Schritte auf knarrendem Holz. Dann folgt die Ballade ´Memories Of You´ von Eubie Blake. Es ist kein klassischer Blues, eher eine gefühlvolle Rückschau. Seine Stimme zittert ein bisschen, zeigt aber Stolz, eher wie ein alter Mann, der alte Fotos durchschaut.
´Blues For Chris´ ist vielleicht eine Hommage an Albertson. Die Melodie ist persönlich, mit gezupften Tönen, die an Tropfen auf einem Blechdach erinnern. Ohne Umwege direkt ins Herz. In ´I Found A Dream´ zeigt Lonnie Johnson seinen Einfluss auf R&B. Der Song hat etwas vom Doo-Wop-Flair der Fünfzigerjahre. Ein seltsamer Optimismus inmitten des sonst schweren Albums. Die A-Seite beendet der Klassiker ´St. Louis Blues´ von W.C. Handy. Lonnie Johnson spielt ihn langsam und fast ehrfurchtsvoll. Er war selbst ein Teil dieser Zeit, als der Song absolute Bedeutung hatte.
Ein Lonnie Johnson gibt nie auf, erzählt vom Überleben, nicht vom Gewinnen, und singt ´I’ll Get Along Somehow´. Ohne Gesang, ohne Lärm, nur geschmackvolle, fließende Töne leuchten im instrumentalen Stück ´Savoy Blues´. Elmer Snowden folgt ihm wie ein Schatten. Zwei Altmeister in perfekter Harmonie. Wie ein Gebet, die Worte kommen schwer, die Gitarre ist fast still, trägt er hingegen ´Back Water Blues´ von Bessie Smith vor. Nur ein paar präzise Akkorde, wie Tropfen nach einem großen Regen. Zum Schluss mit ´Elmer’s Blues´ ein Gruß an Snowden, vermutlich improvisiert, locker und swingend, mit einem Augenzwinkern, sowie mit ´Jelly Roll Baker´ ein kleiner Scherz. Der Song, den er schon 1939 aufgenommen hat, klingt jetzt reifer, besitzt Humor und Melancholie und tönt wie ein letzter Drink schmecken sollte, bevor die Bar schließt.
Das ganze Album strahlt eine Ehrlichkeit aus, die heutzutage selten anzutreffen ist. Kein Schnickschnack. Einfach nur Musik und ein Mann, der sagt: Ich bin noch hier. Hört mir zu.
2025 strahlt das Album wieder. “Craft Recordings” hat die alten Mastertapes genommen und das Ganze neu herausgebracht, als Teil der “Bluesville Series”. Das ist kein liebloser Nachdruck: AAA, also komplett analog, direkt vom Band. 180g Vinyl und ein schickes Cover wie früher, dazu ein Obi für den Sammler mit neuen Linernotes von Scott Billington. Lonnie Johnsons Stimme kommt gut rüber, die Gitarre klingt lebendig. Es fühlt sich an, als würde er neben dir auf der überdachten Veranda spielen, während draußen der Regen auf das Dach prasselt.
Lonnie Johnson stand nie ganz oben auf den Plakaten. Aber ohne ihn hätten wir keine Soli von B.B. King, keinen Django und vielleicht nicht mal Dylan, wie wir ihn kennen. ´Blues & Ballads´ ist sein Spätwerk und trotzdem eine Art Essenz. Ein Mann, der die Musik gelebt hat, ohne sich jemals zu verkaufen. Mit dieser Wiederveröffentlichung bekommt er nun ein wenig von dem Applaus zurück, den er schon lange verdient hat.
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