MeilensteineOnly Jazz Is RealPlattenkritikenPressfrisch

BILL EVANS TRIO – Sunday At The Village Vanguard

~ 1961/2023 (Concord/Craft Recordings/Universal) – Stil: Jazz ~


Der US-amerikanische Jazzpianist und Komponist William „Bill“ John Evans kehrte 1955 im Anschluss an seinen Dienst bei der Armee nach New York zurück und lernte im Jazzclub „Village Vanguard“ Miles Davis und Thelonious Monk kennen. Im Club „Greenwich Village“ begann er in der Formation von Bandleader Jerry Wald zu spielen. Er nahm schließlich sein eigenes 1957er Debüt-Album ´New Jazz Conceptions´ auf und formierte das erste BILL EVANS TRIO mit Bassist Teddy Kotick und Schlagzeuger Paul Motian.

Als Red Garland das berühmte Sextett von Miles Davis verließ, stieß der Jazzpianist offiziell im April 1958 als neues Mitglied neben John Coltrane, Cannonball Adderley, Paul Chambers und Philly Joe Jones hinzu. In der Zwischenzeit steigerte sich das Ansehen von Bill Evans immens. Er war für die Neuharmonisierung bekannter Songstrukturen bekannt und ersann mit seiner linken Hand unter Hinzufügung zusätzlicher Notenakkorde eine eigene Sprache. Oftmals spielten seine beiden Hände gleichzeitig in unterschiedlichen Takten. Gerne überließ er bei seinen angeschlagenen Akkorden den Hauptton dem Bassisten.

Der Pianist war an Cannonball Adderleys 1958er Album ´Portrait Of Cannonball´ sowie Art Farmers 1958er Album ´Modern Art´ beteiligt und spielte schließlich noch im Frühjahr 1959 das weltberühmte ´Kind Of Blue´ von Miles Davis mit ein. Doch zu diesem Zeitpunkt war er längst nicht mehr festes Mitglied des Sextetts. Womöglich lag sein kurzes Engagement bei Miles Davis auch darin begründet, dass die überwiegend schwarze Anhängerschaft des Sextetts selbst beim Applaus für den weißen Musiker Evans zurückhaltender blieb als bei den anderen Bandmitgliedern.

Bill Evans gründete ohne Umschweife ein allerdings kurzlebiges Trio mit Jimmy Garrison und Kenny Dennis. Denn Mitte 1959 traf er auf den Bassisten Scott LaFaro, der mit ihm und Schlagzeuger Paul Motian ein eigenes Trio gründen wollte. Das berühmte BILL EVANS TRIO mit LaFaro und Motian ward geboren.

Der US-amerikanische Jazz-Musiker Rocco Scott LaFaro begann erst mit 18 Jahren Kontrabass zu spielen. Zuvor versuchte er sich an Klavier, Bassklarinette und Tenorsaxofon. Er spielte mit der Buddy Morrow Big Band, mit der Band des Pianisten/Vibraphonisten Victor Feldman, mit dem Trompeter Chet Baker und dem Bandleader Stan Kenton. Doch erst in Bill Evans fand er seinen musikalischen Seelenverwandten. Mit diesem entwickelte er einen gegenmelodischen Begleitstil. Neben seinem Engagement beim BILL EVANS TRIO spielte er auch noch Bass für Ornette Coleman und Stan Getz. Der US-amerikanische Jazz-Musiker und Komponist Stephen Paul Motian begann mit 12 Jahren Schlagzeug zu spielen. Im Jahr 1954 unternahm er die ersten Schritte als professioneller Musiker. Bevor er dem BILL EVANS TRIO beitrat, spielte er noch vorübergehend mit dem Pianisten Thelonious Monk.

In den Jahren 1960 und 1961 produzierte das BILL EVANS TRIO die Studioalben ´Portrait In Jazz´ und ´Explorations´. Doch zur wegweisenden Trio-Formation wuchs sie erst mit einer Veröffentlichung der Aufnahmen ihres zweiwöchigen Live-Engagements im Juni 1961 in dem bekannten Jazz-Club „Village Vanguard“ in der Seventh Avenue im New Yorker Stadtteil Greenwich Village. Die von Produzent Orrin Keepnews für die Nachwelt festgehaltenen Aufnahmen aus den fünf Sets vom 25. Juni 1961 veröffentlichte ihr Plattenlabel „Riverside“ unter den Titeln ´Sunday At The Village Vanguard´ und ´Waltz For Debby´.

Der Grund für die Veröffentlichung von ´Sunday At The Village Vanguard´, nur drei Monate nach den Aufnahmen, lag im tragischen Tod von Scott LaFaro begründet, der zehn Tage nach dem Live-Auftritt bei einem Autounfall ums Leben kam. Daher trägt die Scheibe auch den Untertitel „Featuring Scott LaFaro“. Denn es wurden für diese Veröffentlichung als Hommage an den Verstorbenen ausschließlich solche Lieder ausgewählt, die herausragende Soli von Scott LaFaro enthielten sowie zwei von ihm komponierte Titel aus dem Set (´Gloria‘s Step´ und ´Jade Visions´).

Mit diesem virtuosen und meisterlichen Spiel, dem bemerkenswertesten eines einzigen Tages ging Scott LaFaro in die Geschichtsbücher der größten Bassisten aller Zeiten ein. Mit diesen beiden Werken wurde das BILL EVANS TRIO zu einer der einflussreichsten Formationen der Jazz-Geschichte.

Sogar der selbstkritische Bill Evans betrachtete ´Sunday At The Village Vanguard´ und ´Waltz For Debby´ als die musikalischen Sternstunden ihres Zusammenwirkens. Die Sonntagsmatineen im Jazzclub „Village Vanguard“ waren seither etwas Besonderes und das BILL EVANS TRIO begründete diese Tradition.

´Sunday At The Village Vanguard´ ist die größte Jam-Session eines Jazz-Trios samt Klavier. Die Vorstellung des BILL EVANS TRIO ist technisch versiert und äußerst anspruchsvoll. Jeder Musiker spielt mit einer ungemeinen Raffinesse und einer außerordentlichen Präzision. Drei Giganten an ihren Instrumenten stürzen von Improvisation zu Improvisation und offenbaren zueinander ein absolut blindes Verständnis. Vom ersten Augenblick an agiert der Bass gleichberechtigt im Zentrum des Geschehens, weil der Bass nicht einfach nur Bass spielt. Erstmals in der Geschichte spielen Musizierende im Grunde genommen nicht nur zusammen, sondern sie treten in ein musikalisches Gespräch.

Dieser musikalische Dialog im „Village Vanguard“ wird die erste große Live-Aufnahme des BILL EVANS TRIO und entsprechend der örtlichen Gegebenheiten von Hintergrundgeräuschen und klirrenden Gläsern begleitet. Allein aufgrund dieser Atmosphäre wähnt sich der Hörer an einem der Tische des „Village Vanguard“ sitzend und dazugehörig. Mit ´Gloria’s Step´ von Scott LaFaro schlendert das Trio sechs Minuten lang durch die Sonntagsmatinee, bevor das Bass-Solo die sanftmütige Klaviermelodie zum Tee mit Schuss durchlöchert. Verhangen zeigt sich hingegen die Melodie von George Gershwins ´My Man’s Gone Now´ in der Umsetzung durch das BILL EVANS TRIO und trägt bei aller Dramatik ebenfalls ein Bass-Solo mächtig auf. Selbst bei den Improvisationen zur neunminütigen Interpretation von Miles Davis‘ ´Solar´ kennen die drei Männer bei ihren langen Erkundungen an einem liebend gerne nie enden wollenden Nachmittag kein Halten mehr. Das BILL EVANS TRIO wagt sich sogar, ´Alice In Wonderland´ aus Walt Disneys Filmproduktionen über acht Minuten lang in seine Einzelteile zu zerlegen. Der Standard ´All Of You´ von Cole Porter wird über acht Minuten in eine andere, in eine impressionistische Welt geführt, natürlich in die mit Serpentinen-Bass-Pfaden und kurzem Schlagzeug-Solo. In aller Versunkenheit erlebt das BILL EVANS TRIO die letzten Minuten des sonntäglichen Nachmittags mit ´Jade Visions´ von Scott LaFaro.

´Sunday At The Village Vanguard´ ist nicht nur ein magischer Moment der Jazz-Geschichte, sondern der gesamten Musik-Historie.

(Klassiker)

 

´Sunday At The Village Vanguard´ erscheint in der von „Craft Recordings“ wiederbelebten Reihe „Original Jazz Classics“ auf schwarzem Vinyl, in einer rein analogen AAA-Version frisch aufgelegt, natürlich auf 180g-Vinyl in einem Tip-on Jacket und mit einem coolen OBI-Streifen für den Sammler. Die mehrlagige Innenhülle ist eine antistatische MoFi aus Reispapier. Das hochklassigeVinyl ist bei RTI produziert und wurde durch Kevin Gray von den Original-Masterbändern erstklassig gemastert.

 

 

Musiker:
Bill Evans – Piano
Scott LaFaro – Bass
Paul Motian – Drums

 

https://www.facebook.com/BillEvansOfficial