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HERBIE NICHOLS TRIO – Herbie Nichols Trio

~ 1956/2023 (Blue Note) – Stil: Jazz ~


Der US-amerikanische Jazzpianist Herbert Horatio Nichols wuchs im New Yorker Stadtteil Harlem auf und spielte den überwiegenden Teil seiner Musikkarriere als Dixieland-Pianist. Denn selbst seine Freundschaft zu dem Pianisten Thelonious Monk konnte ihn nicht auf der Karriereleiter voranbringen.

Zu seinen musikalischen Einflüssen, seit er mit neun Jahren begonnen hatte, klassisches Klavier zu lernen, gehörten Ludwig van Beethoven, Johann Sebastian Bach und Frédéric Chopin, aber auch Béla Bartók, Igor Stravinsky und der Brasilianer Heitor Villa-Lobos. Im Jazz schaute er zu Duke Ellington und Art Tatum auf.

Für Mary Lou Williams nahm er 1952 als 33-jähriger, für Alfred Lion von „Blue Note Records“ erst ab 1955 einige Lieder auf. Bereits seine ersten beiden 10inch Veröffentlichungen ´The Prophetic Herbie Nichols Vol. 1´ und ´Vol. 2´, mit seinen Mitmusikern Al McKibbon und Art Blakey, klangen anders als die seiner Zeitgenossen.

Da Herbie Nichols in seinem kurzen Leben, er starb im Alter von 44 Jahren an Leukämie, nur wenige Alben auf den Markt bringen konnte, dürfen sie allesamt als essentiell angesehen werden.

 

 

Sein 1956 unter dem Titel ´Herbie Nichols Trio´ veröffentlichtes Werk war der Gipfelpunkt. Es enthielt zehn, in den Jahren 1955 und 1956 produzierte Kompositionen, die er am 1. und 7. August 1955 sowie am 19. April 1956 in den „Rudy Van Gelder Studios“, Hackensack, New Jersey, mit Schlagzeuger Max Roach sowie den Bassisten Teddy Kotick und Al McKibbon aufnahm.

Herbie Nichols war zu Lebzeiten ein verkanntes Genie. Er war ein echtes Original und erkor weder herkömmliche Songstrukturen noch gebräuchliche Songformate. Er war selbst für die Freidenker des Jazz nicht greifbar. Vielleicht hätte er sein Talent in späteren Jahren sogar noch weiterentwickelt, da er sich nach eigener Auffassung erst in einem Entwicklungsprozess befand, doch bereits zu diesem Zeitpunkt waren seine Kompositionen allesamt meisterhaft.

Interessanter und außergewöhnlicher Weise versah er seine Kompositionen immerzu mit einer kleinen Einführung und einem kurzen Trommelwirbel, ehe sich die eigentliche Melodie entfalten konnte. Kein anderer Jazz-Musiker hat etwas in dieser Art jemals vollzogen.

Wie eine perfekte und tief verbundene Partnerschaft klang daher auch das Zusammenspiel von Herbie Nichols und Schlagzeuger Max Roach. Denn durch dessen Mitwirken entfloh das Werk einem gewöhnlichen Klavier-Werk mit Rhythmusbegleitung. Das Schlagzeug spielte sich des Öfteren wie selbstverständlich in den Vordergrund und setzte immerfort dazu an, die Führung zu übernehmen, oder erwies sich als Ausrufer für einen Richtungswechsel.

 

HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO

 

Das eröffnende Stück ´The Gig´ und das unheilschwangere ´House Party Starting´ sind der perfekte Einstieg in die Welt von Herbie Nichols. Während sich hier alles um eine Jam-Session und eine immer voller werdende Party dreht, lässt Herbie Nichols in ´Chit Chattin’´ alles einfließen, was er in den Clubs jede Nacht erlebt hat, musikalisch sogar klassische Musik.

Mit ´Terpsichore´ spielt er zum Stepptanz in Erinnerung an Teddy Hale und Baby Laurence auf und mit ´Spinning Song´ dreht er ganz mächtig am Spinnrad. In ´Query´ fächert der Rhythmus unentwegt zum Akkord, um auf eine Frage mit Noten zu reagieren, und in ´Wildflower´ könnte es trotz wildem Pianospiel zum Fingerschnippen für einen funkelnden Rohdiamanten kommen. Selbst das Avantgarde-Vorzeigestück ´Hangover Triangle´ über ausgelassene Beobachtungen auf einer Parkbank am Wochenende legt die Hast zur bluesigen Ansage nicht ab.

Daneben enthält die Scheibe noch das überraschende Gershwin-Cover ´Mine´ sowie den einzigen Jazz-Standard von Herbie Nichols. ´The Lady Sings The Blues´ schrieb er für Billie Holiday, entspricht allerdings nicht seinem avantgardistischen und experimentellen Trio-Ton. Doch das wilde Feuer eines kompositorischen Meisters brennt im Übrigen ohnehin unentwegt.

 

HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO
HERBIE NICHOLS TRIO

 

Ein übersehener und verkannter Klassiker.

 

 

´Herbie Nichols Trio´ erscheint in der „Tone Poet Vinyl“-Reihe, in einer schwer zu übertreffenden Neuauflage und Pressung, d.h. audiophiles, rein analoges Mastering von den Original-Analogbändern, einer Stereo-180g-Vinyl-Pressung samt einem mega-dicken, glänzenden Gatefold-Cover, wattierter Innenhülle und einem Deluxe-Tip-On Jacket.

 

 

Herbie Nichols – Piano
Max Roach – Drums
Teddy Kotick (# 6-8 & 10) – Bass
Al McKibbon (# 1-4 & 9) – Bass