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ROSE BAYONET – Leather And Chains

~ 1984/2020 (Rockstuff Records) – Stil: Heavy Metal ~


Ich hab vor langen Jahren mal eine Platte von einer Blogspotseite gezogen und mich direkt verliebt. Eine LP mit einer Band aus Neuseeland in den frühen bis mittleren 80ern war obskur genug für Vaddi, die Musik darauf aber auch wirklich geil, im Grunde beseelt vom NWoBHM-Spirit und das am Arsch der Welt, fernab vom Mutterland. Da sehe ich Parallelen zu den kanadischen GHENGHIS KHAN. Einige Zeit später habe ich dazu ein Review verfasst. Nun ist es über ein Jahrzehnt später und auf einmal fällt mir eine Neuauflage der LP aus dem Jahr 2020 in die Hände. Zeit also, mein Review neu aufzulegen.

Schwere Beatmusik aus Neuseeland ist mir im Grunde nicht so bekannt. Hab da ein oder zwei Bands aus Australien, die ich kenne, naja, ein paar mehr, aber die 80er Metalfraktion von der Nachbarinsel gehört bei mir noch zu den eher jungfräulichen Territorien. Umso positiver überrascht bin ich von ROSE BAYONET aus Wellington, denn deren dreckiger, wilder NWoBHM-Sound, leicht unterproduziert, dafür umso feuriger gespielt mit irrsinnigen Leadgitarren und einer gehörigen Portion fast punkiger Wut selbst in den verspielteren Passagen ist schon grandios.

Das donnernde und treibende ´Death Rattle´ ist ein perfekter Einstieg, eher straight angelegt, im Mittelteil mit herrlich entfesselten Soli und schön zornigem Gesang. ´Let It Die´ ist gesanglich ein wenig melodischer, wenngleich vom Energielevel gleichsam zornig, der Mittelteil ist ein komplett wie ein wilder Hengst abgehendes Solo über treibender, straighter Metalstruktur aus Bass und Schlagzeug. NWoBHM durch und durch, ich könnte verschiedene Namen in den Raum werfen, aber ich lass es mal. Schöne stampfende Hardrockparts sind ebenfalls in diesem Song vertreten und lockern ihn gut auf.

Flotte, treibende Stücke scheinen ROSE& BAYONET besonders zu liegen. ´Blow Me Away´ ist ein weiterer NWoBHM-Abgeher. Auch hier treibende Rhythmen, viel Doublebass, eine herrlich intensive Leadgitarre, die natürlich den Umstand überbrücken muss, dass ROSE BAYONET nur einen Gitarristen haben. Dieser kann dafür sehr lockere, offene Läufe spielen, die sich dem hohen Energiestandard der Stücke entsprechend anpassen und wie irrsinnig abfetzen. Düster und stampfend dann ´Demon Rider´ mit viel Horroratmosphäre, Gewittersamples, doomig brodelnden Soli. Ich merke, wie einprägsam und wirklich herausstechend diese Songs sind, selbst für einen Stil, dem sehr viele Bands zur gleichen Zeit nachgingen. Großer Pluspunkt für die Band. Und dieses unsagbar geile Abfetzen, die Unbekümmertheit und positive Wut, sie machen ´Leather And Chains´ zu einem der besten „Vergessenen-Alben“ der 80er.

So obskur scheint die Kapelle, dass sich nicht einmal unsere griechischen Lieblinge zwecks Bootleg rangetraut haben und die haben sich nun wirklich allen möglichen Scheisses angenommen. (Kleiner Seitenhieb gen HMR und ähnliche „Labels“, die aber wiederum manchmal, ich sag nur SALEM’S WYCH, durchaus wichtig wären.)

Der Titelsong kommt reingedonnert, überrollt uns alle mit seiner Triolendoublebassdrum und knattert mittelschnell, wiederum einprägsam und aufputschend wie eine Nase Amphetamine tief in unsere Seele hinein. Zeit für Erholung, eine Ballade, ein Traum von einer Ballade. Schon eher späte 60er oder frühe 70er, schön, einfach mystisch, fast ein Folksong, sogar mit dezenter Geige unter der akustischen Gitarre. Die Gesangslinie ist ergreifend schön, verträumt, ich könnte fast anfangen zu weinen. Es kommen mehr Instrumente hinzu, wobei der verspielt epische Part trotz Bass und Schlagzeug noch immer von der akustischen Gitarre getragen wird. Die Ballade an sich bleibt also, wird nur etwas energetischer. Ein paar klar gespielte Soli der elektrischen Gitarre verzieren die wundervollen Läufe, dann wird der Song leiser und leiser, versickert langsam im Nichts.

Das waren die Studioaufnahmen. Jetzt geht es mit einem epischen Heavysong weiter, der, das sagt uns der räudige Sound, von der Bühne aus mitgeschnitten wurde. Wie immer sind ergreifende Melodien angesagt, eine geradlinige Struktur und ein hohes Maß an Energie. ´Hell On Earth´ nennt sich das gute Stück, erschafft trotz des abenteuerlichen Klangs eine magische Atmosphäre und bricht aus dem Stampfpart schnell aus in einen treibenden, sehr englisch klingenden Heavy Metal.

Alle Fans von Bands wie MYTHRA, BLITZKRIEG und CRUCIFIXION wären hier sicher begeistert und ich weiß, wie viele es davon gibt. Dazu die Anmerkung, dass auf der Neuauflage von 2020 dieses Stück durch das flotte ´When The Lights Are Out´ getauscht wurde. Geboten wird uns ein treibender Heavy Metal-Song mit typischen Britenfeeling. ´Night Fighters´ ist eine eher erdige Mid-Tempo-Nummer, die gerade im jammigen Mittelteil aufblüht und schön bissig wirkt. Das Gitarrenspiel steht immer kurz vor der Explosion, auch wenn sich der Mann im Dienste des Songs an sich hält. Ich finde das extremst geil, trotz des rotzigen Klangs.

Die Liveatmosphäre hier wurde perfekt eingefangen. ´Preditor´ ist dann der Schlusspunkt, ein weiterer nach britischem Metal der frühen 80er klingender Smasher. Kann man wohl der Hochglanzsoundfraktion heuer nicht mehr anbieten, das würde in den einschlägigen Gazetten und Onlinepublikationen eine Menge Schmähworte hageln, aber ihnen sei ihre Ignoranz ebenso vergönnt, wie einem Undergroundmetalfanatiker seine blasphemische Liebe zu ROSE BAYONET und gerade zu den vollkommen losgelassen wirkenden Livetracks.

Es ist mehr als nur Kult. Insgesamt ist diese Scheibe natürlich Sammlern, aber ihre Musik generell allen Schwestern und Brüdern zu empfehlen, die ihre Seele gerne mit NWoBHM-Sounds zum Phosphorisieren bringen. Wenn man das Original nicht finden kann, gibt es nun in Neuseeland ja die Wiederveröffentlichung auf www.rockstuff.co.nz.

Die Importpreise machen das Teil zwar teuer, aber längst nicht so irre, wie ein Original. Die auf 300 Stück limitierte LP kommt mit drei Bonustracks im Klappcover und als blaues Vinyl. Und bei mir hat der Sänger Geoff Dunn noch zusätzlich das Beilageblatt signiert, persönliche Widmung. Geiler Scheiss.