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POOR GENETIC MATERIAL – Elsewhere

~ 2023 (Independent) – Stil: Prog Rock ~


Endlich darf ich es in Händen halten. Ein neues Album der lokalen Prog-Helden POOR GENETIC MATERIAL. Der Vorgänger ´Here Now´ ist ja auch schon wieder drei Jahre her. Seitdem haben sie uns mit der Jubiläums-Ausgabe von ´Spring Tidings´ verwöhnt sowie einige instrumentalen Tracks, die ausschließlich elektronisch zu erhalten sind. Das erste, das auffällt, ist die an den Vorgänger anschließende schöne Optik. Blättert man dann im Booklet, ist zu lesen, dass ´Elsewhere´ nur las Trio eingespielt wurde? Wie bitte? Was ist mit Pias (Darmstaedter) Flöte? Was mit dem Gesang von Martin Griffiths, der seit geraumer Zeit die Band verstärkt? Ebenfalls nicht an Bord sind der Bassist Dennis Sturm und Drummer Dominik Steinbacher. Nur Sänger Philip Griffiths ist an Bord, die Saiteninstrumente spielt Stefan Glomb und Philipp Jaehne ist zuständig für Keyboards und Programmings.

Auf Nachfrage erklärt Herr Jaehne: „Die 7er-Besetzung (mit Martin und Flöte) ist bei dem Album am Start, auf dessen Mix wir seit anderthalb Jahren warten. Das wird wohl erst nächstes Jahr fertig. In der Zwischenzeit wollen Phil, Stefan und ich aber nicht nur rumsitzen und warten. Um nur alle 4 oder 5 Jahre ein Album rauszubringen, haben wir zu viele Ideen. Deshalb machen wir einfach weiter, mit Stücke schreiben und aufnehmen. Die 3er-Besetzung löst also nicht die 7-Besetzung ab, sondern verkürzt nur die Wartezeit.“ Das klingt nach einem Plan.

Und der Plan geht auf. Finde ich zumindest. Denn ´Elsewhere´ enthält 47 Minuten POOR GENETIC MATERIAL. Natürlich klingt eine kleine Besetzung anders. Das beginnt schon damit, dass die Flöte, sonst immer ein führender Klang, fehlt. Trotzdem gelingt es, dass der Hörer sie nicht vermisst. Auch manche Songstrukturen mögen simpler sein, vielleicht etwas mehr, oder besser auf anderen Wegen auf den Punkt. Hier klingt streckenweise eine Spontaneität durch, die durch gemeinsames Jammen begründet sein dürfte. Was vor allem aber auffällt, Sänger Phil gelingen die scheinbar einfachsten Gesangsmelodien seit langer Zeit, eigentlich seit ALIAS EYE. Aber gerade das Einfache, das so leicht erscheint, ist oft am schwierigsten zu erreichen.

Allem liegt eine gewisse melancholische Atmosphäre zugrunde. Auch wenn Verlust und Einsamkeit Thema sind, neigen POOR GENETIC MATERIAL nicht zum Weinerlichen. Immer wieder lösen sie diese Momente hin zu himmelschwebenden Passagen voller Licht auf. Vor allem die wunderbaren instrumentalen Passagen im 15-minütigen Titeltrack strahlen hier. Da macht sich sicher auch die Erfahrung mit COARBEGH bemerkbar, wo Philipp Jaehne sich mit rein instrumentalen Klängen betätigt. Und am Ende beweisen die drei, auch ein Verlust ist nicht das Ende. Irgendwann blättert man die Seite um, für etwas Neues. Ohne das Alte, Verlorene dabei zu vergessen. So wird ´Elsewhere´ für mich zu einem Album, das Mut macht und Hoffnung gibt. Das mir das Licht zeigen kann, wenn es mal dunkler ist. Und es dürfte vielleicht vielen so gehen.

Oder in eigenen Worten, everywhere is elsewhere.

(9 Punkte)

 

www.facebook.com/poorgeneticmaterial

poorgeneticmaterial.bandcamp.com/album/elsewhere-2


(VÖ: 15.09.2023)