Livehaftig

KARIN RABHANSL BAND

~ 17.06.2023, Kreuzwirtskeller, Hilpoltstein ~


Es sollte eine Überraschung werden. Eine Fahrt ins Blaue inklusive Musik mit unserem geliebten Dexter (Serienkiller-Konzert-WoMo). Doch wenn man fast 30 Jahre die gleichen Interessen hat und die Live-Band-to-see-Liste gemeinsam über die Jahre abgearbeitet hat, bleibt nicht mehr viel, mit dem die kleine Karin den alten Less noch wirklich überraschen kann.

 

 

Ich schwöre, ich habe nicht gegoogelt, wollte mich echt dem Ungewissen hingeben, doch als ich nach Angabe der Fahrtzeit (ca. 3 Stunden) die wenigen Künstler durchging, die uns am Herzen liegen und die wir noch nie live gesehen haben, fiel es mir (auch in Verbindung unserer Vorliebe zu gutem Bier und deftigem Essen) nach geistigem Abgleich der vier Himmelsrichtungen wie Schuppen aus den Haaren: Frankenland, da ist KARIN RABHANSL auch nicht weit!

 

 

Treffer, versenkt! Die Enttäuschung meiner Karin währte nicht lange, spätestens als wir am Altmühlsee unser kaltes Bierchen in der Hand hielten, stieg die Vorfreude auf den kommenden Tag ins Unermessliche. Gut ausgeruht und komplett tiefenentspannt stellten wir voller Vorfreude fest, dass die Location gerade mal zehn Minuten Stolperdistanz von unserer gewählten Homebase entfernt war.

 

 

Der Kreuzwirtskeller. Für solch‘ eine geile Location im eigenen Dörfchen würde mancher töten. Eigentlich mitten im Wald, umgeben von Bäumen, Sonnenschäden ausgeschlossen. Dazu eine Naturbühne, zu der man hochschauen konnte wie auf einem richtig großen Open Air. Das Urlaubsfeeling wurde weiterhin dadurch verstärkt, dass kleine, gemütliche Tisch-Stuhl-Kombinationen, Bierbänke, Stehtische und ähnliches drapiert waren. Wie in einem fränkischen Biergarten halt. Also Frontrow und das im Sitzen… wobei es mich aufgrund der Musik als auch des ungewöhnlich starken Durchlaufes feinster Bierbraukunst kaum auf dem Stühlchen hielt. Let’s go!

 

 

In ihrem traditionellem Kniestrumpfbandoutfit zum Rock’n’Roll-Look entern die vier Reiter der bayrisch-fränkischen Apokalypse die Bühne und es wird von Anfang an klar, welch fantastische Chemie zwischen ihnen herrscht. Seit dem letzten Album hat Karin ihre bisherige Traumbesetzung gefunden.

 

 

Blickfang neben ihr selbst am Bass und Mikro ist definitiv der langhaarige „Metalstar“ Joschi Joachimsthaler, der auf seinem Ende 2021 erschienenen Solowerk ´… und andere komplizierte W​ö​rter´ einem jeden Gitarristen von nah und fern zeigt, wo der Frosch die Locken hat. Und zwar nicht in irgendeiner einschränkenden Stilart, sondern in einem Rundumschlag an originellen Flitzefingervariationen, die dir die Kappe vom Schädel wehen und das Sprachzentrum kurzzeitig ausschalten.

 

 

An den Drums dahinter der Projektmusiker und Schlagzeuglehrer Simon „BumTschackNoris“ Weber, bei dem es eine wahre Freude ist, die Inbrunst zu sehen, wie er die Songs nach vorne treibt und dazu noch leidenschaftlich Backings beisteuert, was übrigens die gesamte Band tut.

 

 

Allen voran natürlich Karins Sparringspartnerin-in-Crime (beide auch als Akustikduo) Julia Fischer, deren Album mit ihrer JULES BAND ich jedem breit aufgestellten Musikfan nur wärmstens ans Herz legen kann. Ihre wunderbare Stimme kommt gerade im Duettgesang mit Karin fantastisch rüber, dazu schnallt sie sich ab und an sogar noch die Gitarre um, wenn sie nicht gerade die perfekte Atmosphäre mit geiler Sauorgel oder anderen Keyboardsounds zaubert.

 

 

Mit einem fetten ´Rodeo´ und weiteren Krachern von der aktuellen Platte als auch dem Werwolfsong ´Dieses Heulen´ vom Vorgängeralbum steigen die Vier gnadenlos ein und ich bin bereits restlos begeistert und am Ziel meiner Träume… wüsste ich nicht, was für Granaten Karin Rabhansl und Band noch im Programm haben.

 

 

Die bekennende Sheryl Crow-Verehrerin hat von derselben ein Stück zu ihrem Eigenen gemacht – welches verrate ich an dieser Stelle nicht, damit ihr gezwungen seid, euch ´Wenn’s Dir a Freid mocht´ selbst anzuchecken und rauszufinden, wie stark dieser ohnehin schon fantastische Song umgesetzt wurde.

 

 

Ihr uralter Gassenhauer und ewiger Slogan ´Mogst schmusn, mia wad’s wurscht´ vom ersten gleichnamigen Album gestaltet sich als augenzwinkernde Reggae-Attacke samt Heavy-Ausbruch, gefolgt vom zweiten sehr originellen und ultrastarken Cover ´60 Watt Sonne´ von den mittlerweile aufgelösten Kieler Post-Punkern KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFEN. Mittlerweile dürfte es keinen mehr im Livebiergarten des Kreuzwirtskellers geben, der keine ´Gute Zeit´ erlebt, die Pause hat sich die Band redlich verdient.

 

 

Das hat die Karin clever gemacht. Erstmal die Leute am Haken, geht’s richtig los; sie zeigt ihr zweites Gesicht und es wird ernst. Und zwar textlich, persönlich und… teuflisch. Schon auf ihrem ersten Album entstand diese Verbindung durch ´Scher dich doch zum Teufel´. Ja, Freunde – nun kann sich auch heute noch der gediegene Black Metaller Gedanken über Baphomet, Satanas oder den Deibl machen.

 

 

Doch zunächst nimmt ´Anett´ bitte mal die Hände weg von anderer Leute Brüsten – nicht nur die Männerwelt übertritt gerne mal die Grenzen der individuellen Unanfummelbarkeit und des Anstandes. Gerade heutzutage heißt ein „NEIN“ nein und bleibt ein „NEIN“.

 

 

Da gehen wir lieber auf den ´Berg´ und denken sentimental über verflossene Liebe nach, bis die Feinschmecker wieder so weit sind für die dunklen Dinge des Lebens: Wenn dein Hirn dir die Welt anders darstellt, als sie wirklich ist, dann fühlt sich das leider nur allzu ´Real´ an und ist Thema für eine wahre Depri-Rock-Hymne mit psychedelischem Gitarrenspiel im Mittelpart und wahrhaft epischen Ausmaßen.

 

 

Gut, dass das Publikum gefühlt aus lauter Musikfreaks besteht, denn nach dieser intensiven Darbietung wäre auf einem stinknormalen Bierfest erstmal Feierabend mit der Stimmung, hehe – ich dagegen werde langsam ekstatisch, da ich weiß, dass es das ´Liachtal´ am Ende des Tunnels wirklich gibt und besonders mit ihm eine Tiefe in dieser Musik, die ihresgleichen sucht. Grandios. Zeitlos.

 

 

Und wir bleiben beim den wirklich ernsten Dingen des Lebens. Einen ´Vampyr´ der dir die Lebensenergie nach und nach aussaugt, hat jeder schon einmal getroffen, gefühlt in der Zeit der Suche noch mehr. Verdammt emotional wird er heute weggescreamt und der Mann mit dem Sauerstoffhammer – der in diesen Gefilden als ´Schaufema´ mit der Schaufel zuschlägt – ebenso. Inklusive Katze. Er kommt eh net, wir sind ja draußen.

 

 

Vorhang auf für den überragenenden Zweiteiler von den Crossroads, die jeder Musiker irgendwann besucht, um den „Deal with the Devil“ abzuschließen zugunsten musikalischer Genialität. Die URIAH HEEP Orgel läutet den ersten Teil mit dem Rock-Kracher ´Wenn I doad bin´ ein. Mit ihrem Bass beschwört Karin den Deibel beim zweiten Part erneut herauf mit der Kampfansage: ´Er oder I´. Ohne Worte – Jahrhundertsong, bzw. Doppel.

 

 

Nach dieser schweren Kost für Mainstreamer und einem Fest für Musikliebhaber lässt sich die Band nicht lange um eine Zugabe bitten und knallt die fetzige Punknummer ´Auseinander´ von ihrer  7“Single in den Wald. Die gute-Laune-Songs ´I dad de´ und ´Ohne mich´ vom zweiten Album lassen eine glückliche Zuhörerschaft zurück, die diesen Abend mit verantwortungsvollem Trinken beendet.

 

 

Karin Rabhansls Musik ist so abwechslungsreich wie das Leben selbst, das macht den Zauber der Alben und Liveauftritte aus. Hätte ich sie früher eher als Poprockerin zwischen Jule Neigel und Melissa Etheridge eingeordnet, so erklimmt sie gerade nach den wahren Rock-Eminenzen Joan Jett oder Suzie Quatro mit den jungen Wilden wie MY PRETTY RECKLESS oder DOROTHY den Rock Olymp.

Glabst‘ ned? Voidepp.

 

karinrabhansl.de

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