~ 2023 (Meadow Lake Music/Rough Trade Distribution) – Stil: Deutschrock ~
Nicht lange hat sich Heinz Rudolf Kunze in diesen schizophrenen Tagen in die bürgerliche Stille zurückgezogen, um dem täglichen Wahnsinn zu entrinnen. Mit geübtem Wortwitz und gewohnter Wortakrobatik meldet er sich aus seiner privaten Rückzugsidylle am Ort des Geschehens inklusive reichhaltigem Songmaterial zurück.
Ohne Fleiß kein Preis, erst die Arbeit, dann das Vergnügen,´Können vor Lachen´ wie es der mittlerweile 66-jährige Beamtensohn ausdrückt. Heinz Rudolf Kunze hat mit seinem neuen Meisterwerk seinen politischen Kampfgeist wiedergefunden und besingt zugleich sein empfindsames Seelenleben. Neben klassischem Deutschrock stehen natürlich einfühlsame Balladen im Blickpunkt.
Doch die magischen Höhepunkte präsentiert Heinz Rudolf Kunze sogleich zu Beginn mit ´Halt mich fest´ und später zum Abschluss mit ´Leuchtturm´. Ersterer Song wird derart emotional, dass er musikalisch beinahe im Artrock landet („Man hatte uns belogen, man hatte uns verdummt, man sprach schon von Schlaraffenzeit … wacht endlich auf ihr Völker.“) und mit einem feurigen Gitarrensolo ausklingt. Letzterer Song, der dunkle ´Leuchtturm´, ist dagegen eine schwere und metapherlastige Geschichte über längst ausgediente Leuchtturm-Wärter.
Dazwischen resümiert Heinz Rudolf Kunze sogar schon über seine lange Künstlerkarriere (´Die furchtbaren herrlichen Jahre´). Es finden sich Ohrwürmer für ein normales Radioprogramm wieder, herrlich zerbrechliche Liebeslieder von außerordentlicher Größe (´Halt das Herz an´), eine Poprock-Ode an die Partnerin (´Du tust mir gut´), Songwriter-Rock (´Liebes Lied´) und obendrein eine Bob Dylan-Hommage, indem er ausschweifend von einer Avenue mit berühmten Dichtern und Denkern als Bewohnern erzählt (´Trostlosigkeitsallee´).
Es gibt allerdings ebenso saftigen Gitarrenrock mit Orgelklängen (´Können vor Lachen´) und Sophisticated Rock mit Klavier (´Immer nur um dich´).
Als politischer Fingerzeig redet Heinz Rudolf Kunze dem russischen Präsidenten ins Gewissen (´Igor´), erkennt in der aktuellen Geschichte gewisse Muster („Frau Außenminister wirkt jetzt nicht nur rein hirntechnisch blass“) und hofft nur noch auf ein Wunder von Bern (´Kein Zeitgefühl´). Immerhin nutzt er derzeit als einer der wenigen diese, für einen Künstler großartige Zeit, der Politik einen Spiegel vor das Gesicht zu halten (´Der Irrsinn hat System´)
„Wir wissen nicht wer uns regiert und überhaupt warum“
„Wir wissen nicht … was uns außer Klimawandel sonst noch übrig bleibt“
„Die Hälfte wird geschlechtsumwandelt heimlich ungefragt und jeder wird geknebelt der was Unkorrektes sagt“
und erstaunlicher Weise ebenfalls Lösungen anzubieten (´Lass uns tun was geht´), obwohl die momentane Situation schier aussichtslos erscheint und selbst „Hirn vom Himmel regnen“ nicht der rettende Strohhalm sein wird.
„Mehr gibt’s nicht zu sagen.“ Doch, aber können vor Lachen und Weinen.
(8,5 Punkte)
https://www.heinzrudolfkunze.de/
Pic: Rene Gaens
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