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MAGMA – Kãrtëhl

~ 2022 (Seventh Records) – Stil: Zeuhl ~


Die Welt versinkt in Dunkelheit und Chaos. Die Apokalypse, den finalen Tag haben MAGMA bereits vorgezeichnet. ´Zëss´ spiegelte vor wenigen Jahren diese eintretende Finsternis, diese Schwärze im unendlichen Nichts wider. MAGMA feierten mit dem Prager Philharmonie Orchester in aller Epik das finale Gefecht, das in der Realität immer näher zu rücken scheint.

Derweil zog sich die französische Legende um Christian Vander gemeinschaftlich zurück. MAGMA nutzten in den vergangenen Jahren die Pause an der Konzertfront und begannen die „Operation Kartell“. Die Künstlergemeinschaft wollte sich im kollektiven Geiste frischen Kompositionen und Konzepten widmen. Sie wollten nicht mehr aus der Vergangenheit zehren, sondern die Zukunft auf Kobaïa in Augenschein nehmen. Zudem sollte nicht nur Christian Vander als Herrscher über das Zeuhl’sche Universum Kompositionen beisteuern, sondern auch die anderen Mitglieder des Kollektivs neue „Zeuhl Wortz“, neue „himmlische Musik“ erschaffen.

´Kãrtëhl´ läutet dementsprechend eine neue Ära ein, musikalisch als auch konzeptionell. Christian Vander steuert drei der sechs Hauptkompositionen bei, Sänger Hervé Aknin, Pianist/Keyboarder Thierry Eliez und Pianist/Keyboarder Simon Goubert jeweils eine. Als Bonus sind noch zwei der Kompositionen in ihrer Urfassung aus 1978, mit Klavier und Gesang von Christian Vander sowie Gesang und Klavier von René Garber zu hören. Somit entspringt der musikalische Rahmen doch nicht ganz der aktuellen Dekade, da ´Kãrtëhl´ mit eben diesen zwei Kompositionen beginnt und endet. Während ´Hakëhn Dies´ zu Beginn den Geist der Siebzigerjahre weiterlebt, führt ihn ´Dëhndë´ abschließend in kobaïanische Soul-Gefilde.

Gleichwohl werden mit dem eröffnenden und äußerst wuseligen ´Hakëhn Dies´ neue Orte auf Kobaïa erkundet. Dabei gehört der Bass von Jimmy Top gewohntermaßen prägnant in die Zeuhl’sche Musiklandschaft und natürlich intonieren Hervé Aknin und Stella Vander den Kantus („Hakëhn dëhndï leïs – Do‹ëh sëhndö“), wobei Stella Vander selbstredend den Frauenchor, bestehend aus Isabelle Feuilleboi, Sylvie Fisichella, Caroline Indjein und Laura Guarrato, anführt. Dieser irre, mehrstimmige Chor läuft im dramatisch ansteigenden ´Do Rïn Ïlï üss´ zum leichtfüßigen Schlagzeugspiel des Meisters zur Hochform auf, während die Stimmen in der Hommage an Christian Vanders Mutter, ´Irena Balladina´, auf reiner Improvisation beruhen und abermals diese südländische Gelassenheit der Siebzigerjahre ausstrahlen.

Manisch im Sinne der Gegenwart gibt sich hingegen das angespannte und anstachelnde ´Walömëhndêm´ mit einem gewohnt mehrstimmigen, aber reizbaren Gesangsensemble („Üz ürwah Üz wurdah Üz Òtauhi Üz filaö … Walomëhndêm“). Zum vortrefflich verhangenen ´Wiï Mëlëhn Tü´ greift auch wieder Hervé Aknin in das Geschehen ein („Dëh wahr Giëhlö.“), um im Verbund mit Stella Vander der Hysterie Vorschub zu leisten („Süntï süntï süntï.“). Schlussendlich wird das soulige ´Dëhndë´ mit einem funky Rhythmus gewürzt („A’ Gahtt tïwah. Sï fiëmëlëh löhd maahn.“) und zeigt die nächtliche Ewigkeit in Silber und Gold.

Zeuhl Kömmandöh Kãrtëhl.

(9 Punkte)

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(VÖ: 7.10.2022)