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MAGMA – Zëss

~ 2019 (Seventh Records) – Stil: Zeuhl ~


Der Name „Zëss“ entspricht einer scharfen Klinge und überkommt einen so urplötzlich wie ein aus dem Nichts hernieder gehender Meteor: MAGMAs Blitzsinfonie.

Die ersten Entwürfe von ´Zëss´ entwickelten MAGMA 1977 und brachten das epische Musikstück erstmals 1979 auf die Bühne. Bis 1983 spielten MAGMA ´Zëss´ live, ehe es in Vergessenheit geriet. Allein ein visuelles Tondokument zeugt von seiner Existenz (´Mythes Et Légendes Volume IV´-DVD).

´Zëss´ schlägt eine Brücke zwischen dem Beginn und Ende von MAGMA, ein Alpha-Omega-Transzendent: Aus der Dunkelheit ergießt sich die Musik und verschwindet letztlich mit einem letzten „Om!“ im Zeuhl´schen Universum. Dimensionen reißen auf, Galaxien entstehen und gehen unter, doch ´Zëss´ bleibt.

2019 erstrahlt in der Schwärze der Dunkelheit ´Zëss – Le Jour Du Néant´. Es ist der Tag des Nichts. Der letzte Tag im MAGMA-Universum. Christian Vander, Herrscher über das MAGMA-Universum, überlässt entsprechend der einstigen Live-Situation sein Schlagzeug anderen Händen und konzentriert sich in der allerersten Studioversion auf den Gesang. Das Prager Philharmonie Orchester sorgt für die sinfonische Begleitung. ´Ëmëhntëhtt-Ré´ erhielt in der Studio-Endfassung 2009 einen Prolog und auch ´Zëss´ kommt solch einer zugute.

Der Startschuss bringt Klavier und Chants in Stellung, orchestral und mit vielen gutturalen „Aaahs“ und „Ooohs“ ausgestattet (´Ẁöhm Dëhm Zeuhl Stadium´). Anstatt auf Kobaïanisch rezitiert und besingt Vander einen längeren Text ungewohnterweise auf Französisch. Derweil das Klavier repetitiv seine zwei Anschläge abarbeitet, baut das Schlagzeug die Anspannung auf (´Da Zeuhl Ẁortz Dëhm Ẁrëhntt´). Doch hernach wechselt Vander werksgetreu zum Kobaïanischen, das selten zuvor so harsch und deutsch geklungen hat. Die Klavieranschläge werden fortan von dem Orchester sowie dem selben Schlagzeugtakt getragen und Vander verfällt fasst ins Jodeln. Bläser sowie Flöten treten in das Bild und erste Frauengesänge leiten eine ekstatische Stimmung ein (´Dï Ẁööhr Spracer´). Sie sorgen auch im Folgenden für den Rückzugsort im hektischen Singsang (´Zëss Mahntëhr Kantöhm´). Der Erlösung nah, erschallen „Sanctus, Sanctus“- und „Ïëzüsz krïstüsz“-Gesänge. Die Dramatik weicht der Erfüllung und Beseligung (´Zï Ïss Ẁöss Stëhëm´). „Hei-ja“-Rufe, in Kobaïanisch „Ëh ïo ah“, werden sentimentaler und leiser, der Frauenchor tiriliert das letzte Ständchen und Streicher führen zum finalen „Om!“ (´Dümgëhl Blaö´).

Es existiert eine allererste Trilogie (´Theusz Hamtaahk´, ´Wurdah Ïtah´ und ´Mekanïk Destruktïw Kommandöh´) und eine zweite (´Köhntarkösz´, ´Köhntarkösz Anteria´ und ´Ëmëhntëhtt-Ré´), doch der dritten werden wir wohl nie mehr gewahr werden, ´Zëss´ ist der Epilog, ist wie ein Treffen der Gladiatoren im Kolosseum zum finalen Gefecht. ´Zëss´ ist zwar keine brodelnde und wuchtig donnernde Explosion zum Abschied von Kobaïa, aber eine großartige Studiofassung, die der 71-jährige Christian Vander mit MAGMA allen Kobaïanern hinterlässt.

(9 Punkte)