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SPIRITUS MORTIS – The Great Seal

~ 2022 (Svart Records) – Stil: Doom ~


Um die finnischen Patriarche des Doom noch vorzustellen, hieße Eulen nach Suomi tragen. SPIRITUS MORTIS sind bereits Legende. Dazu trugen unzählige Demos in den Neunzigerjahren und drei Studiowerke in den Nullerjahren bei. Da das vierte Album sieben Jahre auf sich warten ließ, erscheint das fünfte in diesen Tagen nach sechs Jahren erfreulich zeitnah.

Die gleichwohl lange Periode zwischen den Werken kann allerdings auch an den Umbesetzungen innerhalb der Formation liegen. Gitarrist Jussi Maijala, Bassist Teemu Maijala und Gitarrist Kari Lavila fanden erst vor vier Jahren einen neuen Sänger namens Kimmo Perämäki (MASQUERAGE, SPELLWITCH) und im vergangenen Jahr Schlagzeuger Markus Kuula (FEARRAGE, CROSS SHAPED DISGRACE). Kimmo Perämäki muss sich am Mikrofon allerdings nicht vor seinen Vorgängern Tomi Murtomäki oder Sami Hynninen (aka Albert Witchfinder, FRIENDS OF HELL, REVEREND BIZARRE) verstecken, in den hohen Tönen nimmt er sogar einmal den Konkurrenzkampf mit den skandinavischen Thronräubern des Königs sowie ein anderes Mal etwa mit David DeFeis auf.

 

 

Thematisch ist ein ritueller Massenselbstmord die passende Wahl für den Opener ´Puputan´, in dem sich der emotionale Gesang gleich prächtig präsentieren kann. Das Lied über das „vollständige Ende“, d. h. der Selbstmord der Balinesen anno 1906 aufgrund ihrer Unterwerfung durch die Niederländer, ist eine episch gesteigerte Doom-Wohltat, die alle Schlürfer der Ronnie James Dio-/Tony Martin-Ära von BLACK SABBATH sowie die Robert Lowe-Ära von CANDLEMASS entzücken wird.

Dagegen rifft sich ´Death´s Charioteer´ erst kraftvoll durch seine Minuten, ehe sich zum „Tattarisuo-Vorfall“, als einer finnischen Flussquelle nach und nach Leichenteile entsprangen, in der Schönheit des Doom gesuhlt wird. Dem Tod eines Märtyrers bei einem Selbstmordanschlag widmen SPIRITUS MORTIS den Rocker ´Martyrdom Operation´ mit klassischem Metal-Shoutgesang, der russischen Sekte der Skopzen, die in völliger Askese etwa ihre äußeren Genitalien verstümmelten, das heroische Epic Metal-Stück ´Skoptsy´ und der verfolgten Chlysten, die jeden Menschen als Christus anerkannten, das massive ´Khristovovery´.

Schmerzlos und kraftvoll zugleich ist das abermals heroische ´Visions Of Immortality´, dabei preisend, keinen Gott zu benötigen, um unsterblich zu werden. Die gefühlvollen Schwingungen von ´Feast Of The Lord´ rühmen wiederum vehement den epischen Doom hinsichtlich der Selbstverbrennungen von Altgläubigen in Russland. Schließlich nimmt sich das finale und siebenminütige ´Are You A Witch´ den Hexenverbrennungen des 14. Jahrhunderts an.

Viele Erzählungen schreiben SPIRITUS MORTIS mit ihrem fünften Werk hernieder. Indes viel bedeutender: Die Legende schreibt ihre Geschichte mit ´The Great Seal´ fort.

(8,5 Punkte)

 

https://www.facebook.com/spiritusmortis.official
https://spiritusmortis.bandcamp.com/album/the-great-seal


(VÖ: 16.09.2022)