Redebedarf

TRAITOR

~ Interview mit Bassist Lorenz Kandolf ~


Ihre Musik verschafft Euch wieder das Gefühl Eurer jugendlichen Sturm und Drang-Tage. TRAITOR aus Balingen veröffentlichen Anfang Juli ihr neues Album, das jeden Metaller erneut mit einer ordentlichen Dosis Thrash Metal versorgt. Wie es in den letzten Monaten zu diesem vierten Studioalbum kam und was die Männer in den kommenden Monaten vorhaben, verrät uns Bassist Lorenz Kandolf.

Seht Ihr Euch immer noch in der Schnittmenge zwischen US-amerikanischer Bay Area und deutschem Thrash Metal angesiedelt, oder findet Ihr, dass Ihr Euch mittlerweile einen eigenen Platz auf der musikalischen Landkarte erobert habt?

Hmmm, ich weiß gar nicht so, ich höre eigentlich mehr, dass wir als „TRAITOR“ mittlerweile einen eigenen Sound haben. Also man erkennt einen Traitor-Song, wenn er wo gespielt wird. Das liegt natürlich an Andis Stimme und möglicherweise auch am Drummingstyle. Aber wir mögen natürlich den Teutonen Stahl und die aus der Bay Area stammenden Bands – hören wir natürlich auch privat. Aber natürlich werden verschiedene Vergleiche herangezogen „klingt wie das oder der“, „hätte das Band XY bereits so in den 80igern gemacht“ usw. Irgendwie muss ja auch das Phrasenschwein durchs Dorf getrieben werden und man sucht Vergleiche. Aber ich würde sagen, dass wir als TRAITOR mittlerweile schon einen eigenen Sound haben.

 Wie unterscheidet sich das vierte vom dritten Studioalbum? Ein Unterschied wie Tag und Nacht, wie ´…And Justice For All´ auf ´Master Of Puppets´ oder ´Cracked Brain´ auf ´Release From Agony´? 😉

Ein Tag und Nacht Unterschied ist das nicht. Ich würde sagen, dass das alles eine natürliche Entwicklung und glücklicherweise eine Steigerung zu den vorherigen Alben ist. Wäre ja auch Käse wenn wir uns auf jedem Album wiederholen würden, hahaha. Aber auf ´Exiled To The Surface´ sind bis dato die meisten Soli drauf und ich finde, wir haben da einen sehr guten Spagat zwischen Old School und dem NWOTM-Genre getroffen. Soundtechnisch wurde einiges gemacht und meines Erachtens hat die Platte mehr „mitgröl“-Refrains – so im Vergleich zu den vorherigen Alben.

Wie waren die Erfahrungen mit Kai Stahlenberg im Studio B? 

Mit Kai aufzunehmen ist wie ein Wellnessurlaub auf einem Nagelbrett, haha! Super entspannt, aber wenn du dich nicht anstrengst, spürst du schon die Peitsche. Du weißt ja, „Zuckerbrot und Peitsche“! Aber das ist genau was wir wollen. Wir haben ja nichts davon, wenn wir einen Produzenten im Boot hätten, der nur stupide die Leertaste drückt und sagt „des passt schon“. Von daher kann ich einfach nichts negatives über Kai und die Zusammenarbeit finden. Es passt menschlich hervorragend, er versteht was wir wollen und wo wir hinwollen. Dabei unterstützt er einen auch überdurchschnittlich! Top Mann und einfach ein sehr guter Produzent!

Seid Ihr genauso vorbereitet wie immer ins Studio gegangen?

Also, Studiobesuche sind ja immer so ein Ding. Jeder bereitet sich da natürlich vor, weil ganz billig sind so Studioaufnahmen natürlich nicht und wir wissn ja „Geld is Money“. Aber oft wirst du da wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Du denkst, dass hab ich jetzt gerockt und bin echt fit. Aber im Studio ist es dann doch wieder eine andere Nummer und man macht gewisse Sachen komplett anders, baut den Song nochmal um, verändert hier und da etwas und ja, was soll ich sagen, ist immer eine Herausforderung – trotz Vorbereitung!

Waren die Gastbeiträge – Tom Angelripper (SODOM) und Holger Ziegler (ABANDONED) – Pflicht oder reiner Zufall?

Eher so wie die Jungfrau zum Kind! Holger haben wir einfach spontan angerufen, er wohnt in der Nähe vom Kohlekeller und wollte uns mal „Hallo“ sagen. Da haben wir gerade die Gangshouts und Backvocals aufgenommen und ihn quasi ein bisschen dazu gezwungen – war aber geil! Grüße gehen an Holger!

Mit Tom haben wir ja bereits schon länger Kontakt und auch schon einige Konzerte zusammengespielt. Die Grundidee kam hier von Daniel Hofmann, da er uns für den Titelsong der Thrash Metal Dokumentation „Total Thrash – The Teutonic Story“ angeheuert hatte und da waren wir natürlich sofort dabei, da wir ja auch alle sehr große SODOM-Fans sind!

 

 

Verfolgt Ihr eigentlich noch, was die alten Helden von KREATOR, DESTRUCTION, SODOM und TANKARD heutzutage so machen?

Natürlich! Unsere „alten Hasen“ hauen ja nach wie vor krasse Alben raus. DESTRUCTION hat eine sehr gute Chartplatzierung bekommen, waren ja auch erst in den Staaten auf Tour – sehr verdient! Die neue KREATOR hat ja bereits sehr hohe Wellen geschlagen und auf die neue TANKARD müssen wir ja noch ein bisschen warten, aber TANKARD hat mich noch nie enttäuscht. Und bei SODOM wird sicherlich auch schon wieder eifrig gewerkelt! Von daher bekommen wir schon mit, was unsere alten Helden so treiben!

Wie habt Ihr es dann geschafft, dass der Titelsong ´Total Thrash´ in der kinoreifen Dokumentation über den Teutonic Thrash aufspielen darf?

Da wurden wir einfach ganz frech gefragt und so etwas ehrt einen natürlich und dann kann man da nicht nein sagen! Daniel Hofmann, der Regisseur des Kinofilms „Total Thrash – The Teutonic Story“, kam da einfach auf uns zu und hatte entsprechend angefragt. Da er uns ja auch sehr oft und lange begleitet hatte, dabei Filmmaterial aufgenommen hat, was später auch im Film zu sehen ist. Von daher war es eigentlich keine große Überraschung mehr, weil wir auch über Jahre in das Projekt eingebunden waren. Trotzdem immer noch eine sehr geile Geschichte 🙂

Erzähl‘ ruhig mal mehr!

Ja, wie bereits erwähnt, ist der Film ja nicht von Heute auf Morgen entstanden. Ende 2018 bzw. Anfang 2019 waren wir bereits an der Produktion beteiligt. Er war ständig mit seinem Kamerateam unterwegs, hat uns auf Gigs begleitet, dort abgedreht, unzählige Interviews geführt usw. Von unserer Seite kam auch immer viel Input bezüglich des Films, Kontakte zu anderen Bands, sehr viele Telefonate und was weiß ich. Das ging jetzt fast drei Jahre so – also schon eine andere Hausnummer einen Film zu produzieren und abzudrehen. Aber das war natürlich eine ganz tolle Erfahrung und man ist auch mittlerweile sehr gut befreundet und schätzt sich. Ich bin sehr froh, dass das alles so geklappt hat und auch entsprechend geil geworden ist. Großen Respekt an Daniel und jeder Metalfan oder auch nicht Metalfan sollte sich den Film angucken – macht wirklich Spaß und man kann so einiges dazulernen. Einfach eine tolle Dokumentation geworden!

 

 

Ja is‘ denn heut schon Weihnachten? ´Last Christmas´ habt Ihr Euch glücklicherweise als Schmankerl auf der neuen Scheibe nicht vorgeknüpft, aber ´Careless Whisper´ von WHAM – und dann noch das Saxofon-Intro übergangen?!

Da musst dir den Song wohl nochmal anhören 😉 ! Das ikonische Saxophon-Solo ist natürlich in dem Song drin, hahaha! Aber ja, bei dem Song wollten wir halt auch mal wieder mit einem Cover ums Eck kommen. Ich bin mir auch bewusst, dass der Song sicherlich polarisieren wird – ist so ne „hate it or love it“-Nummer. Aber wir stehen auf 80s Popmusik, ist killer Zeug dabei! Des Weiteren ist da ja ein eigenständiger TRAITOR-Song dafür komponiert worden. Wir haben nur die Gesangslinien genommen, das Saxophon-Solo auf Gitarre umgeschrieben, die Tonart von D auf E umgeschrieben und somit einen eigenen Song daraus gemacht.

Seid Ihr eigentlich stolz wie Bolle, dass Ihr neben dem „Bang Your Head“-Festival als würdige Vertreter der Stadt den Namen Balingen in alle Welt tragt?

Könnte schlimmer sein, hahaha! Böse Zungen würden ja behaupten, dass das Schwabenländle nur voller Grummler und Schaffer besteht, mit wenig Freude am Leben. Aber die waren alle noch nicht in Balingen. Da kann mans schon aushalten und ja, coole Festivals haben wir auch! Da stehen wir doch sehr gerne stellvertretend für die Stadt da – vielleicht klappt’s ja auch mal mit einer Ehrenbürgerschaft, wer weiß das schon!?

Und freut Ihr Euch wenigstens wie Bolle, endlich wieder unter die Menschen zu gehen und ihnen von der Bühne herab Eure neuen Songs entgegenzuschleudern?

Auf jeden Fall! Aber man merkt dennoch, dass das Gesamtauftreten von Besuchern, Veranstaltern, Promotern usw. sich sehr verändert hat. Das wird noch ein wenig dauern, bis sich da „Normalität“ eingestellt hat. Das merkt man vor allem beim Booking. Viele Venues sind ausgebucht, da man noch alte Verträge hat, verschiede Ersatzshows die durchgeführt werden müssen, welche sich noch auf 2020 beziehen usw. Ich hoffe, es wird alles mal wieder geregelter! Aber wir sind sehr guter Dinge und die Live-Shows, die wir dieses Jahr noch in ganz Deutschland verteilt spielen, werden ein absoluter Abriss – da kannst du dir sicher sein!

 

https://www.facebook.com/traitorthrash/


Pics: KUBO Fotoart