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TRAITOR – Exiled To The Surface

~ 2022 (Violent Creek Records) – Stil: Thrash Metal ~


In der Jugend, der Zeit des Sturm und Drang der Hormonumstellung und ersten Liebe, da hörte ich oft und gern Thrash. Im Laufe der Jahre ging das etwas zurück. Nach Radau ist mir meist eben nicht so zumute. Wenn das Tempo aber auch mal rausgenommen wird, zugunsten von etwas Gefühl und Melodie, dann ist mir das oft lieber. Als Beispiel könnte ich ´The Years Of Decay´ nennen, das alles bietet, was ich liebe.

Da passen TRAITOR eigentlich erst einmal nicht ins Bild. Die Jungs aus Balingen hauen halt voll in die teutonische Thrash-Kerbe. Hier grüßen TANKARD, KREATOR und DESTRUCTION. Hier regiert der Prügel, der Wahnsinn und die Zerstörung. Aber, genau mit ihrem Prügel haben sie es auf einen Filmsoundtrack geschafft. ´Total Thrash´ ist der Titelsong zur gleichnamigen Doku, für die sie auch ´Teutonic Storm´ neu einspielten. Das haben sie sich echt verdient, ihr Sound ist komplett der heimischen Historie verpflichtet. Da hätte es nicht mal den Gastauftritt von Tom Angelripper gebraucht. Das schaffen sie ganz allein. Genau, weil TRAITOR mit drei Alben im Rücken ausreichend Erfahrung haben, ihren schlagkräftigen Sound frisch und abwechslungsreich zu gestalten.

Das liegt vor allem an der grandiosen Gitarrenarbeit der Herren Hery und Koch, die keine Gnade kennen und riffen was das Zeug hält. Und wenn der Hörer denkt, das kann man nicht toppen, dann setzen sie noch einen drauf. Lorenz Kandolf legt mit dem Bass ein festes Fundament. Nur wer trommelt da? Für Angelo Sasso ist es definitiv zu hart und zu organisch. Höhepunkt aber ist Sänger Andreas Mozer. Wie energisch er seine schlechte Laune auslebt… Wie er knurrt, schreit, brüllt, kreischt… Und gleichzeitig trommelt er auch noch. Zeit, den Hut zu ziehen.

Dabei muss man die Truppe so richtig gar nicht ernst nehmen. So geht es im Endeffekt meist um Filme und Videospiele der speziellen Art. TRAITOR lassen sich inspirieren von den „X-Files“ oder „Star Trek“, lustig-kultige Horrorstreifen klingen an. Auch optisch, man beachte einfach das Cover. Das setzt die Reihe von Kultbildern fort, die die Band sich bisher gegönnt hat und wurde gemalt von Par Olofson. Und auch Songtitel wie ´Space Seed´ sagen genau das.

Was dann aber wirklich wehtut, mir zumindest, ist diese Covernummer. Ich will nicht geWHAMt werden. Nicht an Weihnachten, aber auch sonst nicht. Aber den einzigen brauchbaren Song der 80er Popband ´Careless Whisper´ so schlecht zu behandeln, das hat er nicht verdient. Ich kann noch nicht mal sagen, was genau mir da nicht gefällt, es ist wohl das Gesamtpaket.

Dann lieber ´66 Exeter Street´,  das ein wenig eingebremst ist und tatsächlich einen Hauch SLAYER mitbringt. Das hätte ich sogar erkannt, ohne die Info gelesen zu haben. Zum Ende gibt es in ´Decade Of Revival (Traitor Part (IV)´ sogar ein akustisches Outro. Das ich bis dahin tatsächlich nicht einmal vermisst habe.

Mit neun rostigen Nägeln anstelle von Punkten habe ich zumindest in diesem Genre mein Lieblingsscheibchen Anno 2022 gefunden.

https://www.facebook.com/traitorthrash


(VÖ: 08.07.2022)