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RUNESPELL – Sentinels Of Time

~ 2022 (Iron Bonehead) – Stil: Black/Death Metal ~


Freunde von räudig schwarzem Epic Metal, hier kommt Futter für Eure Ohren. Nach vier Alben und einer Split-LP auf „Iron Bonehead“ hat der Australier Nightwolf, alleiniger Macher hinter RUNESPELL eine neue Mini mit immerhin 33 Minuten Musik auf die Welt losgelassen. Tauchen wir ein in diese wunderbare nordisch kühle Klanglandschaft.

Ein mit klarer Gitarre und dunklen Keyboardteppichen gespieltes Intro, das in stoischem Marschtrommeln und machtvollen Riffs mündet, welche schon eine kräftige Dampfwalze epischer Erhabenheit erahnen lassen, eröffnet ´Claws Of Várnagandr´, einen mittelschnellen, rauen Blackmetalkracher mit großartigen, jedoch unter der ruppigen Klangkruste eher verborgen zu sein scheinenden Melodien, welche an die Volkslieder der uralten nordischen Kultur denken lassen. Woher Nightwolf ursprünglich stammt bzw. woher seine Familie kommt, kann keiner sagen. Aber er hat ein Gefühl für diesen nordischen, skandinavischen bzw. nordosteuropäischen Klang. Dieser erste Song macht bei aller Rohheit klar, dass RUNESPELL Genussmusik sind. Immer wieder tauchen Details auf, die man beim oberflächlichen Mithören gar nicht erfasst. Man muss sich diesem Klang ergeben und hineingleiten in die bildhafte Musik.

Ein reichlich düsteres Ambientstück, ein Grollen und Windrauschen, leitet in den zweiten Song über. Hier regiert der Metal, heißt der Song doch ´Memories In Steel´. Mittelschnell treibt er zunächst voran, dann kommt eine hymnische wogende Passage mit rollenden Gitarrenmelodien. Die Stimme geht so grandios im Klangmatsch unter, aber man bekommt mit, dass hier heroische Chöre stattfinden, dass der Gesang rau und grollend, aber nie zu albern keifig ist. Das war schon beim Opener so. Dies ist eine perfekte Livenummer, ein brodelnder Heavy Metal-Song mit nordisch brachialem Ausdruck.

Nightwolf kann auch mal etwas flotter, bleibt aber immer unterhalb der Blastbeatgrenze. Böse Zungen, die keine Fantasie haben, würden diese Musik als Kreuzüber aus alten MANOWAR und den dritten und vierten BATHORY-Alben bezeichnen, einfach, um den potentiellen Hörern einen Ansatz zu geben, worauf sie sich einzulassen haben. Für mich klingt die Musik schwelgerisch, obwohl sie die typische Heavy Metal-Energie besitzt, diesen Drive und die packende Art. Aber Keyboards und wunderbare Leadgitarrenmelodien sind allgegenwärtig. Keyboards im Hintergrund, Melodien meist angedeutet zwischen den ruppig rauschenden, verwaschenen Riffs, die sogar ein Thomas Forsberg aka Quorthon nicht besser hinbekommen hätte.

Der rasende Titelsong klingt schon aktueller, also weniger 1987, mehr 1994. Eisig sind die Gitarrenharmonie, dazwischen verliert sich der Bass, wobei er immer wahrzunehmen ist. Das Schlagzeug peitscht und rast hier wie eine wilde Jagd und die abscheulich herausgegrollten Vocals toppen das Ganze. Keyboards und höchst melodische Leadgitarren umschweben wie ein betörender Nebel die Attacke. Man sieht ein Fjord, Langboote im Wasser und wilde Männer am Strand mit allen möglichen Hieb- und Stichwaffen einander zusetzen. Dann kommt eine zurückhaltende, epische Zwischenpassage mit wenigen Trommelakzenten, die dann in einen schwebenden Part mit rollenden Gitarren und coolen Rhythmen übergeht und sich langsam steigert. Als hätten die kämpfenden Nordmänner ob einer gefährlichen höheren Bedrohung innegehalten und erst verwundert auf diese Macht geblickt, bevor sie sie dann gemeinsam angriffen. Und wieder erhöht sich die Schlagzahl, als die Schlacht zwischen den zerklüfteten Felsen und am mit grauen Steinen übersäten Strand weitertobt, bis das zaghafte Ende einen für die Menschen eher negativen Ausgang prophezeit. Was dann kommt ist ein Moment sehr intensiven Folkbombasts. Eher minimalistische Melodiestrukturen von der cleanen, verhallten Gitarre, Keyboards, Meeresrauschen, ganz akustische Gitarrenläufe darunter, vielleicht ein Hauch Bass, das hat schon eine meditative Stimmung.

Das Bild in meinem Kopf zeigt einen Fjord, wohl den aus der Schlachtenszenerie des letzten Stücks. Dann am Strand die toten und geschundenen Leiber der Krieger, hinweggefegt von der nicht nennbaren höheren Bedrohung. Das Meer spült langsam aber sicher das Blut der Gefallenen vom Strand. Absolut episch.

Machen wir uns nichts vor, das hier gewinnt keine Innovationspreise. Aber wenn ich mir meine Lieblinge der letzten Jahre anhöre, so ist da ohnehin keine Neuerfindung des Rades oder Quadratierung des Kreises dabei. Aber darauf kommt es nicht an. RUNESPELL ist Genuss, ist Herzensmusik und Seelenklang. Nightwolf malt ein zauberhaftes Bild mit seinen Songs. Und er hat mich. Hab mir mal spontan alle Alben der Band gekauft und schwelge momentan darin. Stoff für mehr Reviews eventuell. Auf jeden Fall lässt Nightwolf mit RUNESPELL meine Leidenschaft brennen.

(8,5 Punkte)