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THE SAME RIVER – The Weight Of The World

~ 2022 (Electric Talon Records / Sliptrick Records) – Stil: Heavy Psychedelic Rock ~


Ich weiß nicht mehr ganz genau, welche Band mir beim Anhören des Albums als erstes in den Sinn gekommen ist. Waren es MOUNTAIN DUST, oder doch ALL THEM WITCHES? Das ist aber auch egal, denn die Musik beider Bands umschreiben sehr gut, in welchen musikalischen Gefilden sich die Athener bewegen, nämlich in denen des psychedelischen Blues-Rock mit Stoner-Schlagseite …und Westerneinflüssen.

Dabei heben sich die Hellenen mit ihren Kompositionen in keinerlei Weise von ihren US-amerikanischen oder kanadischen Kollegen ab, so dass man auch den Ursprung von THE SAME RIVER  ohne weiteres ebenfalls auf diesem Kontinent hätte vermuten können. Insbesondere der Gesang von Diamond Pr lockt einem mit seinen vom Wüstenstaub aus dem mittleren Westen belegten Stimmbändern auf die falsche Fährte (Ja, ich weiß, dass weder Nashville, noch Quebec im mittleren Westen liegen… aber immerhin nahe dran! 😉 )

Die Band bezeichnet das Album ´Weight Of The World´ als kapitelbasiertes, philosophisches Konzeptalbum. Um zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, zitiere ich am besten mal die Band selbst:

„The songs fulfill the vision of a world that’s spinning through the wheels of confusion.“

Es geht dabei vor allem um die Pandemie, die die Welt und die erst kurz zuvor im August 2019 von Pr und Georgopoulos gegründete Band, in eine tiefe Verwirrung und Unsicherheit gestürzt hat. Sie hatten gerade im März 2020 eine EP mit vier Stücken namens ´Live In The Blackbox´ herausgebracht, als sie brutal in ihrem Enthusiasmus, Elan und Eifer gemeinsam mehr Musik zu machen, ausgebremst wurden.

THE SAME RIVER sind aber trotz aller widrigen Umstände am Ball geblieben und beglücken uns nun mit dem vorliegenden Debüt.

 

 

Das Album beginnt mit einem gewaltigen Riff, welches drohendes Unheil in kräftige Töne gießt. Dieses Intro geht fließend in ´Crossing The Rubikon´ über, demzufolge die Band der Meinung ist, wie der Titel des Stückes deutlich macht, dass es für die Menschheit keinen Weg zurück mehr gibt. Ein wahrlich dystopischer Ausblick auf unsere Zukunft. Interessanterweise verleiht die Gitarre, aber vor allem auch der Gesang, dem Stück ein deutliches (Italo-)Western-Feeling.

Auch ´The Oath Of A Fire Bringer´ tönt zunächst nicht minder bedrohlich durch die Boxen, was vor allem dem gnadenlos auf den Zuhörer einhämmernden Bass zu verdanken ist, dessen Wummern von Melodiefetzen umtänzelt wird, die sich elegant den Saiten einer Gitarre entwinden. Wie der Name nahelegt, geht es bei diesem Stück um die Sage des Prometheus, der den Göttern das Feuer (Symbol für Erkenntnis/Wissenschaft) stielt und dafür hart bestraft wird. THE SAME RIVER fordert uns mit einem Schwur dazu auf, nicht mit der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis nachzulassen, auch wenn die Götter (die herrschende Schicht) alles daran setzt, dies zu verhindern. Bereits diese beiden ersten Stücke hinterlassen bei mir einen überwältigenden Eindruck, der insbesondere auch durch die in ihnen eingesetzten psychedelischen Effekte und gewaltigen Doom-Riffs hervorgerufen wird.

Das anschließende ´Voyage/The Great Sea´ entführt den Zuhörer zunächst auf eine eher verträumte Reise, die das Leben symbolisieren soll. Am Ende dieser Reise ergießt sich dann dieses Leben, wie in der altgermanischen Sagenwelt beschrieben, zurück in das Meer der Seelen. Dies wird im zweiten Teil des Stückes, in welchem die bisherigen Trademarks des Albums wieder mit voller Macht zu Tage treten, durch einen hypnotisch pulsierenden Rhythmus und einem ebensolchen Gesang unterlegt, mit welchem sich das Stück dann dem Ende entgegenstampft.

Das im Titelstück besungene Gewicht der Welt ist dann verglichen mit dem Beginn der Scheibe gar nicht mehr so erdrückend, sondern gleitet eher, ähnlich wie der Wal auf dem von dem in Rio de Janeiro ansässigen Künstler Maurílio Barreto geschaffenem Cover-Motiv, gemächlich, nicht ganz ohne Spannung, aber wiederum psychedelisch hypnotisierend, dahin. Das Stück handelt von der Sisyphos-Sage und dem gleichnamigen Essay von Albert Camus. Es zieht Parallelen zu den Zeiten der Pandemie, in denen wir gezwungen waren (sind?), tägliche Mühsal zu verrichten, wohlwissend, dass wir am nächsten Morgen wieder genau da stehen werden, wo wir am heutigen Morgen gestanden haben.

Mit ´The Bounds Of A Fire Bringer´ wird die Sage des Prometheus wieder aufgegriffen und in eine fließende Gitarrenmelodie eingebunden. Es geht darum, sich der Konsequenzen seines Handelns stets bewusst zu sein und auch nicht durch die Androhung einer schrecklichen Bestrafung von seinem (guten) Vorsatz abbringen zu lassen.  Spätestens bei diesem Song wird deutlich, welche großartige Arbeit Bassist und Schlagzeuger abliefern und wie perfekt das Ganze mit der zum Teil minimalistischen Gitarrenarbeit harmoniert.

Bei ´Remains Of The Holy´ wird es dann richtig besinnlich melodisch und gefühlvoll. Das Stück handelt von dem in uns verbliebenen Resten der göttlichen Seele. Zugleich birgt dieser Rest aber auch die letzte Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wenden könnte.

Noch weiter werden die Gefühlsausbrüche zunächst bei dem Stück heruntergedreht, das der Band ihren Namen verleiht. Nach Heraklit kann niemand zweimal in den gleichen Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt. Panta Rei! Schaue nicht zurück, sondern nur nach vorne und lebe Dein Leben, egal was Dir entgegenkommen mag. Gemächlich treibt die Gitarrenmelodie dahin und lässt im Zusammenspiel mit der Stimme von Diamond Pr weite westamerikanische Wüsten vor dem geistigen Auge erscheinen. Nach einem kurzen, aber prägnanten Gitarrensolo, leitet Pr den finalen Abgesang ein.

Finaler Abgesang ist jetzt auch das Stichwort, bei dem das Album abschließenden erneuten Doppel ´We The People / No Friends, But The Mountains´. Unspektakulär, aber sehr effektvoll wird man an die Hand genommen und im zweiten Teil des Stückes mit etwas ähnlichem wie „Spoken Words“ behutsam aus dem Album geleitet. Der erste Teil des Doppels bedarf sicherlich keinerlei Erläuterung. Der zweite Teil bezieht sich auf ein kurdisches Sprichwort, welches den Zustand des verraten und alleine gelassen werden beschreibt. Es ist der Zustand, wenn nur noch die Berge um einen herum da sind, die einem nichts Böses tun können und man nur noch sich selber trauen kann. Aber genau das sollte man eben auch tun: sich selber vertrauen und sich was trauen!

Abgesang? Nicht ganz, denn es gibt noch einen Digital-Bonus-Track. So sehr ich mich auch über derartige Bonustracks ärgere und diesen am liebsten komplett ausblenden würde, so sehr muss ich eingestehen, dass es sich um ein echtes Highlight handelt, was es allerdings noch ärgerlicher macht. Die Trompete, die hier geblasen wird, ist die Trompete, die dem Evangelium des Johannes folgend, die Apokalypse einleitet. Es ist der Anfang vom Ende, den die Menschheit mit ihrem Handeln eingeleitet hat. Jede Reaktion löst eine Gegenreaktion aus und unser Handeln hat immer Konsequenzen. Werden wir das noch rechtzeitig begreifen, oder ist es dafür bereits zu spät?

Die zum Teil sehr entspannten mit sphärisch psychedelischen, aber dennoch auch mit viel Dynamik und spannenden Momenten durchzogene Kompositionen, denen ein hypnotischer Gesang aufgelegt wird, rechtfertigen allemal

(8 Punkte)

 

 

Das Album gibt es als limitierte Kassette und limitierte LP in weißem Vinyl mit 180 Gramm sowie natürlich auch auf CD und Digital zu erwerben.

The Same River sind:
Diamond Pr  – Gesang, Gitarre und Synthesizer
Theodore Ntilgeris – Gitarre
Dimitris Georgopoulos – Bass
Fivos Katsifloros – Schlagzeug

https://www.facebook.com/thesameriverband
https://thesameriver.bandcamp.com/