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ARCHIVE – Call To Arms & Angels

~ 2022 (Dangervisit) – Stil: Electronica/Progressive Rock ~


ARCHIVE sind seit jeher unberechenbar. Dereinst als Trip-Hop-Band gestartet, sind sie spätestens seit ihrem dritten Studioalbum ´You All Look The Same To Me´ für Hörer des Rock und Progressive Rock von großem Interesse. Gewisse Vorlieben für elektronische Sounds sollten allerdings auch bei ihrem allerneuesten Studioalbum vorhanden sein.

Nachdem sich vor sechs Jahren das letzte reguläre Studioalbum ´The False Foundation´ irgendwie ziellos in elektronischen Klängen verfangen hatte, können ARCHIVE mit ´Call To Arms & Angels´ auf allen Ebenen überzeugen. Ihr 17 Songtitel umfassendes Triple-Vinyl-Album lässt erst nach 105 fortwährend faszinierenden Minuten die Nadel ein letztes Mal vom Plattenteller anheben.

Das mit ihrem langjährigen Partner Jérome Devoise in den „RAK-Studios“ von London aufgenommene Werk begibt sich dabei in die Hölle auf Erden, in die Gegenwart von ARCHIVE und aller Menschen. ´Call To Arms & Angels´ ruft nicht zu den Waffen, sondern ist ein letzter Hilfeschrei gen Himmel, uns vor allen Politikern, ihrem vorsätzlichem Unvermögen und ihrer schieren Kriegstreiberei zu schützen.

 

 

Eine bedrohlich flirrende Atmosphäre wird in ´Surrounded By Ghosts´ vom Klavier getragen: „There’s a war. There’s a war still raging.“ Sanft entwickelt sich eine echte, sinfonische Dramatik („And if you stay alive. You can tell them what we’ve won.“). Brodelnd und lautstark zeigt sich jedoch unverzüglich ´Mr Daisy´, derweil Sirenen gleich der sogenannten Jericho-Trompeten im Hintergrund zünden: „Hello, Mr Daisy. Your perfume infects me. Making me crazy, can I have this dance with you?“

Den regelmäßigen PINK FLOYD-Moment entfachen ARCHIVE bei ´Fear There And Everywhere´ („It’s seeping into my bones. It’s creeping into my home. Fake this, fake that. It’s so ugly.“) neben dem klassisch-sinfonischen Brit-Rock á ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA („Fear there everywhere. Burning inside of me. Fear there everywhere. Killing the light in me.“). Dagegen fliegt die Electronica flirrend hektisch durch das langsam explodierende ´Numbers´ („The numbers keep on fighting.“).

Einer Unterwasserwelt gleich breitet sich demgegenüber die Stimmung hinter den Klavieranschlägen von ´Shouting Within´ aus („I’m constantly high. The light from the sun. I’m constantly low. The damage it’s done.“). Nicht ein Frühlingserwachen, sondern das menschliche Erwachen regt und entwickelt sich innerhalb eines fünfzehnminütigen Trips des rauschhaften ´Daytime Coma´.

 

 

Der post-sinfonische Hymnus ´Head Heavy´ wird vom atmosphärisch aus der sanften Repetitive in einen rituellen EBM-Ausdruckstanz hochkochenden Achtminutensong ´Enemy´ abgelöst. Der sich anschließende, psychedelische Pop-Ohrwurm nennt sich ´Every Single Day´ („Extinguish feeling. Extinguish meaning. There is nothing.“) und der moderne, neunminütige Electro-Art-Pop-Song ´Freedom´, samt BEATLES-Echo und einem ruhigen zweiten, zum Klavier gesungenen Teilabschnitt. Passender Weise folgt hernach die sanfte und emotionale Klavierballade ´All That I Have´, ehe die Elektronik in ´Frying Paint´ wieder einzieht und den nächsten tänzerischen Ohrenschmaus hervorbeschwört („Set this city alight.“).

Dunkler schmort in aller Lauschigkeit („Sometimes I think we’re not the same. Till I obey, oh. Sometimes I think we’re all the same.“) ´We Are The Same´ („In the night time. In the darkest time. All magnified. So I follow blind. In the day time. In the lightest time. You’re not my kind.“), die in ´Alive´ gemächlich zum Chor anwächst. Cineastisch schwillt die Elektronik im achtminütigen ´The Crown´ an („Bow down. The crown.“), solange bis die Children rufen: „Can you hear me now? Can you see me now?“ Gleichermaßen stürzt sich das achtminütige ´Gold´ aufs Neue in den erhofften Taumelendzustand: „No excuses. Misuses. Abuses.“

Magnifik!

(9 Punkte)

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(VÖ: 29.04.2022)