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IN APHELION – Luciferian Age

~ 2021 (Edged Circle Productions) – Stil: Elchtod-Black Metal ~


Ich fall einfach direkt mit der Tür ins Haus: wer zufällig und unwissend auf ´Draugr´, den ersten Song auf ´Luciferian Age´ stossen sollte, ohne vorher den Bandnamen zu sehen, kann nur eine Assoziation dazu haben. „Gibt’s was Neues von NECROPHOBIC mit nem anderen Sänger?“ – würde sich der eine oder andere fragen, und damit gar nicht so verkehrt liegen, denn es ist nicht zu überhören, dass IN APHELION die brandneue Band der beiden Gitarristen der Stockholmer Blackdeath-Legende ist.

Im Pandemiejahr 2020 hatte deren Chefklampfer und Songwriter Sebastian Ramstedt offenbar viel Zeit zum Nachdenken, und vermutlich auch genug Ideen und Material, welche er bei seiner Hauptband nicht unterbringen konnte. So nahm er kurzerhand zusammen mit dem talentierten jungen holländischen Drummer Marco Prij von den Progressive Thrashern CRYPTOSIS ein 2-Song-Demo auf, auf 50 Cassetten limitiert und rasend schnell ausverkauft. Ramstedt hat hier ausser seiner himmelsstrebenden Trademark-Flying V auch das Mikro und den Bass übernommen und bald gesellte sich auch Langzeit-Partner-in-Crime Johan Bergebäck hinzu, um damit ein Powertrio zu vervollständigen, das dem Liebhaber klassisch schwedischen Black/Death Metal die Freudentränen ins aktuell eher grimm blickende Gesicht treiben wird. Keine Platte hat mir 2021 soviel Spass gebracht wie diese erste EP, die auf 23 Minuten ausser drei eigenen Songs mit ´Pleasure To Kill´ noch ein nackenbrechendes KREATOR-Cover enthält – eigentlich zu wenig Material, um dieses erste Lebenszeichen IN APHELIONs korrekt bewerten zu können, wenn, ja wenn es sich bei diesen drei Songs nicht um drei absolute Hits handeln würde, für die andere Bands töten würden. Oder ihre dunkle Seele verkaufen. Egal, auf jeden Fall einiges geben… schauen wir uns daher mal genauer an, was diesen neuen schwarzen Diamanten aus Veteranenhand so besonders macht?

 

 

Zum einen haben wir mit diesem Duo die Gottväter des Schweden-BlackDeath-Sounds an den Gitarren, die kraftvolles mid- bis highspeed-Twin-Riffing grossartig mit übermenschlichen Melodien in den Leads, Breaks und Soli kombinieren, immer zwischen Düsternis, Sehnsucht, Hass, Schwermut und Leidenschaft pendelnd und die Erregung lustvoll steigernd, indem ihre Songs den Hörer mit Zuckerbrotharmonien & Geschwindigkeitspeitsche in ein die Sinne verwirrendes, höllisch schönes Labyrinth locken. ´Draugr´ erzählt episch-mystisch von verdammten Untoten der nordischen Mythologie, und nimmt uns mit messerscharfen Riffs und peitschend geblasteten Drums auf deren ewig galoppierenden Ritt, nur unterbrochen von einem dieser zwischen den Sternen zerstiebenden Traumsoli, die auch bei NECROPHOBIC Trademarks sind, sich hier jedoch zwischen Black Metal-Riffing behaupten müssen. Am Ende erinnert die schwermütige, aus Riffs und Leads zusammengesetzte, ständig wiederholte Melodie dann zum ersten Mal an die gothisch geschwärzten Nachbarn von TRIBULATION, dieser Stockholm-Sound wird sich auch später wiederfinden.

Desweiteren sind die persönlichen Vorlieben für klassischen Heavy Metal im Sinne von NWoBHM und Thrash, eigentlich für alle treibenden Genres inklusive Punk und Death’n’Roll, nicht zu verleugnen, aber genauso die Vorliebe für Old School Black Metal der schwedisch-melodischen Variante à la BATHORY oder DISSECTION. Schlagzeuger Marco Prij wiederum kann mit seinem extrem aggressiven Drumming seine Thrash-Sozialisation nicht verbergen, und wenn man dies alles miteinander verbindet kommt eben kein Liebeslied heraus. Der Titelsong ist dementsprechend ein dreckiger, straighter Wutbrocken, der, wie der Bandkopf sagt, zwar aus dem typischen IN APHELION-Sound herausfällt, jedoch als Single perfekt funktioniert, zumal er ein Zeitalter heraufbeschwört, in dem die Menschheit sich frei von Regeln und Restriktionen entfalten kann. Sebastian Ramstedts knurrende, sehr raue, oft tatsächlich animalische Vocals tragen den Song genauso wie der starke, rollende Rhythmus, der den Song vor sich hertreibt. Noch eingängiger und grooviger geht es in diesem Genre kaum!

´Wrath Of A False God´ schliesslich, der komplexeste und längste Song der EP, wird als einziger nicht auf dem Fulllength-Debüt namens ´Moribund´ erscheinen, das für Februar 2022 geplant ist, trotzdem gibt er einen Ausblick darauf, was uns auf der LP erwarten wird, was die Band tatsächlich ausmacht. Die hier erzählte Geschichte lebt von einem andauernden auf und ab, einem hin- und hergerissen sein, und dem ständigen Wechsel der Stimmungen, Dynamiken und Stilmittel. Best of many worlds sozusagen, das Powertrio bedient sich hemmungslos, doch stilsicher am grossen Medizinschrank des Metal, um seinen ganz eigenen, abhängig machenden Giftcocktail daraus zu brauen. In den breit angelegten rein instrumentalen Teilen singt die Gitarre und macht deutlich, dass Ramstedt grosser IRON MAIDEN, speziell Dave Murray-Fan ist, und diese Betonung der Sechssaiter ist ebenfalls etwas, das die Schweden auszeichnet und ihre Songs so eingängig, so anziehend macht. In diesen verspielten Klangwelten kann man sich genauso verlieren wie die Rübe während der abartigen, den NIFLHEIM-Stempel nicht verleugnenden Blastattacken abzuschütteln, und diese Vielseitigkeit macht die Band eben auch für aufgeschlossene Metaller aller Geschmacksrichtungen interessant.

Den Kontrast zu den ausgefeilten, detailverliebten Songs erlebt man beim brutalen, hochgedrehten und trotzdem sehr originalgetreuen Coverstück, einer Hommage an den deutschen Thrash der 80er, und damit an die Wurzeln der Band. Trotz aller Perfektion ist ´Pleasure To Kill´ eher eine Technikübung im Vergleich zu den seelenvollen eigenen Songs, die es dem Hörer ermöglichen, geistig in andere Welten zu wechseln. UNLEASHEDs Fredrik Folkare hat dem Ganzen zudem einen kristallklaren, druckvollen Sound verpasst, der der Detailverliebtheit der Kompositionen Rechnung trägt.

Alles in allem sind IN APHELION die Extremmetal-Überraschung dieses Jahres, und haben den Fans mit dieser EP einen schwarzen Appetithappen hingeworfen, der den Hunger auf das Langdebüt fast ins Unendliche treibt. So klingt es, wenn ein Musiker ausschliesslich auf seine Eingebungen und Interessen hört, ohne sich an irgendein stilistisches Korsett halten zu müssen, und genau das macht die Sache so originell und erfrischend. Hier wurde ganz offensichtlich eine kreative Quelle angezapft, die nun übersprudelt vor blutigen und blasphemischen Ideen, und ganz sicher nicht so schnell wieder versiegen wird. Wie entspannt ein Joakim Sterner angesichts dieser schlagkräftigen Konkurrenz aus dem eigenen Hause bleiben kann, wird sich zeigen. Von mir aus können die Herren Ramstedt/Bergebäck auch gerne einfach nur bei diesem Jungbrunnen für alle Beteiligten weitermachen – die Fans fressen ihnen sowieso aus der Hand.

(9 Punkte!)

 

 

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https://edgedcircleproductions.bandcamp.com/album/luciferian-age